Drucksache 17 / 12 606 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Hakan Taş (LINKE) vom 02. September 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 03. September 2013) und Antwort Trennungsgebot ade – Wildwuchs der polizeilich-geheimdienstlichen Kooperationsgremien Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Vertreterinnen und Vertreter welcher Behörden des Landes Berlin nehmen an den fünf Gemein- samen Zentren auf Bundesebene – dem Gemeinsamen Terrorabwehrzentrum (GTAZ), dem Gemeinsamen Inter- netzentrum (GIS), dem Gemeinsamen Analyse- und Stra- tegiezentrum Illegale Migration (GASIM), dem Nati- onalen Cyberabwehrzentrum (NCAZ) und dem Gemein- samen Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum (GETZ) – teil? Zu 1.: Am Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) beteiligen sich der Berliner Verfassungsschutz und die Polizei Berlin mit einem ständigen Vertreter (mit Stellvertreter). An den phänomenbezogenen Zentren a) Gemeinsames Abwehrzentrum Rechtsextremismus (GAR) b) Gemeinsames Extremismus- und Terrorismusab- wehrzentrum Linksextremismus (GETZ-L) c) Gemeinsames Extremismus- und Terrorismusab- wehrzentrum Ausländerextremismus ohne Islamismus (GETZ-A) d) Gemeinsames Extremismus- und Terrorismusab- wehrzentrum Spionage/Proliferation (GETZ-SP) ist die Polizei Berlin mit einem Vertreter (mit zwei festen Stellvertretern) und der Berliner Verfassungsschutz mit einer Vertreterin (mit einem Stellvertreter) beteiligt. Der GAR-Vertreter der Polizei Berlin nimmt hierbei die Obliegenheiten in den GETZ-Phänomenen b) – d) als „Generalist“ wahr. Die GAR-Vertreterin des Berliner Verfassungsschutzes nimmt die Obliegenheiten in den GETZ-Phänomenen b) – c) als „Generalistin“ wahr; am GETZ-SP nimmt ein Vertreter des Abwehrbereichs des Berliner Verfassungsschutzes (mit einem Stellvertreter) teil. Anlassbezogen erfolgt die Hinzuziehung von Spezia- listinnen und Spezialisten mit Phänomenexpertise. Das Gemeinsame Internetzentrum (GIZ) wird aus- schließlich von Bundesbehörden betrieben. Das Land Berlin ist hier nicht durch Vertreter beteiligt. Am Ge- meinsamen Analyse- und Strategiezentrum Illegale Mig- ration (GASIM) und am Nationalen Cyberabwehrzentrum (NCAZ) beteiligen sich Berliner Behörden nicht. 2. Welche Arbeitsgruppen, Stellen, Zentren oder ähn- liche der regelmäßigen Kooperation zwischen Polizei und/oder Staatsanwaltschaft auf der einen und dem Ver- fassungsschutz auf der anderen Seite dienende Gremien gibt es im Land Berlin (bitte Gründungsdatum, Aufgaben und Rechtsgrundlage angeben)? Zu 2.: Die ständige Arbeitsgruppe "Extremistische Ausländer" (AG ExtrA) wurde zum 1. März 2007 im Geschäftsbereich der Senatsverwaltung für Inneres und Sport eingerichtet. Ziel der Arbeitsgruppe ist, die innere Sicherheit in der Bundesrepublik Deutschland durch die konsequente Anwendung des Aufenthaltsrechts zu erhö- hen. Teilziele sind die Identifizierung und Statusanalyse ausländischer Extremistinnen und Extremisten durch die zuständigen Behörden, die konsequente Ausschöpfung der Möglichkeiten des Aufenthalts- und Staatstangehörig- keitsrechts, um erkannten Extremistinnen und Extremis- ten im konkreten Einzelfall den Aufenthalt oder die Ein- bürgerung zu versagen bzw. eine solche zu widerrufen. Bei nicht durchsetzbarer Ausreise soll der Handlungs- spielraum identifizierter Extremistinnen und Extremisten in Anwendung des geltenden Rechts so weit wie möglich eingeschränkt werden. Schließlich sieht sich die Arbeits- gruppe auch als Impulsgeber zur Anpassung rechtlicher Regelungen, wenn sich diese als unzureichend oder nicht praktikabel erweisen. Die Gründung der AG ExtrA stellt eine rein organi- satorische, behördeninterne Maßnahme dar und bedarf daher keiner speziellen Rechtsgrundlage. 3. Welche Behörden sind mit wie vielen Mitarbeiten- den beteiligt (bitte einzeln aufschlüsseln)? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 606 2 Zu 3.: In der AG ExtrA sind die Ausländerbehörde, das Landeskriminalamt, die Abteilung Verfassungsschutz, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und die Abteilung öffentliche Sicherheit und Ordnung mit je einer Dienstkraft und die Abteilung Staats-Verwal- tungs- und Dienstrecht mit zwei Dienstkräften - aus den Bereichen Ausländerangelegenheiten und Staatsangehö- rigkeit/Einbürgerung - vertreten. Die Leitung erfolgt durch den Leiter des Büros des Senators für Inneres und Sport. Die Aufgaben der Geschäftsstelle werden durch einen weiteren Mitarbeiter des Leitungsbereichs wahrge- nommen. 4. Wo sind die Gremien organisatorisch angesiedelt und wo haben sie ihren Sitz? Zu 4.: Die AG ExtrA ist dem Leitungsbereich der Se- natsverwaltung für Inneres und Sport zugeordnet. 5. Wer übt wie die Fach- und Rechtsaufsicht über die gemeinsamen Tätigkeiten und Projekte aus? Zu 5.: Die Ausübung der Fach- und Rechtsaufsicht über die beteiligten Berliner Behörden ist durch die Teil- nahme von Dienstkräften der zuständigen Ministerialab- teilungen gewährleistet. 6. Wie viele der Vertreterinnen und Vertreter Berlins in den in Frage 1 genannten Gemeinsamen Zentren sind identisch mit den Mitarbeitenden der jeweiligen Koope- rationsgremien auf Landesebene? Zu 6.: Keine. 7. Auf welcher Grundlage wird die Zusammenarbeit auf Landesebene sowie zwischen Bund und dem Land Berlin koordiniert? Welche Geschäftsordnungen, Koope- rationsvereinbarungen, Richtlinien o.ä. gibt es diesbezüg- lich? Zu 7.: Die Zusammenarbeit der AG ExtrA mit den entsprechenden Gremien der anderen Bundesländer und den Sicherheitsbehörden des Bundes wird durch die im BAMF angesiedelte Arbeitsgruppe (AG) Status koordi- niert. In regelmäßigen Abständen finden gemeinsame Sitzungen mit der entsprechenden Arbeitsgruppe des Landes Brandenburg und - soweit im Einzelfall erforder- lich - auch anderer Bundesländer statt. Die Koordination auf Landesebene der AG ExtrA ist dem Leitungsbereich der Senatsverwaltung für Inneres und Sport zugeordnet. Spezielle rechtliche Regelungen zur Kooperation der AG Extra mit den genannten Stellen bestehen nicht, zur Anwendung kommen die jeweils für die beteiligten Be- hörden geltenden Rechtsgrundlagen. 8. Wer führt den Vorsitz und die Geschäfte über die Gremien auf Landesebene? Zu 8.: Auf die Antwort zu Frage 3 wird verwiesen. 9. Wie oft und in welchem Rhythmus treffen sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der beteiligten Behör- den? Zu 9: Die Sitzungen der AG ExtrA finden in der Regel alle zwei Monate und ggf. auch anlassbezogen statt. 10. Ist die Zusammenarbeit in den Gremien im Sinne der Arbeitsteilung in Arbeitsgruppen, Zuständigkeitsbe- reichen, Projekten o.ä. untergegliedert? Wenn ja, welche Untereinheiten gibt es und welche Aufgaben haben sie? Zu 10.: Nein. 11. Werden die Zusammenarbeit und der Informati- onsaustausch dokumentiert und wenn ja, wie? Zu 11.: Über jede Sitzung der AG ExtrA wird ein Pro- tokoll erstellt. Darüber hinaus wird in der AG ExtrA eine fortlaufende Liste über den aktuellen Sachstand der in Bearbeitung befindlichen Fälle geführt. Außerdem wer- den durch die Geschäftsstelle sitzungsvorbereitende Un- terlagen erstellt. Die Arbeit der AG ExtrA wird in einem Jahresbericht dokumentiert, der der Hausleitung der Se- natsverwaltung für Inneres und Sport und der Lei- tungsebene der beteiligten Behörden und Abteilungen zur Kenntnis gegeben wird. 12. Gibt es informationstechnische Systeme, wie z.B. gemeinsame Projektdateien, die den Informationsaus- tausch unterstützen oder findet dieser ausschließlich auf Papier oder mündlich statt? Zu 12.: Die AG ExtrA nutzt keine speziellen informa- tionstechnischen Systeme wie z.B. Projektdateien. Der Informationsaustausch erfolgt mündlich und schriftlich. 13. Wie wird sichergestellt, dass die Mitarbeitenden der unterschiedlichen Behörden das jeweils geltende Fachrecht zur Übermittlung von personenbezogenen In- formationen beachten? Zu 13.: Die Übermittlung personenbezogener Daten zwischen den Behörden, insbesondere den Sicherheitsbe- hörden, ist in den jeweiligen Fachgesetzen eingehend geregelt. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 5 verwiesen. 14. Gab es in der Vergangenheit datenschutzrechtliche Kontrollen durch den Berliner Beauftragten für Daten- schutz? Wenn ja, wie häufig und mit welchem Ergebnis? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 606 3 Zu 14.: Die gemeinsamen Zentren auf Bundesebene (GTAZ, GIS, GASIM, NCAZ, GETZ) sind teilweise durch den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) überprüft worden (siehe beispielsweise den 21. Tätigkeitsbericht des BfDI, 2005- 2006, Nr. 5.1.4). Eine direkte Überprüfung durch den Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informations- freiheit hat nicht stattgefunden. 15. Sind der Dienstaufsicht in der Vergangenheit Missstände bei der Anwendung der fachrechtlichen Übermittlungsvorschriften bekannt geworden und wenn ja, wie häufig war dies der Fall? Gab es ggf. disziplinar- rechtliche Konsequenzen? Zu 15.: Nein. 16. Welche parlamentarischen Gremien sind für die Kontrolle der Kooperationsgremien zuständig, wie wird die Kontrolle ausgeübt? Zu 16.: Die Tätigkeit der AG ExtrA wird durch die für die beteiligten Behörden zuständigen parlamentarischen Ausschüsse kontrolliert. 17. Wann waren diese neuen Formen der Kooperation in den Ländern Gegenstand der Berichterstattung und Diskussion in der Innenministerkonferenz? Zu 17.: Die länderübergreifenden Kooperationsgre- mien wurden im Vorfeld ihrer Einrichtung sowie zur späteren Evaluation in der Ständigen Konferenz der In- nenminister und -senatoren der Länder besprochen. Berlin, den 07. November 2013 Frank Henkel Senator für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 31. Jan. 2014)