Drucksache 17 / 12 582 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Oliver Höfinghoff (PIRATEN) vom 23. August 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 29. August 2013) und Antwort „Bürgerinitiative Marzahn-Hellersdorf“ Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Welche Erkenntnisse liegen dem Senat über die „Bürgerinitiative Marzahn-Hellersdorf“ in Bezug auf einen möglicherweise rechtsextremen Hintergrund ihrer Mitglieder oder mit ihr assoziierten Personen vor? Zu 1.: Die in den Medien und besonders im Internet publizierte Nähe der „Bürgerinitiative“ zum Rechtsextremismus resultiert unter anderem aus dem zeitgleichen Auftreten von möglichen Anhängerinnen und Anhängern der „Bürgerinitiative“ sowie Rechtsextremistinnen und Rechtsextremisten bei verschiedenen Veranstaltungen und Versammlungen zum Thema „Gemeinschaftsunterkünfte “. Hierbei macht sich die „Bürgerinitiative“ unverhohlen die auch von der Nationaldemokratischen Partei Deutsch- lands (NPD) getragenen Vorbehalte gegen die Schaffung weiterer Gemeinschaftsunterkünfte zu eigen. Darüber hinaus agiert die „Bürgerinitiative MarzahnHellersdorf “ über einen eigenen Facebook-Account, auf dem diverse Einträge mit zum Teil strafrechtlich relevan- ten Kommentaren unterschiedlichster Facebook-Nutzerin- nen und Nutzer veröffentlicht wurden. Mit Wirkung vom 3. September 2013 trat die „Bürgerinitiative für ein lebenswertes Marzahn-Hellersdorf e.V.“ auf der Internetpräsenz www.bi-mh.de in Erscheinung. Ein mit Datum vom 4. September 2013 veröffentlich- ter Artikel trägt die Überschrift „Die Bürgerinitiative für ein lebenswertes Marzahn-Hellersdorf e.V. distanziert sich von der Bürgerinitiative Marzahn Hellersdorf“. Eine Person fungiert dabei sowohl als Protagonist der „Bürgerinitiative Marzahn-Hellersdorf“ als auch der „Bürgerinitiative für ein lebenswertes Marzahn-Hellersdorf e.V.“ Bezüglich eines möglicherweise rechtsextremistischen Hintergrundes dieser Person liegen keine konkreten Er- kenntnisse vor. Jedoch wird in einem Artikel der Berliner Zeitung vom 4. Juli 2013 mit der Überschrift „Asylheim Hellersdorf - Anonyme Hetze gegen Asylbewerber“ ein Zusammenhang zwischen den Aktivitäten der „Bürgerinitiative Marzahn-Hellersdorf“ und „…Thomas C.(…), 2011 erfolglos Kandidat für die NPD in Marzahn-Hellersdorf. …“ thematisiert. Dieser erklärte sich zudem für einen Flyer der Bürger- initiative als verantwortlich im Sinne des Presserechts. Eine weitere Person, bislang ohne rechtsextremisti- sche Bezüge, meldete am 9. August 2013 in Hellersdorf eine Kundgebung unter dem Motto „Nein zum Heim! Meinungsfreiheit für alle!“ für die „Bürgerinitiative Marzahn -Hellersdorf“ an. Weiterhin erstattete ein Mitglied der NPD am 1. Au- gust 2013 Strafanzeige wegen Verstoßes gegen das Kun- sturheberrechtsgesetz, nachdem er im Internet als Mit- glied der „Bürgerinitiative Marzahn-Hellersdorf“ - seiner Meinung nach zu Unrecht - thematisiert wurde. Darüber hinaus besteht zu einer Person, die als einer der Vorstände der „Bürgerinitiative für ein lebenswertes Marzahn-Hellersdorf e.V.“ auf der Internetpräsenz benannt wird, durch andere Veröffentlichungen im Internet die allgemein zugängliche Vermutung, dass eine Perso- nengleichheit zu einer Person mit Bezügen zur rechten Szene gegeben ist. Die Personengleichheit kann aktuell jedoch nicht veri- fiziert werden. 2. Wie viele Personen werden nach Ansicht des Se- nats der oben genannten „Bürgerinitiative“ zugerechnet? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 582 2 Zu 2.: Verlässliche Angaben über Personenpotenziale liegen nicht vor. Die Aktivitäten der „Bürgerinitiative MarzahnHellersdorf “ finden nahezu ausschließlich anonym und im virtuellen Raum statt, zudem gibt es weder formale Mit- gliedschaften noch eine feste Organisationsstruktur. Auf der Internetpräsenz der „Bürgerinitiative für ein lebenswertes Marzahn-Hellersdorf e.V.“ sind namentlich drei Vorstandsmitglieder vermerkt. Nach eigenem Bekunden hat diese „Bürgerinitiative“ weitere 260 „Mitglieder“. a. Wie viele Personen beteiligen sich organisato- risch? Zu a.: Siehe Antwort zu Frage 2. b. Wie viele Personen davon sind Sympathisanten? Zu b.: Hierzu liegen ebenfalls keine validen Erkennt- nisse vor. Auf ihrer Facebook-Seite verzeichnet die „Bürgerinitiative Marzahn-Hellersdorf“ (Stand 10. September 2013) 1.657 sogenannte „Gefällt mir-Angaben“. Mit gleichem Datum hat die „Bürgerinitiative für ein lebenswertes Marzahn-Hellersdorf e.V.“ auf ihrem Facebook -Account 296 „Gefällt mir-Angaben“. Diese „Gefällt mir-Angaben“ haben jedoch keine zuverlässige Aussagekraft im Sinne der Fragestellung. Weitere Erkenntnisse liegen nicht vor. c. Wie viele dieser Personen werden oder wurden vom Verfassungsschutz beobachtet? Zu c.: Aus operativen Gründen sind Angaben hierzu nicht möglich. d. Wie viele dieser Personen sind oder waren Mit- glied in einer rechten Organisation? Zu d.: Hierzu liegen keine Erkenntnisse vor. 3. Welche Erkenntnisse hat der Senat über die Bil- dung von Bürgerwehren durch die „Bürgerinitiative Marzahn -Hellersdorf“ oder ihr politisches Umfeld? Zu 3.: Konkrete Hinweise auf die Bildung von Bür- gerwehren durch die „Bürgerinitiative MarzahnHellersdorf “ liegen dem Senat nicht vor. Allerdings zeigen verschiedene Postings auf ihrem Account, dass innerhalb der „Bürgerinitiative“ bzw. deren Unterstützerumfeld entsprechende Gedankenspiele exis- tieren. Anfang Juli 2013 rief die „Bürgerinitiative“ etwa dazu auf, „eine größere Gruppe mit anderen Anwohnern zu bilden“, die als „Melder“ für die „Bürgerinitiative“ tätig sein sollten. In einer weiteren Stellungnahme vom 31. Juli 2013 spricht die „Bürgerinitiative“ zudem von einem nicht näher definierten „Plan B“, der jetzt umgesetzt würde. In tatsächliche Aktivitäten mündeten diese Ankündi- gungen bislang nicht. Am 4. September 2013 wurde auf der Internetpräsenz des Berliner Landesverbandes der NPD ein Eintrag mit der Überschrift „Hellersdorf wehrt sich! – AntigewaltBürgerwehr Marzahn-Hellersdorf bilden!“ veröffentlicht. Ein gleicher Eintrag befand sich auf dem Facebook- Account des Berliner Landesvorsitzenden der NPD. Erkenntnisse, dass es im Kontext zu diesem Aufruf tatsächlich zur Bildung von Bürgerwehren kam, liegen nicht vor. 4. Welche Erkenntnisse liegen dem Senat über mög- liche Straftaten vor, die der „Bürgerinitiative“ oder mit ihr assoziierter Personen zugerechnet werden können? Zu 4.: Im Zusammenhang mit der Eröffnung der Ge- meinschaftsunterkunft in Hellersdorf und dem Auftreten der beiden Bürgerinitiativen wurden mehrere Strafanzei- gen erstattet. Aufgrund des Umstandes, dass hierzu der- zeit Ermittlungen anhängig sind, kann zu weiteren Details keine Stellung genommen werden. 5. Wegen wie vieler Straftaten, die sich auf eine Ab- lehnung gegen die Belegung der Max-Reinhardt-Ober- schule in Hellersdorf mit Flüchtlingen zurückführen las- sen, hat die Berliner Polizei Ermittlungen aufgenommen? Zu 5.: Verlässliche Aussagen zu Tätermotivationen im Bereich der Gemeinschaftsunterkunft ließen sich aktuell allein anhand einer zeitaufwändigen Einzelfallauswertung erbringen, die angesichts des zeitlichen Rahmens nicht leistbar ist. Überdies handelt es sich auch bei diesen aus- zuwertenden Vorgängen oft noch um laufende Ermittlun- gen, wodurch die Auswertung keine abschließende Aus- sagekraft entfalten könnte. Für den Bereich der Justiz gilt, dass im Aktenverwal- tungssystem der Staatsanwaltschaft Ermittlungsverfahren auf Grund etwaiger Straftaten im Zusammenhang mit dem in der Frage geschilderten Ereignis nicht gesondert ausgewiesen werden. a. Um was für Straftaten handelt es sich und wann und wo sind diese jeweils begangen worden? b. Wie viele der Tatverdächtigen der oben genannten Straftaten werden der „Bürgerinitiative MarzahnHellersdorf “ oder ihrem politischen Umfeld sowie ihrer Unterstützer bzw. Sympathisantenszene zugeordnet? c. Wie viele der oben genannten Tatverdächtigen sind nach den §§ 113,123,125,125a,130,166,211,212, 223,224,226,227,231,241,249,250,251,303,304,306,306a, 306b,308,310 StGB bereits verurteilt worden? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 582 3 d. Wie oft ist wegen welcher der oben genannten Pa- ragraphen gegen die einzelnen Tatverdächtigen jeweils ermittelt worden? Zu a - d: Siehe Antwort zu Frage 5. e. Ist gegen Tatverdächtige, die der „Bürgerinitiative Marzahn-Hellersdorf “ oder ihrem Umfeld zuzurechnen sind, bereits nach den §§ 85,86,86a,111,127,129,129b, 130a,303b,336 StGB ermittelt worden? Zu e.: Siehe Antwort zu Fragen 2. und 5. 6. Hat der Senat Erkenntnisse darüber, dass Polizei- beamt*innen oder Veraltungsbeamt*innen/-angestellte der unter 1. genannten „Bürgerinitiative“ oder ihrem Umfeld angehören? Zu 6.: Nein. 7. Sieht sich der Senat in der Lage, gegen eine Mobi- lisierung zu Straftaten in sozialen Netzwerken durch die unter 1. genannten „Bürgerinitiative“ vorzugehen? a) Wenn ja, durch welche Maßnahmen tut er dies? Zu 7 und a.: Bei strafbaren Inhalten handeln die Straf- verfolgungsbehörden stets nach ihren Möglichkeiten. Insgesamt sind im Zusammenhang mit inkriminierten Kommentaren einzelner Facebook-Userinnen und User auf den beiden Seiten der „Bürgerinitiativen“ mehrere Strafanzeigen anhängig. Grundsätzlich kommen zum Entfernen derartiger „Kommentare“ zwei Möglichkeiten in Betracht: Einerseits das Kontaktieren des Plattformbetreibers, wie z.B. Facebook, andererseits die Kontaktaufnahme mit dem Seitenanbieter, wie z.B. der Erstellerin/dem Ersteller einer eigenen Seite auf Facebook. Berlin, den 14. Oktober 2013 Frank Henkel Senator für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 05. Nov. 2013)