Drucksache 17 / 12 501 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Hakan Taş (LINKE) vom 01. August 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 02. August 2013) und Antwort Refugees welcome! Zur Gefährdungssituation in den Not- und Sammelunterkünften für Flüchtlinge in Berlin (Teil II – Konzepte) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Welche Straf- und insbesondere Gewalttaten seit 2012 sind dem Senat bekannt, die sich gegen die Bewoh- nerinnen und Bewohner der Not- und Sammelunterkünfte richten und einen politischen Hintergrund haben (bitte Art des Deliktes sowie Tatort und -zeit angeben)? Zu 1.: Straftaten der Politisch Motivierten Kriminalität (PMK), die sich gegen den in Rede stehenden Personen- kreis richten, werden nicht separat statistisch erfasst. 2. Sind dem Senat „Bürgerinitiativen“ oder Zusammenschlüsse bzw. Profile in sozialen Netzwerken sowie Internetpräsenzen bekannt, die sich ähnlich wie die so genannte „Bürgerinitiative Marzahn-Hellersdorf“ gegen die Eröffnung von Not- oder Sammelunterkünften für Flüchtlinge in Berliner Bezirken richten? Zu 2.: In Veröffentlichungen unter anderem auf den Internetpräsenzen des Berliner Landesverbandes der Na- tionaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) sowie deren Berliner Jugendorganisation werden auch Gemein- schaftsunterkünfte für Asylbegehren-de und Flüchtlinge thematisiert. Ferner ist die Facebook-Gruppe „Nein zum Heim“ bekannt , auf der vergleichbar zur Seite der „Bürgerinitiative Marzahn-Hellersdorf“ Eintragungen vorhanden sind. Unabhängig davon sind der Senatsverwaltung für In- neres und Sport keine Bürgerinitiativen oder Profile in sozialen Netzwerken bekannt, die sich ähnlich wie die so genannte „Bürgerinitiative Marzahn-Hellersdorf“ gegen die Eröffnung von Not- oder Sammelunterkünften für Flüchtlinge in Berliner Bezirken richten. 3. Welche Maßnahmen ergreift die Berliner Polizei (insb. die jeweils zuständigen Direktionen und Abschnit- te), um die Sicherheit der Bewohnerinnen und Bewohner der Berliner Not- und Sammelunterkünfte zu gewährleis- ten? Zu 3.: Grundsätzlich wird die Gefährdungslage durch das Landeskriminalamt in Zusammenarbeit mit dem je- weils zuständigen Polizeiabschnitt beurteilt, und es wer- den daraus resultierende polizeiliche Maßnahmen getrof- fen. Aktuell ist es lediglich in einem Fall (Hellersdorf) er- forderlich, zusätzliche polizeiliche Schutzmaßnahmen zu treffen. Einzelheiten zu etwaigen Schutzmaßnahmen können aus polizeitaktischen Gründen nicht dargelegt werden. 4. Inwiefern stehen Polizei, LaGeSo, Bezirksamt und Betreiber der jeweiligen Einrichtung in regelmäßigem Austausch zur Sicherheit? Zu 4.: Das für die Akquise neuer Unterkunftseinrich- tungen zuständige Landesamt für Gesundheit und Sozia- les (LAGeSo) bemüht sich um eine intensive Abstim- mung mit den jeweiligen Bezirksämtern im Vorfeld der Inbetriebnahme einer jeden neuen Einrichtung. Vor der Eröffnung einer Unterkunft wird ebenfalls der zuständige Polizeiabschnitt unterrichtet. Im Rahmen der laufenden Zusammenarbeit mit den Betreiberinnen und Betreibern werden von diesen beson- deren Vorkommnissen in Unterkünften dem LAGeSo und ggf. auch der Polizei gemeldet und bei Unterkunftsbege- hungen problematisiert. Da es sich in der Regel um unter- kunftsinterne Konflikte handelt, deren Hintergründe in den meisten Fällen familiärer Natur sind, werden diese auch nicht weiter erfasst. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 501 2 Die Kontaktbereichsbeamtinnen und Kontaktbe- reichsbeamten haben anlassunabhängig regelmäßig Ver- bindung zur jeweiligen Heimleitung aufgenommen, so- dass ein stetiger Informationsaustausch in der Regel ge- währleistet ist. Im aktuellen Fall (Notunterkunft in Hel- lersdorf) besteht zurzeit ein regelmäßiger Kontakt zwi- schen Bezirksamt, LAGeSo, Betreiberinnen und Betrei- bern und der Polizei Berlin. 5. Teilt der Senat die Einschätzung, dass aufgrund der flüchtlingsfeindlichen Agitation gegen die Eröffnung einer neuen Sammelunterkunft in der Carola-Neher- Straße in Hellersdorf besondere Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz der künftigen Bewohnerinnen und Bewohner notwendig sind? Zu 5.: Die Sicherung des Objektes wird von der Be- treiberin oder von dem Betreiber mit einem beauftragten Wachschutzunternehmen durchgeführt. Die Betreiberin oder der Betreiber wird in Absprache mit der Polizei bei Bedarf den Wachschutz verstärken. Darüber hinausgehende polizeiliche Schutzmaßnah- men ergeben sich im Ergebnis einer stetigen Gefahren- analyse. Einzelheiten zu etwaigen Schutzmaßnahmen können aus polizeitaktischen Gründen nicht dargelegt werden. 6. Inwiefern berücksichtigt der Senat die in diesem Zusammenhang vom Flüchtlingsrat Berlin e.V. vorge- schlagenen Sicherheitsmaßnahmen (http://www.fluechtlingsrat- berlin.de/print_neue_meldungen2. php?post_id=641) und welche Punkte aus dem Katalog wurden bzw. werden umgesetzt? Zu 6.: Die Zuweisung von Plätzen in der Notunter- kunft Carola-Neher-Straße an Asylbewerberinnen und Asylbewerber wird – genauso wie die Zuweisung in andere Unterkünfte – nach Maßgabe verfügbarer Plätze mit Bedacht und Augenmaß gesteuert, um Belastungen für Flüchtlinge soweit wie möglich zu vermeiden. Für die untergebrachten Personen stehen Ansprech- partnerinnen und Ansprechpartner in allen Berliner Ge- meinschaftsunterkünften zur Verfügung. Die Betreiberinnen und Betreiber stehen in engem Kontakt zum zuständigen Polizeiabschnitt. Direkte An- sprechpartnerinnen und Ansprechpartner bei der Polizei sind in jeder Unterkunft bei Bedarf bekannt; hier besteht seit Jahren eine gute konstruktive Zusammenarbeit im gesamten Stadtgebiet. Darüber hinaus wird in der Notunterkunft Carola- Neher-Straße das Personal verstärkt dafür sensibilisiert werden, Beschwerden der Bewohnerinnen und Bewohner entgegenzunehmen und zu protokollieren. Im Übrigen beurteilt die Polizei Berlin die Lage ei- genständig und trifft danach die erforderlichen Maßnah- men. In der Lagebeurteilung werden alle zur Verfügung stehenden Informationen zur Kenntnis genommen und bewertet. Die vom Flüchtlingsrat geforderte „Umsetzung der Null-Toleranz-Politik“ hinsichtlich der Verfolgung von Straftaten ist bereits gesetzlicher Auftrag der Polizei Berlin. 7. Ist grundsätzlich die Erarbeitung von Sicherheits- konzepten für die einzelnen Einrichtungen geplant und wenn ja, mit welchem Inhalt? Wenn nein, warum nicht? Zu 7.: Die Erarbeitung etwaiger Sicherheitskonzepte erfolgt anlassbezogen durch die jeweils Verantwortlichen. Weitergehende konzeptionelle Einzelheiten können aus polizei-taktischen Gründen nicht genannt werden. 8. Welche Maßnahmen ergreift der Senat nach den Er- fahrungen aus Marzahn-Hellersdorf zur Verbesserung der Kommunikation und Aufklärung von Anwohnern bei zukünftigen Eröffnungen von Not- und Sammelunter- künften und wie wird er die Bezirksämter bei dieser Auf- gabe unterstützen? Zu 8.: Es gibt eine intensive und etablierte Zusam- menarbeit zwischen dem Senat und den Bezirken, die sich an den Erfordernissen der jeweiligen Einrichtung orien- tiert. Das LAGeSo unterrichtet grundsätzlich das örtlich zuständige Bezirksamt zum frühestmöglichen Zeitpunkt über die Absicht, eine neue Gemeinschafts- oder Notun- terkunft in Betrieb zu nehmen. Die Information der ansäs- sigen Bevölkerung gehört allerdings nach Auffassung des Senats zur Anwohner-Beteiligung bei bedeutsamen Vor- haben, welche vorrangig auf Bezirksebene wahrzunehmen ist, wie sich im Einzelnen aus den Bestimmungen zur Mitwirkung der Einwohnerschaft nach dem 6. Abschnitt des Bezirksverwaltungsgesetzes (BezVG) ergibt. Das LAGeSo ist aber jederzeit bereit, die Bezirksverwaltun- gen bei diesen Vorhaben intensiv zu unterstützen. 9. Treffen Presseberichte zu, nach denen der Senat plant, eine neue Sammelunterkunft im Süden Neuköllns zu errichten und Anfang 2014 zu eröffnen, gegen die die NPD bereits mobilisiert und wenn ja,  wie viele Personen werden dem aktiven Kreis dieser „Bürgerinitiative“ zugerechnet?  welche Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit sind vorgesehen, um in Neukölln einer ähnlichen Eskalation wie in Marzahn-Hellersdorf zu frühzeitig entgegen zu wirken?  welche zusätzlichen, über die allgemeinen brandschutztechnischen Standards hinaus gehenden Sicherheitsmaßnahmen werden am Bau sowie später beim Betrieb der Einrichtung berücksichtigt ? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 501 3 Zu 9.: Wegen der weiterhin hohen Zuzugszahlen bei den Asylbegehrenden und der Gegebenheiten auf dem Berliner Wohnungsmarkt besteht unverändert die Not- wendig-keit, zusätzliche Kapazitäten in Gemeinschafts- und Notunterkünften im gesamten Stadtgebiet zu schaf- fen, wozu auch die Planung einer Gemeinschaftsunter- kunft im Süden Neuköllns zählt. Eine „Bürgerinitiative“, die in Neukölln gegen geplante Einrichtungen zur Unterbringung von Flüchtlingen agitierte, ist dem Senat nicht bekannt. Über konkrete Zahlen aktiver Personen in Bürgerinitiativen liegen dem Senat keine Kenntnisse vor, zumal diese erfahrungsgemäß recht schwankend sind. Die NPD agitierte seit Ende 2012 gegen die Planung von Flüchtlingsunterkünften in Neukölln. Neben der Ver- teilung von Propagandamaterial und der Organisation von Infoständen war der Höhepunkt der Kampagne eine am 16.02.2013 durch den NPD-Landesverband organisierte öffentliche Veranstaltung mit 130 Besucherinnen und Besuchern in einem Gemeinschaftshaus am Bat-Yam- Platz. Die NPD trat in Neukölln offen als Initiatorin dieser Aktionen in Erscheinung. Wie bereits in der Antwort zu 8. ausgeführt wurde, zählt die Öffentlichkeitsarbeit im Zusammenhang mit der Errichtung einer neuen Unterkunftseinrichtung zu den bezirklichen Angelegenheiten. Um die Bezirksämter hierbei bestmöglich zu unter-stützen, strebt das LAGeSo eine abgestimmte und strategische Kommunikation mit allen beteiligten Akteurinnen und Akteuren bei allen Einrichtungen an. Dieser Abstimmungsprozess beginnt mit einer Vorklä- rung auf Verwaltungsebene (Kontakte mit Vermieterin- nen und Vermietern potentieller Einrichtungen, Bauauf- sicht, Sozialamt etc.) und setzt sich - nach entsprechender Konkretisierung von Objekten – mit der Kontaktaufnahme mit den politisch Verantwortlichen in den Bezirken fort, damit die entsprechenden Informationen innerhalb des Bezirks vermittelt werden. Mit den Bezirksämtern wird dann das weitere Verfahren (Ablauf von Genehmi- gungsverfahren, voraussichtliche Inbetriebnahme, voraus- sichtlicher Betreiber etc.) abgestimmt, wobei die Einbe- ziehung des Wohnumfelds und die entsprechende Öffent- lichkeitsarbeit seitens der Bezirke koordiniert werden. Diese Vorgehensweise ist auch bei der in Neukölln geplanten Einrichtung vorgesehen. Der Senat geht davon aus, dass das zuständige Bezirk- samt dadurch in die Lage versetzt wird, nach eigenem Ermessen über die konkreten Maßnahmen im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit zu entscheiden, und wird das Be- zirksamt bei Bedarf im Sinne des bereits in der Antwort zu 8. Ausgeführten unterstützen. Der Senat ist davon überzeugt, dass die auf Bezirksebene Verantwortlichen über die konkrete Ausgestaltung der Öffentlichkeitsarbeit nach eingehender Analyse der Erfahrungen mit bisherigen vergleichbaren Vorhaben entscheiden und eine sachge- rechte und wohlüberlegte Konzeption für die angemesse- ne Berücksichtigung der Belange der betroffenen Wohn- bevölkerung umsetzen werden. Auf Grund der bereits allgemein geltenden brand- schutztechnischen Standards für neu errichtete Gebäude sind weitergehende brandschutztechnische Sicherheits- maßnahmen für den Betrieb einer Flüchtlingsunterkunft nicht erforderlich. Berlin, den 04. Oktober 2013 In Vertretung Dirk G e r s t l e _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. Okt. 2013)