Drucksache 17 / 12 497 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Sabine Bangert (GRÜNE) vom 01. August 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 02. August 2013) und Antwort Zerstörte Vielfalt – wie viel davon ist in Datenbanken zu finden? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Die Erarbeitung von Datenbanken zum NS-Terror ist keine exklusive Angelegenheit öffent- licher Berliner Einrichtungen, sondern entsteht aus der Arbeit vieler privater und öffentlicher Initiativen hier und anderswo. Die Datenbanken entstehen zumeist aus spezi- fischen Forschungs- oder Ausstellungsprojekten, wie z.B. die umfassende Datenbank über die jüdischen Bürgerin- nen und Bürger in Schöneberg in der Ausstellung „Wir waren Nachbarn“. Dabei werden im Netzwerk der verschiedenen Institutionen mit unterschiedlichen Kompe- tenzen und Zugriffen Basismaterialien zusammengetra- gen, auf die dann alle zurückgreifen können. Bei allen diesen Projekten gilt es in hohem Maße Rücksicht auf den Schutz der personenbezogenen Daten von Überlebenden und deren Angehörigen zu nehmen, da es insbesondere bei Krankenakten (z.B. „Euthanasie“, Zwangssterilisierung ), aber auch im Bereich der Verfolgung von Ausge- grenzten nachvollziehbare Bedenken gegen eine Veröf- fentlichung in Datenbanken oder gar im Internet gibt. Die Frage des Umgangs mit Bildrechten im Internet ist eben- falls eine besondere Hürde. Schließlich gibt es Vereinbarungen mit Verlagen, die entsprechende Publikationen finanziert haben, dass diese nicht konkurrierend im Internet veröffentlicht werden dürfen. 1. Welches in Berliner Institutionen akkumulierte Wissen über Opfer, Täter bzw. Täterinnen, Personen des Widerstands und Stille Helden bzw. Heldinnen der NS- Zeit ist in personenbezogenen Datenbanken abgelegt? Zu 1.: In den Archiven der genannten Einrichtungen, aber auch in vielen weiteren darüber hinaus verfügbaren Datenbanken gibt es eine Fülle von personen- wie auch themenbezogenen Daten zu den genannten Personenkrei- sen, die ständig im Rahmen der Routine wie auch anläss- lich von besonderen Projekten und Ausstellungen fortge- schrieben werden. 2. Über welche personenbezogenen Datenbanken verfügen insbesondere: - Gedenkstätte Deutscher Widerstand - Gedenkstätte Stille Helden - Haus der Wannseekonferenz - Topographie des Terrors - Aktives Museum - Centrum Judaicum? Zu 2.: Gedenkstätte Deutscher Widerstand (GDW) mit Gedenkstätte Stille Helden Unter http://www.gdw- berlin.de/de/vertiefung/biographien/personenverzeichnis/ sind 496 Biographien mit Fotos und Literaturhinweisen verfügbar. Außerdem verfügt die Gedenkstätte über eine Daten- bank zu den Häftlingen des Strafgefängnisses Plötzensee während der NS-Zeit sowie – gemeinsam mit dem Aktiven Museum (s.u.) über das Internetangebot zu den 2894 Berliner Gedenktafeln. Haus der Wannseekonferenz http://www2.hu-berlin.de/djgb (Jüdische Gewerbebe- triebe; mit zurzeit über 8000 Einträgen) In der Bibliothek des Hauses der Wannseekonferenz sind alle deutschen und internationalen Publikationen, die entsprechende Angaben zu den angesprochenen Perso- nenkreisen enthalten, nutzbar. Stiftung Topographie des Terrors Datenbank zu ehemaligen Häftlingen des „Hausgefängnis “ der Gestapo-Zentrale in der Prinz-AlbrechtStraße 8 mit bislang ca. 3000 der 15.000 ehemaligen Inhaftierten. Datensammlung zu Angehörigen von SS und Polizei mit zurzeit 200 Biographien. In der Bibliothek der Stif- tung sind alle deutschen und internationalen Publikatio- nen, die entsprechende Angaben zu den angesprochenen Personenkreisen enthalten, nutzbar. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 497 2 Aktives Museum http://www.stolpersteine-berlin.de (zurzeit rund 5000) http://www.aktives-museum.de/archive (namenbezogenes Pressearchiv) http://www.aktives-museum.de/ausstellungen/gute- geschäfte (zum Berliner Kunst-handel der NS-Zeit; rund 800 Datensätze) http://www.gedenktafeln-in-berlin.de (zurzeit rund 3000) Centrum Judaicum Datenbank des Beisetzungsregisters des Jüdischen Friedhofes Weißensee sowie eine neue Datenbank der Grabsteine, die die Technische Universität Berlin angefer- tigt hat und pflegt. 3. Werden diese Datenbanken gepflegt und ggf. aktu- alisiert und welche finanziellen Mittel stehen dafür zur Verfügung (bitte für jede der genannten Einrichtungen getrennt ausweisen)? Zu 3.: Alle diese Datenbanken werden von den jewei- ligen Einrichtungen betreut und ggf. erweitert, so es sich noch um keine Gesamtbestände handelt. Einzelne Daten- banken werden auch von Dritten erstellt und aktualisiert. Die Finanzierung erfolgt im Rahmen der normalen Arbeit der damit befassten Beschäftigten bzw. bei spezifischen Projekten durch eingeworbene Forschungs- oder Projekt- mittel. Eine detaillierte Aufstellung nach Arbeitsleistun- gen ist im Rahmen dieser Beantwortung nicht zu leisten. 4. Welche dieser Datenbanken sind öffentlich oder zumindest bei berechtigtem Interesse zugänglich? Zu 4.: Unter Berücksichtigung der Schutzfristen des Landes- bzw. Bundesarchivrechts im Prinzip alle, wobei in einzelnen Fällen aus datenschutzrechtlichen Gründen das berechtigte Interesse nachzuweisen ist. 5. Welche dieser Datenbanken sind im Internet zu- gänglich? Wie lautet die jeweilige URL? Zu 5.: Siehe Aufstellung unter 2, soweit dort ULRs angegeben sind. Eine Aufstellung zahlreicher weiterer einschlägiger Datenbanken und Verzeichnisse im Internet findet sich in der gemeinsamen Homepage der Berliner und Branden- burger NS- Gedenkstätten unter http://www.orte-der- erinnerung.de und der Homepage des Berliner Themen- jahres 2013 unter http://berlin.de/2013 6. Welche dieser Datenbanken haben Suchkriterien, die eine Zuordnung zu den vier in Frage 1 genannten Personengruppen und/oder eine regionale Zuordnung (Bezirk, Ortsteil o. ä.) ermöglichen? Zu 6.: Siehe unter 2. (soweit diese in den Datenbanken erfasst sind), unter 8. sowie u.a. unter http://www.stolpersteine-berlin.de http://www.gedenktafeln-in-berlin.de http://www.berlin.de/2013/karte/ 7. Gibt es eine Datenbank über die in Berlin vor der NS-Zeit lebenden Juden und Jüdinnen? Falls nicht, bitte ich um Begründung. Zu 7.: Ein öffentliches Verzeichnis der Mitglieder von Religionsgemeinschaften gab und gibt es aus nachvoll- ziehbaren Gründen nicht. 8. Gibt es eine Datenbank über die aus Berlin depor- tierten Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen von 1935 (Nürnberger Rassengesetze) als Juden bezeichnet wurden? Falls nicht, bitte ich um Begründung. Zu 8.: Alle Daten sind im Berliner Gedenkbuch für die deportierten Berliner Jüdinnen und Juden enthalten sowie über die Datenbank des Bundesarchives nach den ange- fragten Suchkriterien unter http://bundesarchiv.de/gedenkbuch für jedermann abruf- bar. Zudem sind auf der sogenannten „Residentenliste“ im Bundesarchiv alle im Deutschen Reich zwischen 1933 und 1945 lebenden Jüdinnen und Juden verzeichnet. 9. Gibt es eine öffentlich zugängliche bzw. im Inter- net verfügbare Datenbank zu der verdienstvollen Doku- mentation über verfolgte Berliner Stadtverordnete und Magistratsmitglieder „Vor die Tür gesetzt“? Falls nicht, bitte ich um Begründung. Zu 9.: Es gibt unter http://www.vordietuergesetzt.de einen Überblick über das Projekt, auf das von der Home- page des Aktiven Museums verlinkt wird. Dort finden sich auch einzelne Biogramme von verfolgten Stadtver- ordneten. Viel umfangreicher ist die Datenbank im Ter- minal im Berliner Rathaus, das biographische Informatio- nen zu allen Stadtverordneten und Magistratsmitgliedern enthält und im Rahmen der Dauerpräsentation „Vor die Tür gesetzt“ beim Bürgeramt im Erdgeschoß zugänglich ist. Hierzu gibt es auch eine umfassende Publikation, die alle Angaben enthält. 10. Gibt es eine öffentlich zugängliche bzw. im Inter- net verfügbare Datenbank zu der Senatsinitiative aus den 60er Jahren für die „Unbesungenen Helden“? Falls nicht, bitte ich um Begründung. Zu 10.: Die „Unbesungenen Helden“ finden sich in der Datenbank der GDW zu Personen, Fotos und Doku- menten des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 497 3 11. Wie beurteilt der Senat den Stand der Dokumenta- tion und Aufbereitung in Datenbanken zu den vier in Frage 1 genannten Personengruppen? Zu 11.: Angesichts der Fülle von Daten und Sachver- halten, die im Kontext der abgefragten Gruppen anfallen, sieht der Senat den Forschungsstand und die dabei ermit- telten Sachverhalte als sehr weit fortgeschritten an. Die hierzu erreichbaren hiesigen und internationalen Daten- banken und Archive (z.B. die nun auch auf Deutsch ver- fügbare Datenbank unter http://db.yadvashem.org/names/search.html?language=de ) liefern umfängliche und auch detaillierte Informationen, wie z.B. die Recherchen für das Projekt „Stolpersteine“ zeigen. Gerade das Berliner Themenjahr Zerstörte Vielfalt hat aber eine ganze Reihe neuer Themen und Fragestel- lungen an den Tag gebracht und vielfältige neue For- schungsansätze, die die Grundlage für weitere Projekte bilden. Damit werden sich sowohl die aufgeführten Ein- richtungen wie auch zahlreiche weitere öffentliche und private Initiativen künftig weiter auseinandersetzen und die Ergebnisse auch im Internet zur Verfügung stellen. Da die bisherige Homepage des Themenjahres hinsichtlich der Verortungen und Quellen zum Nationalsozialismus in Berlin in anderer Form zentral fortgeführt werden soll, wird sich auch hier das Gesamtbild zum Nationalsozia- lismus in Berlin weiter verdichten. 12. Welche Digitalisierungsprojekte gibt es hierzu ak- tuell, wer wurde damit beauftragt, mit welchen finanziel- len Mittel sind diese ausgestattet und welche Projekte sind darüber hinaus in den Jahren 2014/1015 geplant? Zu 12.: Da schon aus Gründen der Zuständigkeit und der Arbeitsteilung keine zentrale, alles umfassende Da- tenbank geplant und sinnvoll ist, gibt es neben dem an- dauernden Auftrag der zuständigen Einrichtungen, im Rahmen der laufenden Arbeit und von Sonderprojekten die vorhandenen Datenbanken auszubauen (soweit es sich nicht um bereits komplette Erfassungen handelt) bzw. die in weiteren Projekten gewonnenen Erkenntnis auch über das Internet zugänglich zu machen, keine zentralen Digi- talisierungsprojekte. 13. Sieht der Senat Lücken in der Dokumentation und Aufbereitung in Datenbanken zum Thema „Zerstörte Vielfalt“? Falls ja, welche konkreten Projekte sind geplant , um diese Lücke zu schließen? Falls nein, bitte ich um Begründung, warum der Senat die Dokumentation und Aufbereitung in Datenbanken zum Thema „Zerstörte Vielfalt“ für ausreichend erachtet. Zu 13.: Die Dokumentation und Aufbereitung in Da- tenbanken zum Thema „Zerstörte Vielfalt“ wird sowohl dezentral von den Einrichtungen und Projekten wie auch in einem künftigen zentralen Link-Angebot in Fortfüh- rung der Themenjahreshomepage angelegt. Das Themen- jahr hat hierzu viele entscheidende Impulse gegeben, die vom Senat und den inhaltlichen Trägern des Themenjah- res ausgewertet werden. Der Senat sieht das Themenfeld als keineswegs abgearbeitet an, sondern bekennt sich zu der andauernden Aufgabe der Information, Reflexion und weiteren Forschung, die ja auch im gesetzlichen Auftrag der entsprechenden Gedenkstätten und Bildungs- einrichtungen formuliert ist. Berlin, den 22. August 2013 In Vertretung André Schmitz Der Regierende Bürgermeister von Berlin Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 28. August 2013)