Drucksache 17 / 12 570 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Marianne Burkert-Eulitz (GRÜNE) vom 16. August 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 23. August 2013) und Antwort Ist die Jungenarbeit in Berlin für den Senat mehr als nur Gewalt- und Kriminalitätspräventi- on? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Warum findet sich das Thema Jungenarbeit in der öffentlichen Außendarstellung des Berliner Senates vor allem auf der Internetseite der Senatsverwaltung für Inneres unter dem Titel Gewalt- und Kriminalitäts- prävention? Zu 1.: Die Landeskommission Berlin gegen Gewalt – in der federführenden Zuständigkeit der Senatsverwaltung für Inneres und Sport - hat sich in den Jahren 2006 und 2007 intensiv mit dem Zusammenhang von männlicher Sozialisation und Gewalt beschäftigt. Hintergrund war die Tatsache, dass auch bei Kindern und Jugendlichen delin- quentes Verhalten hauptsächlich ein männliches Phäno- men ist. Männliche Kinder und Jugendliche setzen sich häufiger über gesellschaftliche Normen und Regeln hin- weg und fallen durch Anwendung von Gewalt auf. Der Anteil an männlichen Intensivstraftätern bzw. Mehrfach- tätern ist deutlich erhöht. So waren im Jahr 2012 im Al- tersbereich der jugendlichen und heranwachsenden Tat- verdächtigen 72,8 % männlich (vgl. Polizeiliche Krimi- nalitätsstatistik 2012). Die Landeskommission hat sich deshalb verstärkt mit den Lebenslagen von Jungen auseinandergesetzt. Im Er- gebnis wurden auf der Internetseite der Senatsverwaltung für Inneres und Sport unter der Rubrik Gewalt- und Kri- minalitätsprävention Männliche Sozialisation und Gewalt (vgl. http://www.berlin.de/lb/lkbgg/gewalt_und_kriminalitaet- spraevention/maennliche-sozialisation-und-ge- walt/index.html) u. a. Artikel zum Thema Jungenarbeit eingestellt. 2. Welche Vorstellungen von „Jungenarbeit“ hat das Land Berlin? Zu 2.: Geschlechtsbewusste Ansätze gehören inzwi- schen zum festen Bestandteil der pädagogischen Arbeit in der Kinder- und Jugendhilfe, d.h. in den Kindertagsstät- ten, der Jugend- und Jugendsozialarbeit, im Bereich der Hilfen zur Erziehung und bei Angeboten, die in Koopera- tion von Schulen und Jugendhilfe stattfinden. Hier hat ein Aufbau von Strukturen zur Unterstützung und Begleitung von Mädchen und Jungen stattgefunden, mit der Folge, dass durch eine Thematisierung von geschlechtsbezoge- nen Fragen und eine Auseinandersetzung mit geschlech- terbewussten Ansätzen, Mädchen und Jungen in nicht- formalen und formalen Bildungsinstitutionen besser ge- fördert und unterstützt werden. Im Sinne der Chancengleichheit wird neben der nach wie vor wichtigen Mädchenarbeit eine adäquate Jungen- förderung an die Seite gestellt, d.h. eine an den Interessen und dem „eigenen Leben“ von Jungen orientierte Arbeit. Jungenarbeit in diesem Sinne versteht sich als Hilfe in der Persönlichkeitsentwicklung, bietet „Möglichkeitsräume“ auch in Abgrenzung von stereotypen männlichen Verhal- tensweisen. Dieser Ansatz geht von der Erweiterung der Verhaltens- und Handlungsperspektiven aus. Es erfolgt in der Arbeit keine Konzentration auf das sozial „nicht Gewünschte “ innerhalb des Lebens von Jungen, sondern eine auf das Subjekt bezogene positive Sichtweise, bei der der Frage nachgegangen wird „Was braucht welcher Junge?“. Es geht z.B. um die Unterstützung von Jungen in ihren beruflichen Möglichkeiten, in ihren persönlichen Hand- lungsoptionen - z.B. diese auch in gesellschaftliche Berei- che auszuweiten, die bisher eher als weiblich identifiziert werden. Ziel ist eine Erweiterung des Berufswahlspekt- rums, eine Flexibilisierung männlicher Rollenbilder und die Förderung von sozialen Kompetenzen, wie z.B. Em- pathiefähigkeit. Im Bereich der Hilfen zur Erziehung wird im Kontext von Vertragsabschlüssen gemäß des Berliner Rahmen- vertrages Jugend (BRV Jug) der genderorientierten Aus- richtung von Konzepten und Leistungsangeboten Rech- nung getragen. Hier finden sich themenzentrierte ge- schlechtsspezifische Betreuungssettings in allen Leis- tungsbereichen entsprechend dem jeweiligen individuel- len Bedarf. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 570 2 3. Welche Projekte der Jungenarbeit fördert das Land Berlin konkret, in welcher Höhe, mit welchem inhaltlichen Ansatz, in welchen Bereichen? Zu 3.: Sowohl in der Jugendarbeit als auch in der Ju- gendsozialarbeit und in Bereichen der stationären, teilsta- tionären und ambulanten Leistungen halten Träger der freien Jugendhilfe auch geschlechtsspezifische Angebote für Jungen vor. Konkrete Angaben zu den geförderten Angeboten und Projekten bedürfen einer Abfrage bei den bezirklichen Jugendämtern, die im Rahmen einer Kleinen Anfrage nicht leistbar ist. Berlin, den 25. September 2013 In Vertretung Sigrid Klebba Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 08. Okt. 2013)