Drucksache 17 / 12 621 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Monika Thamm (CDU) vom 05. September 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 06. September 2013) und Antwort Wie lange darf ein Bauvorhaben dauern? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Gibt es ein ggf. abgestuftes Verfahren, nach dem einer Baufirma bei Schlechtleistung oder anderen Gründen der Auftrag entzogen werden kann? Frage 2: Hat die Entziehung eines Auftrages Konse- quenzen – insbesondere finanzieller Natur – für eine betroffene Firma? Frage 3: Wie sieht dieses Verfahren aus (bitte Darstel- lung) und gilt es gleichermaßen für Aufträge von Senats- seite als auch Bezirksseite? Frage 4: Sind in diesem Verfahren auch Zeitstufen einzuhalten, um ein solches Verfahren einzuleiten, zu prüfen und dann ggf. zu handeln? Antwort zu 1, 2, 3 und 4.: Bauaufträge unterliegen dem bundesweit geltenden Werkvertragsrecht der §§ 631 ff Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Für öffentliche Bau- aufträge gelten zusätzlich die Vorschriften der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauaufträge (VOB), hier insbe- sondere § 8 VOB Teil B (VOB/B). Der Text dieser Vor- schrift ist in der Anlage beigefügt. Die Regelungen wer- den durch Besondere und Zusätzliche Vertragsbedingun- gen ergänzt. Hauptverwaltung und Bezirke unterliegen denselben Regelungen. Danach kann der Auftraggeber den Vertrag bis zur Vollendung der Leistung jederzeit kündigen. Werden Leistungen schon während der Ausführung als vertrags- widrig oder mangelhaft erkannt und hat der Auftragneh- mer den Mangel oder die Vertragswidrigkeit zu vertreten, hat er nicht nur die Leistungen auf eigene Kosten durch mangelfreie zu ersetzen, sondern auch den daraus entste- henden Schaden zu ersetzen. Kommt er seiner Mangelbe- seitigungspflicht nicht nach, kann der Auftraggeber eine angemessene Frist zur Beseitigung des Mangels setzen und erklären, dass er ihm nach fruchtlosem Ablauf der Frist den Auftrag entziehe. Gleiches gilt, wenn der Auf- tragnehmer den Beginn der Ausführung verzögert, mit der Vollendung in Verzug gerät oder Arbeitskräfte, Geräte, Gerüste, Stoffe oder Bauteile so unzureichend sind, dass die Ausführungsfristen offenbar nicht eingehalten werden können und der Auftragnehmer auf Verlangen nicht un- verzüglich Abhilfe geschaffen hat (§ 5 VOB/B). Im Falle einer Kündigung steht dem Auftragnehmer die vereinbarte Vergütung zu. Einzelheiten der Rechte des Auftraggebers – auch der finanziellen Folgen bis hin zu einer möglichen Vertragsstrafe- sind insbesondere § 8 VOB/B zu entnehmen. Frage 5: Wie oft ist in den Jahren 2010, 2011, 2012 und 2013 bis jetzt ein solches Verfahren in Gang gesetzt worden? Frage 6: Bei welchen Bauvorhaben ist das ggf. ge- schehen? Antwort zu 5 und 6.: Die Ermittlungen zur Beantwor- tung würden angesichts der Vielzahl von Bauvorhaben wie der Vielzahl von möglichen Fallgestaltungen für Kündigungen den Rahmen einer Kleinen Anfrage spren- gen. Frage 7: Sieht die zuständige Senatsverwaltung das derzeit geltende Verfahren für hinreichend effektiv an oder würde sie Verfahrensveränderungen begrüßen – insbesondere bezüglich einer Beschleunigung innerhalb des Verfahrens bis zur Entscheidung? Antwort zu 7: Angesichts der Vielzahl von möglichen Kündigungsgründen (siehe u. a. § 8 Absatz 2 und 3 VOB/B) und unterschiedlicher Fallkonstellationen kann die Frage – auch in Bezug auf Fristen - nicht zielgerecht beantwortet werden. Frage 8: Gibt es eine Grenze – sei es finanzieller, umfangbezogener oder zeitlicher Natur, bei der ein Bauvor- haben aus Bezirkshände und Senatshände übergeht? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 621 2 Antwort zu 8: Die Zuständigkeitsverteilung ergibt sich allgemein aus den Nummern 10 und 11 des Allgemeinen Zuständigkeitskatalogs (ZustKat AZG) - Anlage 1 zu § 4 Absatz 1 Satz 1 AZG. Frage 9: Haben die Erkenntnisse aus einem solchen Verfahren Auswirkungen auf ein zukünftiges Vergabewe- sen (bis hin zur Ablehnung eines Firmenbewerbers)? Antwort zu 9: Die öffentlichen Auftraggeber können sich untereinander über Erfahrungen mit einem Auftrag- nehmer austauschen. Ein Instrument dazu ist eine Mittei- lung an das Unternehmer- und Lieferantenverzeichnis. Im Einzelfall kann eine besonders schlechte Erfahrung mit einem Unternehmen zur Ablehnung bei künftigen Bewer- bungen oder Unterlassung einer Aufforderung zur Teil- nahme am Wettbewerb führen. Normale Streitigkeiten über eine Vertragsleistung sollten nicht zu einer Ableh- nung führen. Berlin, den 01. Oktober 2013 In Vertretung Christian G a e b l e r .................................... Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. Okt. 2013) Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 621 3 Anlage: Text des § 8 VOB/B „§ 8 VOB/B Kündigung durch den Auftraggeber (1) 1. Der Auftraggeber kann bis zur Vollendung der Leistung jederzeit den Vertrag kündigen. 2. Dem Auftragnehmer steht die vereinbarte Vergütung zu. Er muss sich jedoch anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrags an Kosten erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft und seines Betriebs erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt (§ 649 BGB). (2) 1. Der Auftraggeber kann den Vertrag kündigen, wenn der Auftragnehmer seine Zahlungen einstellt, von ihm oder zulässigerweise vom Auftraggeber oder einem anderen Gläubiger das Insol- venzverfahren (§§ 14 und 15 InsO) beziehungsweise ein vergleichbares gesetzliches Verfahren be- antragt ist, ein solches Verfahren eröffnet wird oder dessen Eröffnung mangels Masse abgelehnt wird. 2. Die ausgeführten Leistungen sind nach § 6 Absatz 5 abzurechnen. Der Auftraggeber kann Scha- densersatz wegen Nichterfüllung des Restes verlangen. (3) 1. Der Auftraggeber kann den Vertrag kündigen, wenn in den Fällen des § 4 Absätze 7 und 8 Nummer 1 und des § 5 Absatz 4 die gesetzte Frist fruchtlos abgelaufen ist (Entziehung des Auf- trags). Die Entziehung des Auftrags kann auf einen in sich abgeschlossenen Teil der vertraglichen Leistung beschränkt werden. 2. Nach der Entziehung des Auftrags ist der Auftraggeber berechtigt, den noch nicht vollendeten Teil der Leistung zu Lasten des Auftragnehmers durch einen Dritten ausführen zu lassen, doch blei- ben seine Ansprüche auf Ersatz des etwa entstehenden weiteren Schadens bestehen. Er ist auch be- rechtigt, auf die weitere Ausführung zu verzichten und Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen, wenn die Ausführung aus den Gründen, die zur Entziehung des Auftrags geführt haben, für ihn kein Interesse mehr hat. 3. Für die Weiterführung der Arbeiten kann der Auftraggeber Geräte, Gerüste, auf der Baustelle vorhandene andere Einrichtungen und angelieferte Stoffe und Bauteile gegen angemessene Vergü- tung in Anspruch nehmen. 4. Der Auftraggeber hat dem Auftragnehmer eine Aufstellung über die entstandenen Mehrkosten und über seine anderen Ansprüche spätestens binnen 12 Werktagen nach Abrechnung mit dem Drit- ten zuzusenden. (4) Der Auftraggeber kann den Auftrag entziehen, wenn der Auftragnehmer aus Anlass der Vergabe eine Abrede getroffen hatte, die eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung darstellt. Die Kündi- gung ist innerhalb von 12 Werktagen nach Bekanntwerden des Kündigungsgrundes auszusprechen. Absatz 3 gilt entsprechend. (5) Die Kündigung ist schriftlich zu erklären. (6) Der Auftragnehmer kann Aufmaß und Abnahme der von ihm ausgeführten Leistungen alsbald nach der Kündigung verlangen; er hat unverzüglich eine prüfbare Rechnung über die ausgeführten Leistungen vorzulegen. (7) Eine wegen Verzugs verwirkte, nach Zeit bemessene Vertragsstrafe kann nur für die Zeit bis zum Tag der Kündigung des Vertrags gefordert werden.“