Drucksache 17 / 12 456 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Benedikt Lux (GRÜNE) vom 24. Juli 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 25. Juli 2013) und Antwort Schusswaffengebrauch der Polizei 2008 bis 2013 Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. In wie vielen Fällen haben PolizeibeamtInnen in den Jahren 2008 bis 2013 von der Schusswaffe Gebrauch gemacht? Wie viele Schüsse sind dabei jeweils abgegeben worden? In welcher Einheit/ welchem Dienst war der jeweilige Schütze? Zu 1.: In den Jahren 2008 bis 2013 (Stand 31.Juli 2013) wurde insgesamt in 551 Fällen von der Schuss- waffe Gebrauch gemacht. Angaben darüber, wie viele Schüsse im Einzelnen dabei abgegeben wurden, werden statistisch nicht erfasst. Nicht in der Tabelle zur Antwort auf Frage 2 aufgeführt sind Schussabgaben, die rechtlich unzulässig waren, deren rechtliche Beurteilung noch nicht abgeschlossen ist und die als Unfall eingestuft wurden bzw. zum Suizid führten. In 426 Fällen erfolgte die Schussabgabe durch Strei- fenbeamtinnen und Streifenbeamte, in 13 Fällen durch Zivilfahnderinnen und Zivilfahnder, in 4 Fällen durch Angehörige der Bereitschaftspolizei, in 17 Fällen durch Angehörige des Spezialeinsatzkommandos, in 6 Fällen durch Kräfte des Landeskriminalamtes und in 11 Fällen durch Angestellte im Vollzugsdienst. Eine detaillierte Darstellung für das Jahr 2013 liegt zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht vor. 2. Wie viele dieser Schüsse wurden auf Menschen oder Tiere abgegeben, wie viele waren Warn- und Signal- schüsse, wie viele wurden unbeabsichtigt abgegeben? (bitte nach Jahren aufschlüsseln) Zu 2.: Auf die nachstehende Tabelle wird verwiesen. 2008 2009 2010 2011 2012 2013 gegen Menschen 3 3 5 5 3 2 gegen Tiere 102 78 61 41 61 55 Warn/Signalschüsse 5 8 4 8 8 2 Unbeabsichtigt 13 18 10 10 19 12 3. In wie vielen Fällen sind Menschen seit 2008 durch den polizeilichen Schusswaffengebrauch verletzt oder getötet worden? (bitte nach Jahren aufschlüsseln) Zu 3.: Die Fälle bitte ich der nachstehenden Tabelle zu entnehmen (Stand 31. Juli 2013). Es wird davon ausge- gangen, dass der polizeiliche Schusswaffengebrauch im Einsatz gemeint ist, so dass Selbstverletzungen der Be- amtinnen und Beamten nicht mitgezählt wurden. 2008 2009 2010 2011 2012 2013 Tote 1 1 1 1 1 1 Verletzte 2 2 4 3 1 0 4. Wie ist der Stand der Ermittlungen bei der im Au- gust 2011 in Reinickendorf tödlich verwundeten Andrea H.? Wie ist der Stand bei dem Anfang Oktober 2012 in Wedding tödlich verwundeten Mann? Zu 4.: Im Fall Andrea H. hat die Staatsanwaltschaft Berlin die strafrechtlichen Ermittlungen gegen den Schützen gemäß § 170 Absatz 2 Strafprozessordnung (StPO) eingestellt. Im Fall des in Wedding tödlich verwundeten Mannes dauern die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Berlin an. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 456 2 5. Welche Konsequenzen wurden aus der Nachbereitung der Schusswaffengebräuche der letzten Jahre gezo- gen insbesondere im Hinblick darauf, dass es sich bei den Todesopfern wiederholt um Personen mit psychischen Erkrankungen handelte? Zu 5.: Sämtliche Schusswaffengebrauchsfälle werden sorgfältig ausgewertet, und zwar unter taktischen wie rechtlichen Erwägungen. Dabei werden konsequent nicht nur Berliner Schusswaffengebrauchsfälle, sondern auch bundesweite Fälle des polizeilichen Schusswaffenge- brauchs (z.B. Winnenden/Baden-Württemberg) aufberei- tet. Die bisher von der Polizei Berlin gezogenen Konse- quenzen sind unter anderem - Erweiterung der Anforderungskriterien für das Spezialeinsatzkommando, - Sensibilisierung der Dienstkräfte des „Täglichen Dienstes“ durch die Einsatztrainer für Aus- und Fortbildung im Umgang mit psychisch kranken Personen, - Durchführung von Seminaren zum Thema „Einsatzmittel und ihre Wirkungsweise“, insbesondere im Hinblick auf die Wirkung von Pfefferspray auf stark alkoholisierte und psychisch kranke Perso- nen, - Aufnahme der Thematik in die Fortbildung von Führungskräften, - ständige Aktualisierung des Konzepts „Beweissicherung und Freiheitsentziehung“ für die Einsatzeinheiten , - Verbesserung der Kooperation mit den sozialpsychiatrischen Diensten der Bezirke bei Fällen von Amts-/Vollzugshilfe. 6. Wie genau gestaltet sich die Ausbildung und das regelmäßige Einsatztraining in Bezug auf a) den Umgang mit Extremsituationen, die unter Umständen auch den Schusswaffengebrauch erforderlich machen können? b) den Umgang mit psychisch erkrankten GefährderInnen oder StraftäterInnen? Zu 6a.: Der inhaltliche Schwerpunkt des Einsatztrai- nings der Polizei Berlin wird bereits in der Ausbildung auf die Vermeidung bzw. Minimierung von Risiken und Gefährdungen insbesondere in speziell gefährlichen Einsatzsituationen gelegt, zu denen auch Widerstands- handlungen und Extremsituationen zählen. Diese ergeben sich häufig aus anderen, zunächst kaum konfliktträchtig erscheinenden Einsatzanlässen. Die Trainingseinheiten werden als sogenannte „Integrierte Fortbildung“ absolviert, d.h. es findet ein regelmäßiges ganzheitliches Training aller Elemente des Einsatz- trainings (Schieß- und Schießvermeidungstraining, Ein- satz von Führungs- und Einsatzmitteln wie Pfefferspray oder Einsatzstock, Einsatzbezogene Selbstverteidigung, Einsatzbezogene Erste Hilfe, Konfliktmindernde Kom- munikation) statt. Das Prinzip der „Integrierten Fortbildung“ wird in allen Länderpolizeien in ähnlicher Form umgesetzt und beruht u. a. auf den Ergebnissen unterschiedlichster the- menbezogener Projekt- und Arbeitsgruppen sowie auf Forschungsergebnissen, wie z. B. der Projektgruppe „Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und –beamte“ des Unterausschusses Führung, Einsatz und Kriminalitätsbe- kämpfung (UA FEK) und den Ergebnissen der Studien des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KfN). Zu 6b.: Der Umgang mit psychisch erkrankten Perso- nen ist integraler Bestandteil eines großen Teils des Ein- satztrainings, weil sich psychisch kranke Personen häufig genau so verhalten wie alkoholisierte oder unter Rausch- mitteleinfluss stehende Personen oder auch wie Personen in extremen persönlichen Ausnahmesituationen (z. B. bei Wegweisungen aus der eigenen Wohnung nach Fällen häuslicher Gewalt). Ein spezielles Training ausschließlich zum Umgang mit psychisch kranken Personen erfolgt daher nicht, zumal die Definition einer „psychischen Erkrankung“ als solche schon strittig, mit individuellen Wertigkeiten belegt und nicht eindeutig bestimmbar ist. Für alle (insbesondere konfliktträchtigen) Einsatzsitu- ationen gelten bundeseinheitliche Empfehlungen. Diese werden im Rahmen des Einsatztrainings ganzheitlich vermittelt. Berlin, den 30. August 2013 Frank Henkel Senator für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 17. Sep. 2013)