Drucksache 17 / 12 631 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Elke Breitenbach (LINKE) vom 06. September 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 10. September 2013) und Antwort Menschen unter rechtlicher Berufsbetreuung – wer kontrolliert hier eigentlich? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Menschen stehen in Berlin unter rechtli- cher Betreuung und für wie viele wurden Berufsbetreu- er/-innen bestellt (bitte Auflistung der letzten 5 Jahre)? Zu 1.: Zur Zahl der unter rechtlicher Betreuung ste- henden Menschen wird von den Gerichten keine Statistik geführt. Eine Sonderauswertung ist mit vertretbarem Aufwand nicht leistbar. Eine ungefähre Größenordnung kann aus der Zahl der anhängigen Betreuungsverfahren geschlussfolgert werden. Ein eingeleitetes Betreuungsver- fahren führt ganz überwiegend, keinesfalls aber stets zur Anordnung einer Betreuung. Die Entwicklung anhängiger Betreuungsverfahren stellt sich mit Stichtag jeweils 31.12. wie folgt dar: Anhängige Betreuungsverfahren (am Jahresende) für den Zeitraum 2008 - 2012: Jahr 2008 2009 2010 2011 2012 Betreuungsverfahren per 31.12. 57.404 58.375 58.245 56.316 56.371 Die Anzahl der bestellten Berufsbetreuer/-innen in anhängigen Verfahren stellt sich wie folgt dar: Jahr 2008 2009 2010 2011 2012 per 31.12. 28.184 32.191 34.728 35.805 36.391 Da Berufsbetreuerinnen und Berufsbetreuer auch in mehreren Verfahren eingesetzt werden können, lassen sich Rückschlüsse auf die statistische Verteilung nicht ziehen. 2. Wie viele Berufsbetreuer/-innen gibt es in Berlin? Zu 2.: Dem Senat liegen über die Gesamtanzahl der Berufsbetreuerinnen und Berufsbetreuer in Berlin keine statistischen Informationen vor. 3. Nach welchen Kriterien erfolgt eine Zulassung von Berufsbetreuer/-innen, über welche Qualifikationen müs- sen sie verfügen? 4. Gibt es definierte berufsrechtliche Zugangskriterien und wenn nein, sieht der Senat hier Handlungsbedarf und wie sollte dieser aussehen? Zu 3. und 4.: Aufgrund des gesetzlich normierten Vor- rangs der ehrenamtlichen Betreuerin/des ehrenamtlichen Betreuers hat der Bundesgesetzgeber keine fachlichen Mindeststandards für die fachliche Eignung als Betreue- rin/Betreuer festgelegt. Die fachliche Befähigung von Be- treuerinnen und Betreuern allgemein ist zu bejahen, wenn sie bereit und in der Lage sind, die sich aus dem Betreu- ungsrecht ergebenden Pflichten zu erfüllen (§§ 1901, 1908i in Verbindung mit § 1802 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), § 1908i in Verbindung mit §§ 1839 bis 1841 BGB). Ausschlusstatbestände ergeben sich aus § 1908i Abs. 1 Satz 1, § 1795 BGB und bei absehbarer erhebli- cher Interessenkollision (§ 1897 Abs. 5 BGB) kommt eine Bestellung ebenfalls nicht in Betracht. Für die Feststellung geeigneter Berufsbetreuerinnen und Berufsbetreuer können sich die Betreuungsrichterin- nen und Betreuungsrichter die Kenntnisse der Betreu- ungsbehörde nutzbar machen, da die Betreuungsbehörde auf entsprechende Aufforderung des Gerichts eine Person als Betreuerin/Betreuer vorschlägt und auch den Umfang der von einer Berufsbetreuerin/eines Berufsbetreuers geführten Betreuungen mitzuteilen hat. Wird eine Berufs- betreuerin/ein Berufsbetreuer erstmals in dem Bezirk eines Betreuungsgerichts zur Berufsbetreuerin/zum Be- rufsbetreuer bestellt, soll das Gericht zuvor zu ihrer/seiner Eignung und zu den Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 631 2 1 2. Alternative des Vormünder- und Betreuungsvergü- tungsgesetzes (VBVG) die Betreuungsbehörde anhören. Damit geht die Verpflichtung der Betreuungsbehörde einher, von der Bewerberin/dem Bewerber ein Führungs- zeugnis und eine Auskunft aus dem Schuldnerverzeichnis einzuholen. Wer als Berufsbetreuerin/Berufsbetreuer be- stellt wird, hat sich zudem gegenüber dem Betreuungsge- richt über Zahl und Umfang der von ihr/ihm berufsmäßig geführten Betreuungen zu erklären. Eine Fallobergrenze ist gesetzlich nicht geregelt. Entscheidend sind die kon- kreten Umstände der bereits geführten Betreuungen. Seit dem Jahr 2008 prüfen die Betreuungsbehörden in Berlin die Eignung einer Bewerberin/eines Bewerbers als Berufsbetreuerin/Berufsbetreuer in einem zwischen den Betreuungsbehörden abgestimmten Auswahlverfahren durch mindestens drei Leiterinnen bzw. Leiter von Be- treuungsbehörden. Die auf diesem Auswahlverfahren beruhenden Vorschläge der Betreuungsbehörden entfalten keine Bindungswirkung für das Gericht. Ob eine Betreu- ung berufsmäßig geführt wird, stellt das Betreuungsge- richt bei der Bestellung der Betreuerin/des Betreuers im Beschluss fest. Nach § 1 des VBVG hat das Betreuungs- gericht die Feststellung der Berufsmäßigkeit im Regelfall, wenn die Betreuerin/der Betreuer mehr als zehn Betreu- ungen führt, zu treffen oder wenn zu erwarten ist, dass der Betreuerin/dem Betreuer in absehbarer Zeit Betreuungen in diesem Umfang übertragen sein werden. In den Jahren 2009 bis 2011 hat eine interdisziplinär besetzte Arbeitsgruppe zum Betreuungsrecht unter Vor- sitz des Bundesministeriums der Justiz und Beteiligung aller Länder und im Betreuungsverfahren beteiligten Professionen die Weiterentwicklung des Betreuungsrechts beraten. Die durch die Arbeitsgruppe erarbeiteten Vor- schläge sind in das Gesetz zur Stärkung der Funktionen der Betreuungsbehörde vom 28. August 2013 (BGBl. I 3393) eingeflossen. Mit diesem Gesetz sollen die Funkti- onen der Betreuungsbehörden gestärkt und den Betroffe- nen andere Hilfen besser aufgezeigt, vermittelt und damit dazu beigetragen werden, die Bestellung einer/eines rechtlichen Betreuerin/Betreuers - soweit möglich - zu vermeiden. Die Wirkungen dieses am 1. Juli 2014 in Kraft tretenden Gesetzes sollen zunächst evaluiert wer- den. Weiteren Handlungsbedarf sieht der Senat derzeit nicht. 5. Wie viele Menschen hat in Berlin ein/e Berufsbe- treuer/-in durchschnittlich zu betreuen? Zu 5.: Statistische Erhebungen hierüber liegen nicht vor. Eine Sonderauswertung ist mit vertretbarem Auf- wand nicht leistbar. 6. Ist dem Senat bekannt, dass es Berufsbetreuer/- innen gibt, die die Verantwortung für über 100 Betreute zeitgleich haben und hält er dies für zielführend? Wenn ja, unter welchen Bedingungen? Zu 6.: Statistisches Datenmaterial ist zu der Frage, wie viele Betreuungen von Berufsbetreuerinnen bzw. Berufs- betreuern gleichzeitig geführt werden, nicht vorhanden. Eine Sonderauswertung ist mit vertretbarem Aufwand nicht leistbar. 7. Wie und durch wen erfolgt die Kontrolle der Arbeit der Berufsbetreuer/-innen? Zu 7.: Das Betreuungsgericht beaufsichtigt die Arbeit der Berufsbetreuerinnen bzw. Berufsbetreuer. Die Betreu- erin/der Betreuer hat Mitteilungspflichten, Auskunfts- pflichten sowie Pflichten zur jährlichen Berichterstattung und Rechnungslegung. Berufsbetreuerinnen bzw. Berufs- betreuer kann das Gericht auch aufgeben, einen Betreu- ungsplan zu erstellen. Bei Verstößen gegen seine Pflich- ten kann das Betreuungsgericht aufsichtsrechtliche Maß- nahmen (Gebote und Weisungen) erteilen. Sind diese nicht ausreichend, kann die Betreuerin bzw. der Betreuer nach § 1908b BGB durch die Betreuungsrichterin/den Betreuungsrichter entlassen werden. 8. Wie viele Rechtspfleger/-innen sind mit der gericht- lichen Kontrolle befasst und wie viele Verfahren hat hier durchschnittlich ein/e Rechtspfleger/-in im Jahr zu leis- ten? Zu 8.: In Betreuungssachen waren im Jahr 2012 durchschnittlich etwa 54 Rechtspflegerinnen und Rechts- pfleger mit Betreuungssachen befasst. Rechnerisch entfie- len im Jahr 2012 auf jede Rechtspflegerin und jeden Rechtspfleger im Durchschnitt ca. 1.040 anhängige Be- treuungsverfahren. 9. Was hat der Senat unternommen bzw. was will und wird der Senat unternehmen, um die Transparenz in der Umsetzung der Berufsbetreuung zu erhöhen? Zu 9.: Der Senat stellt über seinen Internetauftritt zu der Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz, dort unter der Rubrik Gerichte und Amtsgerichte, die Aufgaben der Betreuungsgerichte dar. Die Senatsverwal- tung für Gesundheit und Soziales, die für die Anerken- nung und Förderung von Betreuungsvereinen zuständig ist, stellt ebenfalls auf ihrer Internetseite Informationen zu diesen bereit und verweist zudem auf die Interessenge- meinschaft der Berliner Betreuungsvereine, die weitere Informationen bereit hält. Internetauftritte der Bezirksäm- ter geben unter der Rubrik „Betreuungsamt“ weitere Informationen , unter der Rubrik „häufig gestellte Fragen an die Betreuungsbehörde“ auch zu dem Thema „Wie werde ich Berufsbetreuer“. Für konkretere Nachfragen stehen die Betreuungsbehörden zur Verfügung. Schließlich stel- len der Bundesverband der Berufsbetreuer/innen e. V. wie auch der Bundesverband freier Berufsbetreuer e. V. um- fängliche Informationen bereit. Berlin, den 02. Oktober 2013 In Vertretung Sabine Toepfer-Kataw Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. Okt. 2013)