Drucksache 17 / 12 637 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Fabio Reinhardt (PIRATEN) vom 09. September 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. September 2013) und Antwort »Show me around« - Gruppenvorführungen vor Botschaftsdelegationen zum Zwecke der Papierbeschaffung und Abschiebung Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Einen „Abschiebeknast“ im Land Berlin gibt es nicht. Es wird daher davon ausgegangen, dass die im Land Ber- lin bestehende Abschiebungsgewahrsamseinrichtung Ge- genstand der Kleinen Anfrage ist. 1. Auf welchen Wegen beschafft die Ausländerbe- hörde Berlin Passersatzpapiere zum Zweck der Abschie- bung von ausreisepflichtigen, ausländischen Staatsange- hörigen (Passanträge unterschreiben lassen, Vorführungen bei Botschaften und/oder Auslandsdelegationen von Ein- zelpersonen/Gruppen, Vorladungen bzw. Vorführungen bei bundesweiten Sammelanhörungen, bitte abschließend ergänzen)? a. Welche Behörden und Dienststellen sind daran jeweils beteiligt? b. Warum wurde die jeweilige Art und Weise gewählt (bitte einzeln aufschlüsseln)? Zu 1.: Die Beschaffung von Passersatzpapieren vari- iert je nach Herkunftsstaat der betroffenen Personen. In der Regel wird ein unterschriebener Passantrag mit Licht- bildern und gegebenenfalls Fingerabdrücken der Be- troffenen an die zuständige Botschaft übersandt. Einige Staaten verlangen auch die Abgabe einer Freiwilligkeits- erklärung durch die betroffenen ausländischen Staatsan- gehörigen. Sofern entsprechende Rückübernahmeab- kommen geschlossen wurden, wird ein Rückübernahme- ersuchen an den aufnehmenden Staat gerichtet. Die Liste dieser Staaten ist den Verfahrenshinweisen der Auslän- derbehörde Berlin unter A.58.s.1 http://www.berlin.de/formularserver/formular.php?157323 zu entnehmen. Sofern es die Verfahrensregeln der zuständigen Bot- schaften vorsehen, erfolgen im Einzelfall Vorführungen bei Botschaften bzw. Auslandsdelegationen oder auch bei bundesweiten Sammelanhörungen. Zu a.) Von deutscher Seite sind in der Regel die Aus- länderbehörde, die Berliner Polizei und/oder die Bundes- polizei beteiligt. Für ausreisepflichtige passlose Auslände- rinnen und Ausländer aus Benin, Burkina Faso, Burundi, Côte d'Ivoire, Gambia, Ghana, Guinea, Guinea-Bissau, Liberia, Mali, Mauretanien, Niger, Nigeria, Senegal, Sierra Leone, Sudan, Togo, Uganda und Vietnam erfolgt die Passbeschaffung ausschließlich durch die Bundespoli- zei. Zu b.) Das Verfahren gibt die jeweilige Botschaft vor bzw. richtet sich nach den gegebenenfalls geschlossenen Rückübernahmeabkommen. 2. Kamen in den Jahren seit 2010 zur Identitätsfest- stellung und/oder Papierbeschaffung auch Mitarbeiter_in- nen von Auslandsvertretungen in den Berliner Abschie- beknast? Wenn ja, aus welchen Ländern und wie oft (bitte nach Anzahl der Besuche pro Jahr und pro Land auf- schlüsseln)? Zu 2.: Seit dem Jahr 2010 kamen ausschließlich Dele- gationen aus Vietnam in den Abschiebungsgewahrsam. Die gewünschte Aufschlüsselung ist der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen. Jahr Besuche 2010 4 2011 5 2012 2 2013* 4 * bis 13.09.2013 3. Wie oft kamen seit 2010 Mitarbeiter_innen der vi- etnamesischen Botschaft zur Identitätsfeststellung und/o- der Passersatzpapierbeschaffung in den Berliner Abschie- beknast (bitte nach Datum und Anzahl der betroffenen Inhaftierten aufschlüsseln)? Wurden dabei auch Finger- abdrücke abgenommen? Wenn ja, warum und durch wen? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 637 2 Zu 3.: Seit 2010 wurden insgesamt 250 Personen einer vietnamesischen Delegation im Abschiebungsgewahrsam vorgestellt. Datum Personen Fingerabdrücke 18.01.2010 21 Nein 28.05.2010 27 06.08.2010 28 05.11.2010 36 14.01.2011 23 01.04.2011 18 01.07.2011 5 16.09.2011 19 02.12.2011 10 16.03.2012 17 10.08.2012 10 23.01.2013 15 10.04.2013 8 26.06.2013 8 11.09.2013 5 4. Bei wie vielen bundesweiten Sammelvorführungen wurden seit 2010 ausreisepflichtige, ausländische Staats- angehörige aus Berlin vorgeladen oder vorgeführt (bitte nach Datum, Ort, an dem die Vorführung stattfand, Ziel- land der Abschiebung und Anzahl der jeweiligen vorge- führten Ausreisepflichtigen aufschlüsseln)? 5. War die Ausländerbehörde Berlin an der Organisa- tion derartiger Sammelvorführungen beteiligt? Wenn ja, bitte nach Umfang der jeweiligen Beteiligung, Datum, Zielland der Abschiebung, beteiligten Dienststellen und finanziellem Aufwand aufschlüsseln. Zu 4.und zu 5.: Die erbetenen Angaben werden statis- tisch nicht erfasst und können auch nicht mit einem ver- tretbaren Aufwand ermittelt werden. 6. Welche Gelder zahlten die Berliner Behörden in den Jahren seit 2010 im Rahmen der Passersatzausstel- lung an Auslandsvertretungen (bitte nach Gesamtbetrag pro Jahr sowie nach Reisekosten, Gebühren, Tagegeldern und sonstigen Zahlungen an die Auslandsvertretungen aufschlüsseln)? Zu 6.: Für Gebühren an Auslandsvertretungen im Zu- sammenhang mit der Beschaffung von Reisedokumenten wurden in den Jahren 2010 bis 2013 (hier bis einschließ- lich August) folgende Zahlungen geleistet: Jahr Gebühren 2010 9.961,76 € 2011 14.205,24 € 2012 10.361,16 € 2013 (bis einschließlich August) 9.923,35 € 7. Wie oft sind Mitarbeiter_innen der Berliner Aus- länderbehörde in den Jahren seit 2010 zum Zweck der Passersatzbeschaffung für ausreisepflichtige, ausländische Staatsangehörige ins Ausland gereist und wohin (bitte nach Jahr, Land und Anzahl der Mitarbeiter_innen auf- schlüsseln)? Welche Gründe machten solche Reisen not- wendig? Zu 7.: Auslandsreisen von Mitarbeiterinnen oder Mit- arbeitern der Ausländerbehörde im Rahmen der Passer- satzpapierbeschaffung fanden nicht statt und sind grund- sätzlich auch nicht vorgesehen. 8. Wie bewertet der Senat die derzeitige Praxis der Passersatzpapierbeschaffung zum Zweck der Abschie- bung von ausreisepflichtigen, ausländischen Staatsange- hörigen? Zu 8.: Die Passersatzpapierbeschaffung von Amts we- gen ist notwendig, weil viele Betroffenen bei der Passbe- schaffung nicht oder nicht hinreichend mitwirken. Das Verfahren richtet sich nach den Vorgaben der Botschaften bzw. den gegebenenfalls geschlossenen Rückübernahme- abkommen und ist nur bedingt beeinflussbar. Im Ergebnis ist festzustellen, dass die Beschaffung von Passersatzpa- pieren in vielen Fällen problematisch und verbesserungs- bedürftig ist. Berlin, den 02. Oktober 2013 Frank Henkel Senator für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 23. Okt. 2013)