Drucksache 17 / 12 458 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Fabio Reinhardt (PIRATEN) vom 25. Juli 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 26. Juli 2013) und Antwort Zwangsbestattungen in Berlin Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen: Die Verwendung des Begriffs „Zwangsbestattungen“ in der Kleinen Anfrage bedarf zunächst folgender Klarstellung: Gemäß § 15 Absatz 1 des Bestattungsgesetzes muss jede Leiche bestattet werden. Für die Bestattung der Lei- che haben die Ehegattin oder der Ehegatte oder die Le- benspartnerin oder Lebenspartner, die volljährigen Kin- der, die Eltern, die volljährigen Geschwister, die volljäh- rigen Enkelkinder und die Großeltern zu sorgen. Eine Verpflichtung, für die Bestattung zu sorgen, besteht nur, wenn die in der Reihenfolge früher genannten Angehöri- gen nicht vorhanden oder aus wichtigem Grund gehindert sind, für die Bestattung zu sorgen (vgl. § 16 Absätze 1 und 2 Bestattungsgesetz). Sind Bestattungspflichtige im Sinne des § 16 Absatz 1 des Bestattungsgesetzes nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln oder kommen sie ihrer Pflicht nicht oder nicht rechtzeitig nach und veranlasst keine andere Person die Bestattung, hat das örtlich zu- ständige Bezirksamt gemäß § 16 Absatz 3 des Bestat- tungsgesetzes auf Kosten der Bestattungspflichtigen oder des Bestattungspflichtigen für die Bestattung zu sorgen, wenn der Sterbeort im Land Berlin liegt (ordnungsbe- hördliche Bestattung). Erhält das Bezirksamt (in der Regel das Gesundheits- amt) demnach Kenntnis über einen Sterbefall und sind zu diesem Zeitpunkt keine bestattungspflichtigen Personen vorhanden oder bekannt, werden durch das jeweilige Bezirksamt zunächst Anstrengungen unternommen, be- stattungspflichtige Personen zu ermitteln. Gelingt dies kurzfristig nicht oder lehnen die ermittelten bestattungs- pflichtigen Personen die Durchführung der Bestattung ab, so veranlasst das Bezirksamt die Bestattung auf Kosten der Bestattungspflichtigen oder des Bestattungspflich- tigen. Sollten nachträglich bestattungspflichtige Personen ermittelt werden, so haben diese die Kosten für die vorab von der Behörde im Rahmen der Ersatzvornahme er- brachten Leistungen zu erstatten. Ordnungsbehördliche Bestattungen dienen der Gefah- renabwehr und dem Gesundheitsschutz und erfolgen aus gebotener Ehrfurcht vor den Toten. Der Senat geht davon aus, dass sich die Kleine Anfra- ge auf die Veranlassung „ordnungsbehördlicher Bestattungen “ gemäß § 16 Absatz 3 des Bestattungsgesetzes bezieht. Die Kleine Anfrage betrifft im Übrigen Sachverhalte, die der Senat nicht aus eigener Zuständigkeit und Kennt- nis beantworten kann. Er ist jedoch bemüht, Ihnen eine Antwort auf Ihre Anfrage zukommen zu lassen und hat daher die Bezirksämter um Stellungnahme gebeten. Die Beantwortung der Fragen beruht daher zum Teil auf den übergebenen Stellungnahmen. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 458 2 1. Wie viele Zwangsbestattungen hat die Stadt Berlin durch die Behörden seit 2008 durchgesetzt? (Bitte tabella- risch nach Jahr und dem jeweiligen verantwortlichen Bezirk aufschlüsseln) Zu 1.: Bezirk Anzahl ordnungsbehördlicher Bestattungen 2008 2009 2010 2011 2012 Januar bis Juni 2013 Charlottenburg-Wilmersdorf 222 234 233 236 216 131 Friedrichshain-Kreuzberg 226 227 241 207 155 138 Lichtenberg 114 108 103 96 97 49 Marzahn-Hellersdorf 81 84 111 109 91 54 Mitte 276 265 231 227 251 160 Neukölln 200 178 212 197 212 122 Pankow 191 187 193 189 195 80 Reinickendorf 150 151 152 155 146 88 Spandau 127 165 144 138 160 77 Steglitz-Zehlendorf 105 116 85 137 123 81 Tempelhof-Schöneberg 184 170 170 169 173 72 Treptow-Köpenick 134 134 141 131 160 79 2. Wie viele der seit 2008 in Berlin zu Zwangsbestatteten waren jeweils Männer bzw. Frauen und bei wie vielen von diesen handelte es sich um sogenannte „Unbekannte Tote“? (Bitte tabellarisch nach Jahr und dem jeweiligen verantwortlichen Bezirk aufschlüsseln) Zu 2.: Bezirk Anzahl ordnungsbehördlicher Bestattungen 2008 2009 2010 2011 2012 Januar - Juni 2013 M ä n n er F ra u en U n b ek a n n te T o te M ä n n er F ra u en U n b ek a n n te T o te M ä n n er F ra u en U n b ek a n n te T o te M ä n n er F ra u en U n b ek a n n te T o te M ä n n er F ra u en U n b ek a n n te T o te M ä n n er F ra u en U n b ek a n n te T o te Mitte 175 101 0 186 77 2 159 72 0 161 64 2 161 88 2 118 41 1 Steglitz- Zehlendorf 55 50 0 26 54 0 48 37 0 78 59 0 70 52 0 46 36 0 Tempelhof- Schöneberg 107 77 0 94 76 0 105 65 0 104 65 0 120 53 0 45 27 0 Die Bezirksämter Lichtenberg, Neukölln, Pankow so- wie Reinickendorf haben in dem fraglichen Zeitraum keine „unbekannten Toten“ ordnungsbehördlich bestattet. Die übrigen Bezirksämter konnten keine Angaben machen, da die gewünschten Daten statistisch nicht er- fasst werden. Eine nachträgliche Erhebung wäre nur mit einem unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand möglich, dem steht die Notwendigkeit der Erfüllung be- stattungsrechtlicher Aufgaben nach § 16 Absatz 3 des Bestattungsgesetzes entgegen. 3. Wie viele der Zwangsbestatteten gab es seit 2008 in Berlin, bei denen jeweils kein Erbe zu ermitteln war, das Erbe ausgeschlagen wurde oder es sich um Personen handelte, bei denen keine Angehörigen ermittelt werden konnten und die deshalb durch die Behörden zwangsbe- stattet werden mussten? (Bitte tabellarisch nach Jahr und dem jeweiligen verantwortlichen Bezirk aufschlüsseln) Zu 3.: Die Bestattungspflicht ist öffentlich-rechtlicher Natur. Das Berliner Bestattungsgesetz verlangt, dass jede Leiche zu bestatten ist (vgl. § 15 Bestattungsgesetz). Die öffentlich-rechtliche Pflicht, für die Bestattung einer Lei- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 458 3 che zu sorgen, ist nicht mit der zivilrechtlichen Pflicht identisch, die Beerdigungskosten zu tragen. Bei einer ordnungsbehördlich veranlassten Bestattung hat die Bestattungspflichtige oder der Bestattungspflichti- ge für die Kosten der Bestattung aufzukommen (vgl. § 16 Absatz 3 des Bestattungsgesetzes). Das Bezirksamt sorgt hier zwar für die Bestattung, wird aber selbst nicht Kos- tenpflichtiger, sondern übernimmt ein Geschäft für die Bestattungspflichtige oder den Bestattungspflichtigen, zahlt die hierbei entstehenden Aufwendungen und erlangt damit einen entsprechenden Erstattungsanspruch gegen den eigentlichen Kostenschuldner. Auch wenn eine Angehörige oder ein Angehöriger, die oder der nicht zugleich Erbe geworden ist, öffentlich- rechtlich in Anspruch genommen wurde und zunächst die Beerdigungskosten verauslagen musste, kann sie oder er diese Beerdigungskosten von dem oder den Erben, ggf. im Wege der Zivilklage, nach § 1968 BGB erstattet ver- langen (vgl. § 16 Absatz 4 des Bestattungsgesetzes). Bezirk Anzahl ordnungsbehördlicher Bestattungen, bei denen keine Bestattungspflichtigen ermittelt werden konnten 2008 2009 2010 2011 2012 Januar - Juni 2013 Mitte 149 146 14 137 151 108 Tempelhof-Schöneberg 53 51 45 52 62 14 Die übrigen Bezirksämter konnten keine Angaben machen, da die gewünschten Daten statistisch nicht er- fasst werden. Eine nachträgliche Erhebung wäre nur mit einem unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand möglich, dem steht die Notwendigkeit der Erfüllung be- stattungsrechtlicher Aufgaben nach § 16 Abs. 3 des Be- stattungsgesetzes entgegen. 4. Bei wie vielen der seit 2008 in Berlin Zwangsbestatteten handelte es sich jeweils um Obdachlose oder um Wohnungslose? (Bitte tabellarisch nach Jahr und dem jeweiligen verantwortlichen Bezirk aufschlüsseln) Zu 4.: Bezirk Anzahl ordnungsbehördlicher Bestattungen von Obdachlosen oder Wohnungslosen 2008 2009 2010 2011 2012 Januar - Juni 2013 Mitte 8 8 7 15 13 4 Tempelhof-Schöneberg Keine genaue Angabe möglich, geschätzt weniger als 10 Fälle/Jahr Den übrigen Bezirksämtern war die Beantwortung der Frage nicht möglich, da die gewünschten Daten statistisch nicht erfasst werden. Eine nachträgliche Erhebung wäre nur mit einem unverhältnismäßig hohen Verwaltungsauf- wand möglich, dem steht die Notwendigkeit der Erfüllung bestattungsrechtlicher Aufgaben nach § 16 Abs. 3 des Bestattungsgesetzes entgegen. 5. Wie viele, der seit 2008 in Berlin Zwangsbestatteten , besaßen jeweils keine deutsche Staatsangehörigkeit, kein Aufenthaltsrecht in Deutschland oder waren Asyl- bewerber_innen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz? (Bitte getrennt tabellarisch nach Jahr und dem jeweiligen verantwortlichen Bezirk aufschlüsseln) Zu 5.: Die Beantwortung der Frage ist nicht möglich, da die gewünschten Daten statistisch nicht erfasst werden. 6. Wie viele der seit 2008 in Berlin verstorbenen und ins Ausland rücküberführten Personen besaßen jeweils keine deutsche Staatsangehörigkeit, kein Aufenthaltsrecht in Deutschland oder waren Asylbewerber_innen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz? (Bitte getrennt tabella- risch nach Jahr und dem jeweiligen verantwortlichen Bezirk aufschlüsseln) Zu 6.: Dazu liegen hier keine Erkenntnisse vor. 7. Wie gestaltet sich die internationale Ermittlung von Angehörigen der Verstorbenen mit nicht-deutscher Staatsangehörigkeit? 8. Welche behördlichen Stellen sind in Berlin und im Bund für die internationale Ermittlung von Angehörigen von Verstorbenen mit nicht-deutscher Staatsangehörigkeit verantwortlich? 9. Mit welchen deutschen und ausländischen Behörden wird bei der Ermittlung von Angehörigen eines Ver- storbenen kooperiert? Zu 7. bis 9.: Die Polizei Berlin setzt bei Todesfällen nicht-deutscher Staatsangehöriger grundsätzlich die be- treffenden konsularischen Abteilungen der jeweiligen Botschaft über den Sachverhalt in Kenntnis. Die Ermitt- lung und Verständigung von Angehörigen erfolgt aus- schließlich durch die Behörden des Heimatstaates. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 458 4 10. In wie vielen Fällen mündete die Kooperation seit 2008 in eine erfolgreiche Rückführung in Berlin Verstor- bener ins Ausland? (Bitte tabellarisch nach dem jeweili- gen Überführungsland, Jahr und dem jeweiligen verant- wortlichen Bezirk aufschlüsseln) Zu 10.: Dazu können hier keine Aussagen getroffen werden. Berlin, den 27. August 2013 In Vertretung Emine D e m i r b ü k e n - W e g n e r _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 04. Sept. 2013)