Drucksache 17 / 12 627 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Monika Thamm (CDU) vom 09. September 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 10. September 2013) und Antwort Prostitution in Berlin Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Prostituierte sind in Berlin offiziell ge- meldet? Zu 1.: Die Beantwortung der Frage ist nicht möglich, da es in Berlin keine Anmeldepflicht für die Ausübung der Prostitution gibt. Auch nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten (ProstG) im Jahr 2002 ist die Prostitution nicht als Gewerbe im Sinne der Gewerbeordnung einzustufen. Selbständig arbeitende Prostituierte müssen dementsprechend in Berlin auch keine gewerberechtliche Anmeldung vornehmen. Es erfolgt auch keine Erfassung über die Gesundheits- ämter, da das zum 1.1.2001 in Kraft getretene Infektions- schutzgesetz keine verpflichtenden Gesundheitsuntersu- chungen für Prostituierte vorsieht. Die steuerrechtlichen Verpflichtungen von Prostituier- ten bleiben davon zwar unberührt. Dennoch kann über die Anzahl der in Berlin offiziell steuerlich erfassten Prostitu- ierten keine Aussage getroffen werden, da zahlreiche in der Prostitution tätige Personen sich steuerlich unter einer anderen Bezeichnung (z.B. Tänzerin, Masseurin) anmel- den. 2. Hat der Senat Kenntnis über die Arbeitsorte dieser Prostituierten und wenn ja, wie viele Prostituierte arbeiten in den jeweiligen Berliner Bezirken, wenn nein, woran scheiterte bislang die Kenntnisgewinnung? Zu 2.: Aus den in der Antwort zu 1. genannten Grün- den kann über das Ausmaß bzw. die Verteilung der Pros- titutionsausübung im Stadtgebiet keine belastbare Aussa- ge getroffen werden. Bei der Polizei Berlin vorliegende Erkenntnisse ergeben sich überwiegend aus der Kontroll- tätigkeit im Rotlichtmilieu. Dabei wurden im Jahr 2012 von der Polizei in Berlin 621 bordellartige Betriebe fest- gestellt. In Hinblick auf die Straßenprostitution existieren in Berlin die folgenden, seit Jahren etablierten Bereiche, in denen öffentlich der Prostitution nachgegangen wird: - Kurfürstenstraße / Bülowstraße in Tiergarten / Schöneberg - Oranienburger Straße in Mitte - Straße des 17. Juni in Charlottenburg - Fennstraße, Sellerstraße, Am Nordhafen in Wed- ding. Darüber hinaus wurden in diesem Jahr erstmals Prosti- tuierte in den Bereichen - Hobrechtsfelder Chaussee in Buch - Gegend an der Bundesstraße 2 sowie Darßer Stra- ße in Hohenschönhausen - Nonnendammallee in Spandau - Grenzallee in Neukölln festgestellt. 3. Gibt es Schätzungen über die Anzahl der nicht ord- nungsgemäß gemeldeten Prostituierten in Berlin und wie viele davon arbeiten schätzungsweise in den jeweiligen Bezirken? Zu 3.: Die polizeilichen Feststellungen lassen keine gesicherten Rückschlüsse über die Zahl oder die bezirkli- che Verteilung der Prostituierten zu. Schätzungen von Beratungseinrichtungen zufolge arbeiten in Berlin ca. 8000 Menschen in der Prostitution, wobei diese Zahl nicht zwischen steuerlich angemeldeten Personen und nicht gemeldeten Prostituierten unterscheidet (zur Frage der Anmeldepflicht vgl. Antwort auf die Frage 1). 4. Welche Einrichtungen, Projekte und Träger, die sich um Prostituierte kümmern, wurden im Haushalt 2011/12 vom Land Berlin von den Senatsverwaltungen finanziell unterstützt und wie hoch waren die Zuwendun- gen in diesen Jahren, aus welchen Haushaltstiteln wurden sie finanziert? Zu 4.: In Berlin werden drei spezialisierte Einrichtun- gen, die als Anlauf- und Beratungsstelle für Prostituierte Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 627 2 dienen, von den Berliner Senatsverwaltungen gefördert. Hydra e.V. (Treffpunkt und Beratung für Prostituierte) bietet beispielsweise Steuer-, Rechts- und Berufsberatung an und unterstützt Frauen in akuten Krisen. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Gesundheitsberatung und die HIV/AIDS-Prävention. Für ausstiegswillige Prostituierte bietet Hydra eine Umstiegsberatung an. In den Haus- haltsjahren 2011 und 2012 wurde Hydra von der für Frau- en zuständigen Senatsverwaltung mit jeweils 129.900 € (Titel 68406) sowie im Rahmen des Integrierten Gesund- heitsprogramms (IGP) von der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales mit jeweils rd. 84.000 € (Titel 68406) gefördert. Der Frauentreff Olga in der Träger- schaft des Notdienstes für Suchtmittelabhängige und -gefährdete Berlin e.V. bietet Prostituierten lebensprakti- sche Hilfen, gesundheitliche Prävention, Kriseninterven- tion und Beratung. In den Haushaltsjahren 2011 und 2012 wurde Olga im Rahmen des IGP von der für Gesundheit zuständigen Senatsverwaltung mit jeweils 208.259,88 € gefördert (Titel 68406). Zusätzlich standen Olga 2011 und 2012 jeweils 53.250 € aus dem Fraueninfrastrukturprogramm der Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen zur Verfügung (Titel 68332). Das Projekt subway in Trägerschaft des HILFE-FÜR-JUNGS e.V. berät männliche Prostituierte im Rahmen der aufsuchen- den Arbeit und hält Selbsthilfeangebote vor. Subway wurde in den Haushaltsjahren 2011 und 2012 mit jeweils 128.907,67 € im Rahmen des IGP von der für Gesundheit zuständigen Senatsverwaltung gefördert (Titel 68406). Darüber hinaus gibt es seit dem 1.9.2010 das Projekt „DIWA – Der individuelle Weg zur Alternative“ als dritten Standort des vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend geförderten Modellprojektes zur Unterstützung des Ausstiegs aus der Prostitution. DIWA wird von Goldnetz e.V. in Kooperation mit Gold- rausch e.V. KONTOUR und Hydra e.V. durchgeführt. Als Modellprojekt wird DIWA für vier Jahre über das Bun- desfrauenministerium gefördert, wobei eine Kofinanzie- rung durch die Senatsverwaltungen für Arbeit, Integration und Frauen sowie für Gesundheit und Soziales erfolgt. Des Weiteren existieren insbesondere im Bereich des Straßenstrichs rund um die Kurfürstenstraße unterschied- liche niedrigschwellige Angebote (aufsuchende Beratung, Suppenküche, Cafébetrieb etc.) verschiedenster Einrich- tungen (Kirchengemeinde, weltanschauliche Vereine, Projekte aus dem Suchtbereich). 5. Gibt es auf Senatsseite Kenntnis darüber, welche bezirklichen Einrichtungen mit welchen Mitteln finanziert bzw. unterstützt werden? Zu 5.: Als bezirkliche Einrichtungen bieten vier der insgesamt fünf Berliner Zentren für sexuelle Gesundheit und Familienplanung Beratung zu sexueller Gesundheit sowie Untersuchungen und ggf. die Behandlung von sexuell übertragbaren Krankheiten an. Die Zentren mit den Standorten Charlottenburg-Wilmersdorf, Friedrichs- hain-Kreuzberg, Marzahn-Hellersdorf und Mitte über- nehmen diese Aufgabe für alle Berliner Bezirke. Dem Senat sind darüber hinaus keine bezirklichen Einrichtungen bekannt. 6. Gibt es Schätzungen, wie viele Frauen als Zwangs- prostituierte arbeiten müssen und wenn ja, welche Zahlen liegen vor und aus welchen Ländern kommen die Frauen überwiegend? Zu 6.: Erkenntnisse zur Zwangsprostitution fließen in die bei den Fachkommissariaten beim Landeskriminalamt geführten Strafverfahren wegen Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung ein. Demnach wurden im Jahr 2011 in Berlin 79 Opfer des Menschenhandels registriert. Für 2012 liegt die Zahl der ermittelten Menschenhan- delsopfer in Berlin darunter. Die genaue Zahl ist aller- dings bisher durch das BKA nicht veröffentlicht und kann daher im Kontext dieser Kleinen Anfrage noch nicht bekannt gegeben werden. Die dabei nachweislich als Zwangsprostituierte fest- gestellten Frauen kamen überwiegend aus Deutschland, Bulgarien und Rumänien. Bundesweit ist ein Anstieg an selbständig arbeitenden bulgarischen und rumänischen Prostituierten zu verzeichnen, einhergehend mit entspre- chend steigenden Feststellungen im Bereich des Men- schenhandels zur sexuellen Ausbeutung. Die hier vorgelegten Zahlen bilden das Hellfeld ab. Expertinnen und Experten sind sich jedoch einig, dass Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung ein Delikt mit einem signifikanten Dunkelfeld ist. Berlin, den 24. Oktober 2013 In Vertretung Barbara L o t h _______________________ Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 01. Nov. 2013)