Drucksache 17 / 12 588 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Hakan Taş (LINKE) vom 29. August 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 30. August 2013) und Antwort Nimmt die Polizei auf Zuruf von Neonazis Journalisten fest? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Trifft es zu, dass im Zusammenhang mit einer Ver- sammlung der NPD am 20.08.2013 in Hellersdorf eine Journalistin der Zeitung „Berliner Kurier“ von der Polizei festgenommen wurde? Zu 1.: Am 20. August 2013 wurde im Rahmen der Kundgebung der NPD (Nationaldemokratische Partei Deutschlands) einer weiblichen Person, die sich als freie Journalistin auswies, wegen Verstoßes gegen das Ver- sammlungsgesetz die Freiheit entzogen. 2. Wenn ja, wie lange und zu welchem Zweck wurde die Journalistin festgehalten? Zu 2.: Zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens sind der tatbestandliche Sachverhalt sowie be- und entlastende Beweise vor Ort festzustellen. Sofern Tatverdächtige benannt werden, ist deren Iden- titätsfeststellung zwingend. Um die Personalien der Journalistin zweifelsfrei fest- stellen zu können, mussten diese zunächst erhoben und dann überprüft werden. Dazu war zwangsläufig eine Freiheitsentziehung not- wendig. Im Rahmen der Einleitung eines Ermittlungsverfah- rens hat die Polizei gemäß ihrem gesetzlichen Auftrag be- und entlastende Beweise zu erheben. Hierzu zählt auch, dass von der Journalistin freiwillig ein Lichtbild angefer- tigt wurde, welches als Beweismittel Bestandteil des Ermittlungsverfahrens ist. Für die Anfertigung des Lichtbildes sowie die Über- prüfung der Identität der Journalistin war ihre Zuführung zum Bearbeitungstrupp und somit die Fortsetzung der Freiheitsentziehung erforderlich. Die Dienstkräfte stellten bei der Journalistin als mög- liche Auswirkungen der von ihr angezeigten Körperver- letzung Benommenheit und Desorientierung fest, so dass sie erst dem Bearbeitungstrupp zugeführt wurde, nachdem sie sich von den benannten Folgen scheinbar erholt hatte. Eine ärztliche Behandlung vor Ort wurde von ihr ab- gelehnt. Die Entlassung der Journalistin erfolgte circa 70 Mi- nuten nach der angezeigten Tatzeit. 3. Trifft es zu, dass der Journalistin von Versamm- lungsteilnehmern der NPD vorgeworfen wurde, deren Lautsprecheranlage manipuliert zu haben? Zu 3.: Ja. 4. Trifft es zu, dass der Journalistin auch von der Poli- zei vorgeworfen wurde, die Lautsprecheranlage der NPD manipuliert zu haben und wenn ja, auf welcher Erkennt- nisgrundlage? Zu 4.: Nein. 5. Trifft es zu, dass die Polizei die Journalistin für eine Teilnehmerin der Versammlung gegen die NPD gehalten hat und annahm, sie hätte den Presseausweis lediglich genutzt, um die Vorrechte für Medienvertreter in An- spruch zu nehmen und so die Polizeiabsperrung zu umge- hen? Zu 5.: Nein. 6. Wenn ja, welche Gründe hatte die Polizei für diese Annahme? Zu 6.: Entfällt. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 588 2 7. Hält die Polizei an der entsprechenden Schilderung in der Presseerklärung vom Folgetag fest? Zu 7.: Nein. Die Pressestelle der Polizei Berlin hat bereits am 23. August 2013 eine ergänzende Pressemeldung mit einer Richtigstellung veröffentlicht. 8. Wenn nein, welche Erkenntnisse führten zu einer Meinungsänderung und wie stellt sich der Vorfall aus heutiger Sicht dar? Zu 8.: In der ursprünglichen Pressemeldung der Poli- zei Berlin wurde als feststehende Tatsache gemeldet, dass eine Journalistin versucht habe, eine Lautsprecheranlage zu manipulieren. Diese Art der Darstellung beruhte darauf, dass in der Strafanzeige ein Polizeibeamter als neutraler Zeuge be- nannt wurde. Erste Ermittlungen des polizeilichen Staatsschutzes ergaben, dass dieser Polizeibeamte jedoch keine Angaben über das Verhalten der Journalistin machen konnte. Weitere Polizisten und andere Zeugen, die in der Nähe des Ereignisses standen, konnten bisher noch nicht ver- nommen werden. Daher hätte weder der Sachverhalt, noch die Schluss- folgerung, die Journalistin wäre zuvor Teilnehmerin der Versammlung gewesen, als Tatsache dargestellt werden dürfen. Der Gesamtsachverhalt ist weiterhin Gegenstand eines nicht abgeschlossenen Ermittlungsverfahrens. 9. Wurde ein Ermittlungsverfahren gegen die Journa- listin eingeleitet? Zu 9.: Ja. 10. Trifft es zu, dass ein Teilnehmer der rechten Ver- sammlung die Journalistin tätlich angegriffen hat und ebenfalls festgenommen wurde und wenn ja, wie lange wurde er festgehalten? Zu 10.: Die Polizei Berlin hat gegen den an dem Vor- fall beteiligten Kundgebungsteilnehmer ein Ermittlungs- verfahren eingeleitet. Er wurde nach ca. 45 Minuten aus den polizeilichen Maßnahmen entlassen. 11. Ist der Senat der Ansicht, dass die Polizei mit ih- rem Vorgehen die journalistische Arbeit der betroffenen Reporterin behindert hat, und hält er eine Entschuldigung für angebracht? Zu 11.: Der Journalistin wurde nach Vorzeigen des Presseausweises sofort Zugang zur Kundgebung gewährt. Die polizeiliche Unterstützung von Pressearbeit von im Strafverfahren beschuldigten Pressevertreterinnen und Pressevertretern tritt jedoch solange hinter strafprozessua- le Maßnahmen zurück, solange diese zur Erforschung angezeigter Straftaten notwendig und nicht abgeschlossen sind. Eine Entschuldigung ist daher nicht geboten. 12. Welche sonstigen Konsequenzen zieht der Senat aus dem Vorfall? Zu 12.: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Pres- sestelle der Polizei Berlin wurden dahingehend sensibili- siert, sprachlich noch deutlicher zwischen feststehenden Tatsachen sowie vermuteten Umständen zu unterschei- den. Berlin, den 02. Oktober 2013 Frank Henkel Senator für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 25. Okt. 2013)