Drucksache 17 / 12 512 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Christopher Lauer und Oliver Höfinghoff (PIRATEN) vom 05. August 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 07. August 2013) und Antwort Ermittlungsmethoden der Berliner Polizei – Einsichtnahme in private Kommunikationsdaten ohne staatsanwaltschaftliche oder richterliche Anordnung? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Welche Ermittlungsinstrumente/-methoden stehen der Berliner Polizei zum Auffinden von gestohlenen Mobiltelefonen zur Verfügung und auf welche Rechts- grundlagen stützen sich diese jeweils? (Bitte eine genaue Einzelauflistung der Ermittlungsinstrumente/-methoden). Zu 1.: Zum Auffinden gestohlener Mobiltelefone setzt die Polizei Berlin das Ermittlungsinstrument der Sach- fahndung ein. Mobiltelefone sind mit einer Individual- kennung, der IMEI (International Mobile Station Equipment Identity) versehen. Diese Individualkennung ist sachfahndungsgeeignet. Ist die IMEI bekannt, werden gestohlene Mobiltelefone zum Zwecke der Strafverfol- gung gemäß §§ 161, 163 Strafprozessordnung (StPO) im Polizeilichen Landessystem zur Information und Kom- munikation (POLIKS) zur Sachfahndung ausgeschrieben. Findet die Polizei anlässlich eines Einsatzes ein anschei- nend gestohlenes Mobiltelefon, wird eine Sachfahndungs- abfrage in POLIKS durchgeführt. Eine gesonderte statistische Erfassung erfolgt nicht. Zu den Abfragemöglichkeiten und sonstigen technischen Parametern von POLIKS wird auf die Antwort auf die Kleine Anfrage Nr. 17/ 12356 des Abgeordneten Chris- topher Lauer (PIRATEN) vom 25. Juni 2013 zum Thema „Datenerfassung im POLIKS bei der Berliner Polizei“ verwiesen. 2. Welche Ermittlungsinstrumente/-methoden der Berliner Polizei zum Auffinden von gestohlenen Mobil- telefonen kamen im Land Berlin in den letzten fünf Jah- ren zum Einsatz? (Bitte eine genaue Einzelauflistung der Ermittlungsinstrumente/-methoden und Jahr.) Zu 2.: Siehe Antwort zu Frage 1. 3. Welche Ermittlungsinstrumente/-methoden der Ber- liner Polizei zum Auffinden von gestohlenen Mobil- telefonen haben sich den letzten fünf Jahren als besonders erfolgreich erwiesen und warum? Zu 3: Siehe Antwort zu Frage 1. 4. Welche rechtlichen und tatsächlichen Vorausset- zungen müssen vorliegen, wenn die Berliner Polizei Per- sonenkontrollen und die Überprüfung von mitgeführten Mobiltelefonen vornehmen will, um so gestohlene Mo- biltelefone aufzufinden? Zu 4.: Der Verdacht einer Straftat ist erforderlich. Bei der Suche nach gestohlenen Mobiltelefonen sind die zu treffenden Maßnahmen von den Umständen des Einzel- falls abhängig und richten sich nach der Strafprozessord- nung (StPO). 5. Gibt es konkrete Vorgaben (interne Dienstanwei- sungen, Richtlinien, etc.), die die unter 4. genannten Vo- raussetzungen praxisgerecht konkretisieren und wie lau- ten diese? Zu 5.: Hierzu wird auf die Beantwortung der Kleinen Anfrage Nr. 17/ 12093 des Abgeordneten Oliver Höfing- hoff (PIRATEN) vom 16. Mai 2013 zum Thema „Weisungen und Richtlinien für die Berliner Polizei“ verwiesen , insbesondere auf die Geschäftsanweisung LPolDir Nr. 12/ 1993 über die Durchsuchung, die Beschlagnahme und Sicherstellung sowie die Behandlung von Asservaten und auf die Polizeidienstvorschrift 384.1 (Verschlusssa- che – nur für den Dienstgebrauch, VS-NfD) Fahndung (Ausgabe 2004). Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 512 2 6. Sind eine Personenkontrolle und eine Überprüfung mitgeführter Mobiltelefone zum Auffinden von gestohle- nen Mobiltelefonen auch verdachtsunabhängig möglich? Und wenn ja, welche rechtlichen und tatsächlichen Vo- raussetzungen müssen für eine solche Kontrolle vorlie- gen? Zu 6.: Maßnahmen zum Auffinden gestohlener Mo- biltelefone richten sich nach den Vorschriften der Straf- prozessordnung (StPO). Der Verdacht einer Straftat ist somit erforderlich. 7. Welche Tatsachen müssen vorliegen, damit ein Ort als Ort im Sinne von § 21 II 1 a) aa) ASOG Bln (...wenn die Person sich an einem Ort aufhält, von dem Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dort Personen Straftaten von erheblicher Bedeutung verabreden, vorbereiten oder verüben...) klassifiziert wird? Zu 7.: Straftaten von erheblicher Bedeutung werden in § 17 Abs. 3 Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz Berlin (ASOG Berlin) bestimmt. Tatsachen hierzu können sich aus Ermittlungen und Beobachtungen, aus der Kri- minalstatistik und Mitteilungen anderer Behörden oder aus ähnlichen tatsächlichen Anhaltspunkten ergeben. 8. Welche konkreten Orte in Berlin fallen unter § 21 II 1. a) aa) ASOG Bln? Zu 8.: Eine öffentliche Bekanntmachung der krimina- litätsbelasteten Orte gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 1 Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz Berlin (ASOG Berlin) ist nicht vorgesehen, da eine Bekanntgabe das Sicher- heitsgefühl der Bevölkerung negativ beeinflussen würde. 9. Sollte die Frage unter 8. nicht beantwortet werden: a) Ist nach Ansicht des Senats die Norm des § 21 II 1. a) aa) ASOG Bln mit dem Rechtsstaatsgebot (Grund- satz der Normenklarheit) vereinbar? b) Ist nach Ansicht des Senats die Norm des § 21 II 1. a) aa) ASOG Bln mit dem Gebot des effektiven Rechts- schutzes (Art.19 IV GG) vereinbar (Wie sollen die Berli- ner Bürgerinnen/Bürger wissen, an welchen Orten sie mit verdachtsunabhängigen Kontrollen zu rechnen haben bzw. wie sollen sie wissen, ob sie diese zu dulden ha- ben?)? Zu 9 a): Ja. Zu 9 b): Ja. Betroffenen wird die Maßnahme auch hin- sichtlich der besonderen Befugnis dargelegt. Die Recht- mäßigkeit einzelner polizeilicher Maßnahmen an krimi- nalitätsbelasteten Orten gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 1 ASOG kann im Übrigen auf Veranlassung des Betroffenen ge- richtlich überprüft werden. 10. Wer legt aufgrund welcher Erkenntnisse nach welchem Verfahren die Orte im Sinne des § 21 II 1. a) aa) ASOG Bln fest? Welche konkreten Orte in Berlin fallen unter § 21 II 1. a) aa) ASOG Bln? Zu 10.: Die Festlegung eines Ortes gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 1 ASOG Berlin erfolgt durch die Polizei Berlin an- hand der Häufung, Begehungsweise und Schwere der festgestellten Straftaten von erheblicher Bedeutung. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 8 verwiesen. 11.Wer ist unter welchen Voraussetzungen berechtigt, die Orte im Sinne des § 21 II 1. a) aa) ASOG Bln einzu- sehen? Zu 11.: Unter Berücksichtigung der Antwort zu Frage 8 ist eine Einsichtnahme nicht vorgesehen. 12.Wie wird bei einer Überprüfung mitgeführter Mo- biltelefone geprüft, ob ein Mobiltelefon gestohlen ist? (Bitte eine genaue Ablaufschilderung der einzelnen Über- prüfungsschritte) Zu 12.: Die Überprüfung eines anscheinend gestohle- nen Mobiltelefons erfolgt mittels Abfrage der IMEI (In- ternational Mobile Station Equipment Identity) im Poli- zeilichen Landessystem zur Information und Kommuni- kation (POLIKS). Die IMEI wird beim eingeschalteten und entsperrten Mobiltelefon durch Eingabe der Tasten- kombination *#06# angezeigt und ist beim ausgeschal- teten Mobiltelefon im Akkufach, im SIM-Karteneinschub oder beim IPhone 5 auf der Geräterückseite lesbar (in Kleinstschrift). Diese IMEI wird mit dem Sachfahn- dungsbestand im POLIKS abgeglichen. Der Ablauf der Abfrage richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles der Überprüfung. 13. Reicht eine Abfrage der Gerätenummer aus und wenn ja, wie läuft eine solche Abfrage ab? a) Wie lange dauert eine Abfrage der Gerätenummer regelmäßig? b) Muss das Mobiltelefon zur Abfrage der Geräte- nummer mit dem Sicherheitscode entsperrt wer- den? c) Wie wird die Mobiltelefonbesitze- rin/Mobiltelefonbesitzer in diese Abfrage mitein- bezogen bzw. welche Hilfestellungen und Mitwir- kungspflichten muss diese erbringen? d) Was passiert, wenn sich die Besitzerin/Besitzer des Mobiltelefons weigert, das Telefon durch Eingabe des Sicherheitscodes zu entsperren und welche Zwangsmaßnahmen sind zulässig, um eine Ent- sperrung zu erreichen? Zu 13.: Siehe Antwort zu Frage 12. Zu a): Dies ist vom Einzelfall der Überprüfungssitua- tion abhängig und kann mehrere Minuten in Anspruch nehmen. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 512 3 Zu b):Soll die IMEI durch Tastatureingabe angezeigt werden, muss das Mobiltelefon eingeschaltet und ent- sperrt sein. Beim gesperrten oder ausgeschalteten Mobil- telefon kann die IMEI geräteabhängig im Akkufach, SIM- Karteneinschub oder ggf. auf der Geräterückseite abgele- sen werden. Zu c): Eine Mitwirkungspflicht besteht nicht. Zu d): Kann die IMEI nicht eindeutig abgelesen wer- den, ist unter Umständen eine Sicherstellung des Mobil- telefons zu prüfen. 14.Ist es für die Überprüfung, ob ein Mobiltelefon ge- stohlen ist, erforderlich, dass bestimmte Programme auf dem Mobiltelefon gestartet werden? a) Wenn ja, welche sind das im Einzelnen und auf welcher Rechtsgrundlage ist dies jeweils mög- lich? b) Wenn ja, wie kann sichergestellt werden, dass nur diese Programme gestartet werden und keine anderen wie z. B. das SMS-Programm? c) Wann und inwieweit ist die Mobiltelefonbesitze- rin/Mobiltelefonbesitzer über die Vornahme der einzelnen Schritte zu informieren bzw. muss die- se wie aktiv mitwirken? Wie wird bei einer Überprüfung mitgeführter Mobiltelefone geprüft, ob ein Mobiltelefon gestohlen ist? (Bitte eine ge- naue Ablaufschilderung der einzelnen Überprü- fungsschritte) Zu 14, 14 a-c.: Für die Überprüfung, ob ein Mobiltele- fon als gestohlen gemeldet ist, ist der Start eines Pro- grammes auf dem Mobiltelefon grundsätzlich nicht erfor- derlich. Es ist aber notwendig, die unter der Antwort zu Frage 12 genannte Tastenkombination einzugeben, wenn die IMEI nicht anderweitig abgelesen werden kann. Hier- zu kann es situations- und geräteabhängig (insbesondere bei Touch-Screen-Displays moderner Mobiltelefone mit Icon-Darstellung der Anwendungen) erforderlich sein, die entsprechende Anwendung zu finden und entsprechend zu bedienen. Je nach individueller und nutzer- sowie geräte- abhängiger Displaygestaltung sind irrtümliche Fehleinga- ben oder – Icon-Aufrufe möglich. Die Sachfahndungsabfrage richtet sich nach § 163 Strafprozess- ordnung (StPO). 15. Wie oft wurden in den letzten fünf Jahren gestoh- lene Mobiltelefone durch Personenkontrollen und eine Überprüfung von mitgeführten Mobiltelefonen aufgefun- den? Zu 15.: Die Polizei Berlin führt hierzu keine statisti- schen Erhebungen durch, sodass diese Frage nicht beant- wortet werden kann. 16.Welche Voraussetzungen müssen vorliegen, damit Kommunikationsinhalte (wie SMS) von jeweiligen Poli- zistinnen/Polizisten zur Kenntnis genommen bzw. kon- trolliert werden dürfen? Zu. 16.: Im Rahmen der Strafverfolgung ist für die Einsichtnahme in Kommunikationsinhalte ein richterli- cher Beschluss erforderlich (Datenträger sind im Sinne des § 110 Strafprozessordnung wie Papiere zu behan- deln). 17. Wie viele Fälle sind dem Senat bekannt, in denen die jeweiligen Polizistinnen/Polizisten in den letzten fünf Jahren im Rahmen von Personenkontrollen zum Auffin- den von gestohlenen Mobiltelefonen Kommunikationsin- halte zur Kenntnis genommen bzw. kontrolliert haben, ohne dass die gesetzlichen Voraussetzungen vorlagen? Zu 17.: Abgesehen vom aktuellen Fall eines Abgeord- neten der PIRATEN-Fraktion wurden im fraglichen Zeit- raum keine derartigen Sachverhalte bekannt, die Gegen- stand strafrechtlicher Ermittlungen waren. 18. Wenn dem Senat solche Fälle bekannt sind: Was hat der Senat unternommen, um sicherzustellen, dass so etwas nicht passiert? (Falls es hierfür bestimmte interne Weisungen und/oder interne Richtlinien gibt, diese bitte im Originalwortlaut beifügen oder benennen und inhalt- lich wiedergeben.) Zu 18.: Der vorliegende Einzelfall bietet keine Ver- anlassung zu einer grundsätzlichen Änderung der Verfah- rensweisen sowie zum Erlass weiterer Richtlinien, Wei- sungen etc. Berlin, den 24. September 2013 Frank Henkel Senator für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. Okt. 2013)