Drucksache 17 / 12 460 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Klaus Lederer (LINKE) vom 23. Juli 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 29. Juli 2013) und Antwort Bürgerschaftsengagement im Mauerpark – eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Stehen die bürgerschaftlichen Aktivitäten von Bür- gerinitiativen – wie der „Stiftung Weltbürgerpark“, des Bürgervereins Gleimviertel, der „Freunde des Mauerparks “ oder der „Mauerpark-Allianz“ unter besonderer polizeilicher Beobachtung, und wenn ja, aus welchen Gründen? Zu 1.: Nein. Die örtlich zuständige Polizeidienststelle erfüllt den gesetzlichen Auftrag, die sich aus den Interes- sen und Konflikten divergierender Nutzungsabsichten ergebenden Kriminalitätsphänomene und Gefahrenlagen zu erforschen sowie ordnungsstörendes Verhalten zu beobachten, um auch deren Ursachen zu erkennen und an deren Beseitigung mitzuwirken. Daher steht die zuständige Polizeidienststelle seit dem Herbst des Jahres 2010 in einem engen Informationsaus- tausch mit verschiedenen polizeilichen Fachabteilungen sowie bezirklichen und gesellschaftlichen Institutionen. Im September 2011 wurde durch die Senatsverwaltung für Inneres und Sport ein Projekt zur Stärkung von Bür- ger- und Ordnungspartnerschaften (ProBüPart) initiiert, das den Anstoß für die Arbeitsgruppe „Zusammenarbeit im Mauerpark“ gab. Regelmäßige Teilnehmerinnen und Teilnehmer an den im Jahre 2011 und 2012 stattfindenden Abstimmungsrunden waren neben der örtlich zuständigen Polizeidienststelle insbesondere Vertreterinnen und Ver- treter bürgerlicher Institutionen, wie - Freunde des Mauerparks e.V., - Bürgerwerkstatt Mauerpark, - angrenzende Gastronomie (Mauersegler) und Ver- treter der Berliner Verwaltung, - Bezirk Pankow, - Senatsverwaltung für Inneres und Sport sowie - anlassbezogene weitere Institutionen oder Veran- stalter. Die Polizei Berlin ist zudem in den Planungsprozess zur Neugestaltung und Erweiterung des Mauerparks durch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt und deren Auftragnehmer Grün Berlin Gesellschaft mit beschränkter Haftung eingebunden und nimmt an der so genannten Bürgerwerkstatt ebenso teil wie an Verwal- tungsrunden zum Thema oder an Ortsbegehungen. Eine „besondere polizeiliche Beobachtung“ erfolgt seitens der Polizei Berlin nicht. Die Teilnahme der Polizei Berlin an Gesprächsrunden erfolgte auf persönliche Einladungen, grundsätzlich in polizeilicher Dienstbekleidung und mit dem Wissen aller Beteiligten. Zu internen Runden der Initiativen waren Vertreter der Polizei Berlin nicht eingeladen und nahmen daher auch nicht teil. 2. Aus welchem Grund wurde eine „Kiezführung“ zur Geschichte des Mauerpark-Geländes am 28. April 2013 von der Berliner Polizei begleitet und als unange- meldete politische Demonstration behandelt? Zu 2.: Die so genannte Kiezführung am 28.04.2013 stellte eine Versammlung unter freiem Himmel dar, an der etwa 65 Personen teilnahmen. Für die Versammlung wurde im Vorfeld durch Flugblätter und Plakate sowie durch Aufrufe im Internet mobilisiert. Im Folgenden formierte sich ein Aufzug zu dem Thema „Wir sind betroffen ! Kein Luxusviertel im Mauerpark! Aufstehen gegen Mietsteigerungen“, der mit mehreren Zwischenkundgebungen und einer Abschlusskundgebung gegen 16.20 Uhr endete. Eine Versammlungsanmeldung lag nicht vor. Ein Ver- sammlungsleiter gab sich trotz wiederholter Nachfragen des Polizeiführers nicht zu erkennen. Es wurde ein Er- mittlungsverfahren wegen des Verstoßes gegen das Ver- sammlungsgesetz eingeleitet. Das polizeiliche Begleiten eines Aufzuges gehört zum gesetzlichen Auftrag des Versammlungsschutzes. 3. Unterliegen in Berlin generell Stadtführungen mit mehr als drei Teilnehmer*innen dem Versammlungsrecht und bedürfen sie einer Anmeldung bei der Versamm- lungsbehörde? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 460 2 4. Fallen auch sogenannte Kiezspaziergänge von Po- litiker*innen nach Auslegung der Berliner Polizei unter das Versammlungsrecht? Zu 3. und zu 4.: Nein. Derartige Führungen und Spa- ziergänge fallen im Regelfall nicht unter den verfassungs- rechtlichen Begriff einer Versammlung. Das Bundesver- fassungsgericht definiert als Versammlung „eine örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftli- chen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbil- dung gerichteten Erörterung oder Kundgebung“ (Bundesverfassungsgericht 104, 92 (104f)). Die Meinungsäußerung muss dabei als Charakter der Versammlung nach außen er- kennbar sein. Bloßen Stadtführungen oder Kiezspazier- gängen dürfte es regelmäßig an dem Element der kol- lektiven nach außen erkennbaren Meinungskundgabe fehlen. 5. Zu welchem Zweck wurden die teilnehmenden Anwohner*innen der „Kiezführung“ von einem Polizeibeamten einer Einsatzgruppe fotografiert bzw. gefilmt? Zu 5.: Es wurden keine Videoaufzeichnungen von Versammlungsteilnehmerinnen und Versammlungsteil- nehmern angefertigt. Zum Nachweis der fehlenden Spon- taneität der Versammlung, somit eines Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz, wurde ein Foto für das einzu- leitende Ermittlungsverfahren gefertigt. 6. Aus welchem Grund wurde eine Versammlung von Anwohner*innen der Mauerparkinitiativen am 7. Mai 2013 in einem Schulgebäude im Wedding von einer de- monstrativ präsenten Gruppe der Polizei in einem Ein- satzfahrzeug vor dem Schulgebäude und von Zivilbeam- ten im Tagungsraum unter Beobachtung gestellt? Zu 6.: An der Informationsveranstaltung zum Thema „Erweiterung des Mauerparks“ bestand ein großes öffentliches Interesse und es war mit einer regen Teilnahme zu rechnen. Die polizeiliche Präsenz erfolgte, um einen rei- bungslosen und störungsfreien Ablauf der Veranstaltung zu gewährleisten. Es befand sich lediglich der für die städtebauliche Kriminalprävention zuständige Mitarbeiter des Abschnitts 36 im Rahmen seines Beratungsauftrags in bürgerlicher Kleidung im Veranstaltungsraum. Er ist dem Organisator der Veranstaltung bekannt und wurde von ihm auch per- sönlich begrüßt, konnte aber von einigen Teilnehmerin- nen oder Teilnehmern offenbar nicht zugeordnet werden. Sollte der Eindruck einer „verdeckten Maßnahme“, insbesondere aufgrund unzureichender Kenntnis Einzelner über die abgestimmte und über Jahre gewachsene Netzwerkar- beit entstanden sein, war dies weder gewünscht noch im Sinne einer bürgernahen Polizei beabsichtigt. 7. Worin ist die demonstrative polizeiliche Beglei- tung der Aktivitäten der Mauerpark-Initiativen begründet und welche Dienststelle hat sie angeordnet? Gab es zu diesem Vorgehen eine Abstimmung mit der Senatsver- waltung für Inneres und Sport? Zu 7.: Die Polizei Berlin wurde von der Senatsver- waltung für Stadtentwicklung und Umwelt zur beratenden Begleitung des Planungsverfahrens in allen Stufen – einschließlich der Bürgerwerkstatt und gemeinsamer Ortsbe- gehungen – eingeladen. Ziel der polizeilichen Beteiligung und Sicherheitsberatung ist es, im Rahmen der städtebau- lichen Kriminalprävention durch entsprechende Gestal- tung des öffentlichen Raums Konflikten, Straftaten, Ord- nungswidrigkeiten und Verwahrlosungstendenzen vorzu- beugen sowie ein hohes Maß an objektiver und subjekti- ver Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger zu ge- währleisten. Die Polizei engagiert sich in der städtebauli- chen Kriminalprävention bereits seit Jahren stadtweit im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgaben. Darüber hinaus ist die polizeiliche Präsenz im Zu- sammenhang mit Aktivitäten etwaiger Mauerparkinitiati- ven Teil polizeilicher Kiezarbeit, um Ansprechpartner für Anrainerinnen/Anrainer und Betroffene zu sein. Zur Aufgabenerfüllung sind dafür neben den örtlich zuständigen Polizeidienststellen die mit Präventionsarbeit befassten Organisationseinheiten beauftragt. Eine Teilnahme von Polizeidienstkräften an der Ar- beitsgruppe „Zusammenarbeit im Mauerpark“ erfolgte im Rahmen des gesetzlichen Auftrags im Sinne der städte- baulichen Kriminalprävention sowie auf Initiative der Senatsverwaltung für Inneres und Sport im Rahmen des Projekts zur Stärkung von Bürger- und Ordnungspartner- schaften. 8. Lässt die starke Aktivität der Polizei in Bezug auf die Bürgerinitiativen im Mauerpark den Schluss zu, dass der Senat von Berlin – ähnlich wie im Fall BAIZ – bürgerschaftliches Engagement (auch unter Nutzung der Kommunikationsgrundrechte aus Art. 5 und Art. 8 GG) zu stadtentwicklungspolitischen Fragen, die auch die Interessen von Investoren, wie z.B. der Groth-Gruppe, berühren, als eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit betrachtet? Zu 8.: Nein. Die Polizei Berlin beteiligt sich beratend am Planungsverfahren zur Umgestaltung des Mauerparks und kooperiert dabei mit einer Vielzahl von Akteuren, zu denen auch Bürgervertretungen gehören, wie z. B. die „Freunde des Mauerpark eingetragener Verein“. 9. Wenn 8. nein: Kann der Senat von Berlin nach- vollziehen, dass (nicht nur) in Sachen Mauerpark enga- gierte Bürger*innen die ostentative polizeiliche Pose gegenüber zivilgesellschaftlichen Aktivitäten als Krimi- nalisierung bürgerschaftlichen Engagements auffassen und sie als staatliche Gängelung, Bevormundung und Einschränkung politischer Betätigung in der nichtstaatli- chen Sphäre betrachten? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 460 3 Zu 9.: Nein. Die beschriebenen polizeilichen Maß- nahmen stellen aus hiesiger Sicht keine ostentative poli- zeiliche Pose, sondern lediglich die auch politisch und gesellschaftlich oftmals eingeforderte Kiezarbeit der Poli- zei Berlin dar. Die Polizei Berlin ist im Rahmen der Wahrnehmung der ihr durch Gesetz übertragenen Aufgaben konsequent bemüht, polizeiliches Handeln transparent zu machen. Insoweit fördert und praktiziert sie einen offenen und persönlichen Dialog mit allen am Thema Mauerpark be- teiligten Institutionen und bürgerlichen Initiativen. Dieses kommunikative Vorgehen innerhalb dieses the- menbezogenen Netzwerks wurde bisher zu keiner Zeit beanstandet. Berlin, den 28. August 2013 Frank Henkel Senator für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. Sep. 2013)