Drucksache 17 / 12 551 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Klaus Lederer (LINKE) vom 20. August 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 21. August 2013) und Antwort „Deutschlandfest“ der SPD: Wem gehört das Brandenburger Tor und wer entscheidet? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Trifft es zu, dass das zweitägige „Deutschlandfest “ der SPD am 17. und 18. August 2013 am Brandenburger Tor – inklusive Verkehrssperrungen über 7 Tage im Bereich des Brandenburger Tors zwischen Gro- ßem Stern und Platz des 18. März – aufgrund einer Sondernutzungserlaubnis für das Straßenland stattfinden konnte, die der Senat von Berlin erteilt hat? Antwort zu 1: Nein. Die Erlaubnis für die Veranstal- tung wurde, wie für alle Großveranstaltungen auf öffentli- chen Straßen und Plätzen im übergeordneten Straßennetz, von der dafür zuständigen Verkehrslenkung Berlin (VLB) nach § 29 Abs. 2 in Verbindung mit § 46 Abs. 1 der Stra- ßenverkehrs-Ordnung (StVO) erteilt. Nach geltendem Recht bedarf es gemäß § 13 Berliner Straßengesetz (BerlStrG) keiner gesonderten Sondernutzungserlaubnis, wenn eine Erlaubnis nach straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften erforderlich ist. Der ansonsten für die Ertei- lung der Sondernutzungserlaubnis zuständige Straßenbau- lastträger (hier: Bezirksamt Mitte von Berlin) ist dann im Erlaubnisverfahren zu hören, was im vorliegenden Fall auch erfolgte. Wie ebenfalls verfahrensrechtlich vorge- schrieben, wurden die vom Bezirk geforderten Bedingun- gen, Auflagen, Auflagenvorbehalte und Sondernutzungs- gebühren der Antragstellerin (SPD) in der Erlaubnis auf- erlegt. Frage 2: Trifft es ferner zu, dass das regulär zuständi- ge Bezirksamt Mitte die Erteilung einer Sondernutzungs- erlaubnis für diese Veranstaltung abgelehnt hat, weil sie nicht den „Grundsätzen zur Definition eines überwiegenden öffentlichen Interesses an Sondernutzungsgenehmi- gungen für Veranstaltungen an ausgewählten Orten im zentralen Bereich von Berlin“ („Positiv-/Negativ-Katalog “, Beschluss des Bezirksamtes Mitte Nr. 1034 vom 22.6.2010) entspricht? Antwort zu 2: Nein, der Positiv-Negativ-Katalog wur- de im Rahmen der Vorabstimmung im Juli/August 2012 vom Bezirksamt nicht als dem Jubiläumsfest entgegenste- hend angeführt. Hinsichtlich der Zuständigkeit wird auf die Antwort zu 1. verwiesen. Frage 3: Hat der Senat die Entscheidung an sich gezo- gen – und wenn ja: mit welcher Begründung –, oder ist die vom Bezirk Mitte abweichende Entscheidung im Rahmen des Widerspruchsverfahrens ergangen? Welche Rechtsgrundlage war maßgebend? Antwort zu 2. und 3.: Nein, dies trifft nicht zu. Siehe hierzu die Antwort zu 1. Frage 4: Ist dem Senat dieser „Positiv-/Negativ-Katalog “ des Bezirksamtes Mitte bekannt und teilt der Senat das Ziel des Bezirks Mitte, die „Aufzehrung des symbolischen Gehalts des Brandenburger Tores“ durch eine restriktive Genehmigungspraxis und Nichtzulassung weiterer Veranstaltungen zu verhindern? Antwort zu 4.: Ja. Frage 5: Welchen Orts- bzw. Bezug für die „zeitgemäße Erneuerung“ des symbolischen Gehalts des Brandenburger Tores hat eine Veranstaltung einer Partei in der Bundestagswahlauseinandersetzung, die weder örtlich noch zeitlich im direkten Kontext mit der Gründung des ADAV am 23. Mai 1863 in Leipzig steht und auf der die zentrale politische Botschaft vom Spitzen- und Kanzler- kandidaten für die bevorstehende Bundestagswahl, Peer Steinbrück, verkündet wird, im Übrigen aber der Konzert- und Eventcharakter (Essen, Trinken, Bands, Party) im Mittelpunkt steht? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 551 2 Antwort zu 5.: Es handelte sich um eine nicht nur na- tional bedeutsame Festveranstaltung zu einem besonderen und daher hervorzuhebenden Jubiläum der ältesten deut- schen und zugleich auch europäischen Partei. Unbestritten über Parteigrenzen hinweg hat sich die SPD in den ver- gangenen 150 Jahren für Deutschland und seine Demo- kratie verdient gemacht. Es ist somit verständlich, dass das Jubiläum auch in Deutschlands Hauptstadt und am Sitz des Bundestages gefeiert werden sollte. Bezüge der Partei zu Berlin und örtlich zu Berlins Mitte gibt es viele. So hat der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann von einem Balkon des Reichstagsgebäudes – also in unmittelbarer Nähe zur jetzigen Veranstaltungsfläche – am 9. November 1918 die Republik ausgerufen, die als Wei- marer Republik von 1918 bis 1933 den Abschnitt deut- scher Geschichte bezeichnet, in dem erstmals eine parla- mentarische Demokratie in Deutschland bestand. Nach den Vorabstimmungen im Juli 2012 hat die An- tragstellerin ihre Veranstaltung zudem neu konzipiert, indem der Pariser Platz nicht in die Veranstaltung mit einbezogen und die Hauptbühne vom Platz des 18. März auf die Ebert-Straße verlegt wurde, die nach dem Sozial- demokraten Friedrich Ebert benannt wurde, der seit 1913 Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei Deutsch- lands war und von 1919 bis zu seinem Tode als erster Reichspräsident der Weimarer Republik amtierte. Die Art der Durchführung der Veranstaltung war ver- gleichbar mit anderen sportlichen oder kulturellen Veran- staltungen in diesem Bereich, die üblicherweise ebenfalls einen gewissen Konzert- und Eventcharakter aufweisen. Frage 6: Wenn 1., 2. und 4. ja: Welche überwiegenden Interessen Berlins sieht die SPD-geführte Stadtentwick- lungsverwaltung in Bezug auf den Sondernutzungsantrag der SPD, die zu einer vom wohlabgewogenen „Positiv- /Negativkatalog“ und seiner Grundlinie abweichenden Beurteilung und Entscheidung geführt haben? Beabsich- tigt der Senat insoweit zukünftig eine Ausweitung der Nutzungsmöglichkeiten am Areal Brandenburger Tor? Antwort zu 6.: Der Senat vermag einen Verstoß gegen den „Positiv-/Negativkatalog“ nicht zu erkennen. Der Senat beabsichtigt auch zukünftig keine Ausweitung der Nutzungsmöglichkeiten am Areal Brandenburger Tor. Frage 7: Teilt der Senat die Einschätzung, dass die Durchbrechung bezirklich selbst gesetzter Regeln in ei- nem solchen Fall die Tragfähigkeit des „Positiv-/NegativKatalogs “ unter dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgebotes für die zukünftige Entscheidungspraxis des Landes Berlin/Bezirksamt Mitte im zentralen Bereich beeinträchtigt? Antwort zu 7.: Siehe hierzu Antwort zu 6. Frage 8: Werden zukünftig Wahlkampfveranstaltun- gen aller zugelassenen politischen Parteien unter dem Gesichtspunkt des Art. 21 i.V.m. 3 GG bzw. § 5 Abs. 1 S. 1 Parteiengesetz („Wenn ein Träger öffentlicher Gewalt den Parteien Einrichtungen zur Verfügung stellt oder andere öffentliche Leistungen gewährt, sollen alle Partei- en gleichbehandelt werden.“) vor der symbolischen Kulisse des Brandenburger Tores angesichts des geschaffe- nen Präzedenzfalls zugelassen, solange sich dabei ein vager historischer Bezug zur deutschen Parteien- oder Bewegungsgeschichte herstellen lässt? Antwort zu 8.: Bei der zugelassenen Veranstaltung handelte es sich um die Jubiläumsveranstaltung „150 Jahre SPD – Deutschlandtreffen in Berlin“, nicht um eine Wahlkampfveranstaltung. Hinsichtlich der Erlaubnis für zukünftige Veranstal- tungen im Umfeld des Brandenburger Tores kann eine pauschale Aussage im Rahmen einer Kleinen Anfrage nicht getroffen werden, da jede Veranstaltung mit ihren örtlichen, zeitlichen und inhaltlichen Besonderheiten im Einzelfall von der zuständigen Erlaubnisbehörde zu prü- fen und zu bescheiden ist. Frage 9: In welcher Höhe wurden für die Erteilung der Erlaubnis an die SPD Sondernutzungsentgelte verein- nahmt und kommen diese Sondernutzungsentgelte dem Bezirk Mitte oder dem Haushalt der Hauptverwaltung zugute? Antwort zu 9.: Es wurden Sondernutzungsgebühren in Höhe von 24.576,00 € erhoben, die vom Bezirksamt Mitte von Berlin berechnet und vereinnahmt wurden. Berlin, den 30. September 2013 In Vertretung Regula Lüscher ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. Okt. 2013)