Drucksache 17 / 12 536 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Joschka Langenbrinck (SPD) vom 12. August 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. August 2013) und Antwort Ergebnis der Einschulungsuntersuchungen 2012 – Wie sieht's in den Bezirken aus? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Kinder a) mit Migrationshintergrund, b) ohne Migrationshintergrund, c) aus der oberen Sozialsta- tusgruppe, d) aus der mittleren Sozialstatusgruppe und e) aus der unteren Sozialstatusgruppe haben an der Einschu- lungsuntersuchung 2012 in den jeweiligen Berliner Bezir- ken teilgenommen und wie viele von ihnen besuchten mehr als zwei Jahre eine Kita und wie viele von ihnen besuchten keine Kita? Zu 1.: Die Angaben zu den Merkmalen Migrationshin- tergrund, Sozialstatusgruppen und Kitabesuchsdauer nach Berliner Bezirken sind der Grundauswertung der Einschu- lungsdaten in Berlin 2012 zu entnehmen (Tabellen 2.5, 2.6, 5.11). Die Grundauswertung der Einschulungsdaten in Berlin 2012 ist ein Arbeitspapier und liegt nicht in gedruckter Form vor. Die PDF-Datei kann im Internet unter http://www.berlin.de/sen/statistik/gessoz/gesundheit/grun dauswertungen.html abgerufen werden. Die einzelnen Tabellen sind in dem Gesundheits- und Sozialinformati- onssystem (GSI) eingestellt (abrufbar unter www.gsi- berlin.info). Eine genaue Anleitung zum Auffinden der Tabellen befindet sich auf Seite 3 des Berichts. Die angefragten mehrfach geschichteten Kreuztabel- len müssten im Rahmen einer Sonderauswertung erstellt werden und sind aus Ressourcengründen nicht im Zeit- rahmen der Kleinen Anfrage zu leisten. Ferner ist auf- grund der Merkmalsverteilungen davon auszugehen, dass in den Tabellen Zellen aufgrund von zu kleinen Fallzah- len gesperrt werden müssten und die Aussagekraft inso- fern eingeschränkt wäre. 2. Wie viele der getesteten Kinder a) mit Migrations- hintergrund, b) ohne Migrationshintergrund, c) aus der oberen Statusgruppe, d) aus der mittleren Statusgruppe und e) aus der unteren Statusgruppe haben in den jeweili- gen Bezirken sehr gute, fehlerhafte oder kaum bzw. keine Deutschkenntnisse und wie viele von ihnen besuchten mehr als zwei Jahre eine Kita und wie viele von ihnen besuchten zuvor keine Kita? Zu 2.: Mit der Berliner Sprachskala, die durch die un- tersuchenden Ärztinnen und Ärzte angewendet wird, liegt ein standardisiertes Verfahren vor, das die Verständi- gungsmöglichkeiten der Einschülerinnen und Einschüler nichtdeutscher Herkunft erfasst. Die Skala bildet Sprach- kenntnisse von ‚nicht/kaum‘ über ‚fehlerhaft‘ bis zu ‚(sehr) gut‘ ab. Die Deutschkenntnisse der Kinder mit Migrationshintergrund nach Sozialstatus, Kitabesuchs- dauer und Bezirk sind in der Grundauswertung ausgewie- sen (Tabellen 5.14, 5.15, 5.17). Bei Kindern deutscher Herkunft kommt die Sprachskala nicht zur Anwendung (vgl. zur Methodik die Grundauswertung der Einschu- lungsdaten in Berlin 2012, S. 84ff). Für die angefragten mehrfach geschichteten Kreuztab- ellen gilt das unter 1. Gesagte. 3. Wie viele der getesteten Kinder a) mit Migrations- hintergrund, b) ohne Migrationshintergrund, c) aus der oberen Statusgruppe, d) aus der mittleren Statusgruppe und e) aus der unteren Statusgruppe haben in den jeweili- gen Bezirken Übergewicht und wie viele von ihnen be- suchten mehr als zwei Jahre eine Kita und wie viele von ihnen besuchten zuvor keine Kita? Zu 3.: Die Raten von übergewichtigen Kindern nach Migrationshintergrund, Sozialstatus, Kitabesuchsdauer und Bezirk sind der Grundauswertung zu entnehmen (Tabellen 4.1, 4.2, 4.3). Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 536 2 Die angefragten mehrfach geschichteten Kreuztabel- len müssten im Rahmen einer Sonderauswertung erstellt werden und sind aus Ressourcengründen nicht im Zeit- rahmen der Kleinen Anfrage zu leisten. Ferner ist auf- grund der Merkmalsverteilungen davon auszugehen, dass in den Tabellen Zellen aufgrund von zu kleinen Fallzah- len gesperrt werden müssten und die Aussagekraft inso- fern eingeschränkt wäre. Die zeitgleiche Berücksichti- gung mehrerer Einflussfaktoren ist die Domäne der mul- tivariaten Analyse. Im Rahmen des in 2011 erschienenen Spezialberichts Sozialstruktur und Kindergesundheit - Ein Atlas für Berlin auf Basis der Einschulungsuntersuchun- gen 2007/2008. Im Internet abrufbar unter http://www.berlin.de/sen/statistik/gessoz/gesundheit/spezi al.html wurde auch eine multivariate Analyse zu den Einflussfaktoren des Übergewichts durchgeführt (S. 136ff). 4. Wie viele der getesteten Kinder a) mit Migrations- hintergrund, b) ohne Migrationshintergrund, c) aus der oberen Statusgruppe, d) aus der mittleren Statusgruppe und e) aus der unteren Statusgruppe zeigten Auffälligkei- ten bei der Koordination der visuellen Wahrnehmung und dem Bewegungsapparat (Visuomotorik) in den jeweiligen Bezirken und wie viele von ihnen besuchten mehr als zwei Jahre eine Kita und wie viele von ihnen besuchten zuvor keine Kita? Zu 4.: Die Ergebnisse der Screeninguntersuchung in den Bereichen Körperkoordination, der Visuomotorik (Auge-Hand-Koordination) und der visuellen Wahrneh- mung nach Migrationshintergrund, Sozialstatus, Kitabe- suchsdauer und Bezirken sind der Grundauswertung zu entnehmen (Tabellen 4.9, 4.11, 4.13). Für die angefragten mehrfach geschichteten Kreuztab- ellen gilt das unter 1. Gesagte. Die zeitgleiche Berücksichtigung mehrerer Einfluss- faktoren ist die Domäne der multivariaten Analyse. Zum Einfluss des Migrationshintergrundes auf die kindliche Entwicklung unter Berücksichtigung der Merkmale Sozi- alstatus, Kitabesuchsdauer, Deutschkenntnisse und weite- rer relevanter Einflussfaktoren wurden ebenfalls im Rah- men des unter 3. angegebenen Spezialberichts multivaria- te Analysen durchgeführt. Darüber hinaus liegt eine aktu- elle Publikation vor (Oberwöhrmann, S. et al. Migrations- hintergrund als Einflussfaktor auf die kindliche Entwick- lung im Einschulungsalter – ein multivariates Modell. Gesundheitswesen 2013; 75: 203–209). 5. Welchen Zusammenhang sieht der Senat zwischen den Ergebnissen der Einschulungsuntersuchungen und dem Kita-Besuch bzw. fehlenden Kita-Besuch der getes- teten Kinder? Zu 5.: Die Ergebnisse aus den Einschulungsuntersu- chungen zeigen, dass die Kinder, die zwei Jahre oder länger eine Kita besucht haben, in allen angesprochenen Untersuchungsbereichen seltener auffällige Befunde auf- weisen. Der positive Einfluss der Kitabesuchsdauer bleibt auch bei Kontrolle für weitere Einflussfaktoren grundsätz- lich erhalten (s. Ergebnisse der multivariaten Analyse). Die Ergebnisse zeigen, dass ein Migrationshintergrund per se kein Risikofaktor für Entwicklungs-störungen ist, sondern auf einen höheren Anteil sozial Benachteiligter sowie unzureichende Deutschkenntnisse bei den Familien mit einem Migrationshintergrund zurück zu führen sind. Dies unterstreicht die Notwendigkeit der besonderen Förderung von sozial benachteiligten Kindern sowie die Bedeutung der Förderung der deutschen Sprachkenntnisse von Kindern und Eltern. 6. Zieht der Senat die Einführung einer Kita-Pflicht in Betracht oder die Einführung für alle Kinder verpflich- tender Vorschuljahre und welche weiteren Konsequenzen aus den Untersuchungsergebnissen erwägt der Senat zu ziehen? Zu 6.: Der Senat verfolgt weiterhin das Ziel, die mög- lichst frühzeitige Bildung, Erziehung und Betreuung des Kindes in einer Kindertageseinrichtung sicher zu stellen. Eine erfolgreiche frühkindliche Bildung hängt wesentlich von dem Kooperationswillen und der Unterstützung der Eltern ab. Auf diesem Wege sind bemerkenswerte Erfolge erzielt worden, die sich in einer weiteren Steigerung der hohen Betreuungsquoten wider-spiegeln. Die grundsätz- lich freiwillige Inanspruchnahme des Leistungsangebots ‚Kindertagesbetreuung’ auf der Grundlage des Art. 6 Abs. 2 des Grundgesetzes sowie des § 22 des Achten Buches Sozialgesetzbuch wird deshalb seitens des Senats durch werbende Maßnahmen und direkte Ansprache in Famili- enzentren und Elterncafés sowie weitere Angebote beför- dert. Dennoch besteht bereits jetzt mit § 55 des Schulgeset- zes (SchulG) ein verbindlicher Rahmen für eine Förde- rung. Wenn Eltern die Möglichkeit der Förderung ihres Kindes nicht aus eigenem Antrieb nutzen und bei dem Kind im Jahr vor Eintritt in die Schule Sprachförderbedarf festgestellt wird, ist nach geltender Rechtslage in Berlin verbindlich sichergestellt, dass ein Kind mit Sprachför- derbedarf im letzten Jahr vor Beginn der regelmäßigen Schulpflicht in einer Kindertagestätte gefördert wird. Die Bedeutung dieser Verpflichtung für die Entwicklung des Kindes ist insbesondere damit begründet, dass der Erwerb der Sprache zu den besonders wichtigen Entwicklungen des Kindes gehört und die Entwicklung der sprachlichen Kompetenzen immer auch die Entwicklung von Hand- lungskompetenz fördert. Mit der früheren Förderung der Sprachkompetenz geht somit eine bedeutsame Steigerung weiterer wichtiger Kompetenzen einher. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 536 3 Der Annahme folgend, dass bei Feststellung von Sprachförderbedarf auch die Kinder zur Förderung in einer Kita verpflichtet werden, die in weiteren Bereichen der Entwicklungsförderung bedürfen, plant der Senat dieses bewährte Modell weiterzuentwickeln und prüft derzeit eine Verlängerung des Förderzeitraums durch die Vorverlegung der Sprachstandfeststellung und Sprachför- derung nach § 55 SchulG. Damit wird mehr Zeit für die individuelle Förderung schon vor Eintritt in die Schule eröffnet. Ebenfalls sind weitere Maßnahmen zu prüfen, die von Fachkreisen und Betroffenenvertretungen vorgeschlagen worden sind. Hierzu gehören unter anderem vereinfachte Zugänge zum Kitagutschein zu entwickeln und gezielte Werbe- und Beratungsmaßnahmen über die Familienzen- tren in die Quartiere hinein sicherzustellen. Berlin, den 24. Oktober 2013 In Vertretung Emine D e m i r b ü k e n - W e g n e r Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 01. Nov. 2013)