Drucksache 17 / 12 578 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Christopher Lauer und Dr. Simon Weiß (PIRATEN) vom 27. August 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 28. August 2013) und Antwort Funkzellenabfragen in Berlin Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Die sogenannte Funkzellenabfrage, bei der Verkehrsdaten von Kommunikationsvorgängen erfasst werden, die innerhalb einer oder mehrerer konkre- ter Funkzellen innerhalb eines konkreten Zeitraums ge- führt wurden, ist von § 100g Absatz 2 Satz 2 Strafpro- zessordnung (StPO) gedeckt und dient bei Straftaten von erheblicher Bedeutung der Erforschung des Sachverhalts oder der Ermittlung des Aufenthaltsortes eines Beschul- digten. Sie wird ausschließlich vom Gericht und bei Ge- fahr im Verzug von der Staatsanwaltschaft und nur auf Grund einer konkreten Einzelfallprüfung zu den Ein- griffsvoraussetzungen, der Angemessenheit und Verhält- nismäßigkeit der Maßnahme schriftlich angeordnet. Eine statistische Erhebung der Maßnahmen nach § 100g Abs. 2 StPO ist vom Bundesgesetzgeber nicht vorgesehen (§ 100g Abs. 4 StPO). Die Polizei und die Strafverfolgungsbehörden haben sich jedoch des Themas angenommen, um den gewachsenen statistischen Aus- kunftsbedürfnissen zu Funkzellenabfragen besser gerecht werden zu können. Derzeit ist eine Auswertung lediglich im Rahmen ei- nes sehr zeitaufwändigen und personalintensiven Kräf- teaufwandes zu leisten, der den Rahmen der Beantwor- tung einer Kleinen Anfrage sprengen würde. 1. Wie viele Verkehrsdatenerhebungen (Mobilfunk) nach § 100g Abs. 1 StPO gab es seit dem Jahr 2008 im Land Berlin? (Bitte eine Einzelauflistung nach Datum, abfragender Behörde und jeweils zu Grunde liegender Straftat, hilfsweise dem jeweiligen Deliktsbereich. Falls die Antworten nicht für den gesamten abgefrag- ten Zeitraum erbracht werden können, dann wird um Beantwortung für den Zeitraum gebeten, für den dieses möglich ist. Gleiches gilt für die nachstehenden Unterfra- gen.) a) Wie viele Verkehrsdatensätze wurden dabei jeweils erhoben? b) Zu wie vielen Anschlussfeststellungen ist es dabei jeweils gekommen? c) Wie viele Betroffene wurden jeweils benachrichtigt ? d) Welchen Zeitraum deckten die Verkehrsdatenerhebungen jeweils ab? e) Wie viele der oben genannten Verkehrsdatenerhebungen haben zu neuen Ermittlungsansätzen in den Anlassverfahren geführt? Zu 1.: Grundsätzlich können weder die Staatsanwalt- schaft Berlin noch die Polizei Berlin eine abschließende Auskunft zu strafprozessualen Verkehrsdatenerhebungen im Land Berlin geben, weil auch andere Strafverfol- gungsbehörden (z.B. Bundeskriminalamt, Bundespolizei, Zollfahndungsamt) Maßnahmen in eigener Zuständigkeit durchgeführt haben könnten. Meldeverpflichtungen ge- genüber Berliner Behörden bestehen in diesen Fällen nicht. Eine statistische Erfassung von Maßnahmen gem. § 100g Abs. 2 (StPO) – Funkzellenabfrage mit unbekanntem Mobilfunkanschluss (sog. nicht-individualisierte Funkzellenabfrage) - erfolgte bei der Staatsanwaltschaft bislang nicht, da die gesetzliche Verpflichtung aus § 100g Abs. 4 StPO sich ausschließlich auf Maßnahmen gemäß § 100g Abs.1 StPO bezieht. Insoweit können für die Jahre 2008 bis 2012 die folgenden, für die Jahre 2008 bis 2011 bereits in der vom Bundesamt für Justiz in den Übersich- ten „Verkehrsdatenerhebung (Maßnahmen nach § 100g StPO)“ veröffentlichten Zahlen für das Land Berlin mitgeteilt werden. Bis 2010 wurde dabei die Anzahl der betroffenen Verfahren statistisch aus der Summe der Anordnungen bestimmt. Seit 2011 erfolgt eine differen- ziertere Erfassung der einzelnen Erstanordnungen, wo- durch mehrere Erstanordnungen in einem Verfahren ab- gebildet werden. Auf Grund eines Wechsels des Daten- systems bei der Staatsanwaltschaft konnte im Jahr 2011 eine Zuordnung der Verlängerungsanordnungen nicht erfolgen. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 578 2 Jahr Anzahl der Verfahren, in denen im Berichtsjahr Maßnahmen nach § 100g Abs.1 StPO durchge- führt worden sind Anzahl der Anordnungen zur Erhebung von Verkehrsdaten Anlassstraftaten nach Erst- anordnung Ver- längerungs- anordnung §100g Abs.1 Satz 1 Nr.1 StPO §100g Abs.1 Satz 1 Nr.2 StPO 2008 408 402 6 393 15 2009 762 747 15 741 21 2010 533 507 26 515 18 2011 76 167 8 169 6 2012 185 433 13 408 25 Zu den jeweiligen Unterfragen der Fragen 1. und 2., deren Beantwortung sich nicht aus den Übersichten ergibt, wäre eine Auswertung einzelner Verfahrensakten notwendig, was in der zur Beantwortung zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich ist. 2. Wie viele Verkehrsdatenerhebungen (Mobilfunk) nach § 100g Abs. 2 StPO (nicht-individualisierte Funk- zellenabfrage) gab es seit dem Jahr 2008 im Land Berlin? (Bitte eine Einzelaufschlüsselung nach Datum, abfra- gender Behörde und der jeweiligen zu Grunde liegenden Straftat, hilfsweise dem jeweiligen Deliktsbereich. Falls die Antworten nicht für den gesamten abgefrag- ten Zeitraum erbracht werden können, dann wird um Beantwortung für den Zeitraum gebeten, für den dieses möglich ist. Gleiches gilt für die nachstehenden Unterfra- gen.) a) Wie viel Verkehrssätze wurden dabei jeweils erhoben ? b) Zu wie vielen Anschlussfeststellungen ist es dabei jeweils gekommen? c) Wie viele Betroffene wurden jeweils benachrichtigt ? d) Welche Fläche wurde durch die abgefragten Funkzellen jeweils abgedeckt? e) Welchen Zeitraum deckten die Funkzellenanfragen jeweils ab? f) Wie viele der oben genannten Funkzellenabfragen haben zu neuen Ermittlungsansätzen in den An- lassverfahren geführt? g) In wie vielen Fällen, in denen eine nichtindividualisierte Funkzellenabfrage zum Einsatz kam, gab es konkrete Anhaltspunkte für die An- nahme, dass der Tatverdächtige oder die Tatver- dächtige(n) während der Tat ein Mobiltelefon bei sich getragen hat? h) In wie vielen Fällen fanden Zeugenbefragungen erst nach der Durchführung einer Funkzellenabfra- ge statt? i) Wie viele der Verfahren mit nicht-individualisierten Funkzellenabfragen sind aufgeklärt worden und welche Rolle haben die erhobenen Ver- kehrsdaten dabei gespielt? j) In wie vielen Verfahren haben die Daten einer nicht-individualisierten Funkzellenabfrage zu einer Verurteilung geführt? k) Wie viele Verfahren, in denen nicht-individualisierte Funkzellenabfragen erfolgt sind, wurden mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt? l) Wie viele Maßnahmen wurden richterlich angeordnet , wie viele nicht? m) In wie vielen Fällen sind die erhobenen Daten für andere Zwecke (z. B. in anderen Verfahren) ge- nutzt worden als sie der Erhebung zu Grunde la- gen? Siehe zu 2a) – c) und 2e) - m).: Antwort zu 1. Zu 2d).:In den einzelnen Ermittlungsverfahren sind nur die Funkzellenkennungen niedergelegt, zu denen die Netzbetreiber die Verkehrsdaten aufliefern. Angaben zur flächenmäßigen Ausdehnung sind in den Auskünften der Netzbetreiber nicht enthalten. 3. Sind nicht individualisierte Funkzellenabfragen nach § 100g Abs. 2 StPO seit dem Jahr 2008 bei politischen Demonstrationen und sonstigen Versamm- lungen erfolgt und wenn ja, bei welchen? (Bitte die Frage 2. und Unterfragen hierfür gesondert beantworten.) Zu 3.: Durch die Polizei Berlin sind bei politischen Demonstrationen keine nicht- individualisierten Funkzel- lenabfragen nach § 100g Abs. 2 StPO durchgeführt wor- den. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 578 3 4. Welche Software kommt zur Auswertung bzw. zum Abgleich der Datensätze zum Einsatz und in welcher Form werden diese gespeichert? Zu 4.: Zum Einsatz für die Auswertung der Daten ei- ner Funkzellenabfrage kommen - je nach Ausstattung der Dienststelle - die Programme MS Excel und Infozoom. Für die Speicherung der Daten einer Funkzellenabfrage werden die vorgegebenen Formate der Anwendungen genutzt: MS Excel im Format .xls, Infozoom im Format .fox. Ein darüber hinausgehender Abgleich der Daten einer Funkzellenabfrage findet nicht statt. 5. Wurden oder werden die erhobenen Verkehrsdaten mit anderen Daten abgeglichen? Wenn ja, mit welchen? Zu 5.: Die Gesamtheit der erhobenen Verkehrsdaten wird nicht mit anderen Daten abgeglichen. Berlin, den 11. Dezember 2013 Frank Henkel Senator für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. Dez. 2013)