Drucksache 17 / 12 642 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Christopher Lauer (PIRATEN) vom 10. September 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. September 2013) und Antwort Versenden von „Stillen SMS“ durch Berliner Sicherheitsbehörden Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Welche Berliner Landesbehörden sind derzeit technisch und rechtlich in der Lage, an Mobiltelefone „Stille SMS“ zum Ausforschen des Standortes ihrer Besitzer oder zum Erstellen von Bewegungsprofilen zu verschicken? 2. Wie oft ist es in den Jahren seit 2006 zum Versen- den „Stiller SMS“ zur heimlichen Lokalisierung von Mobiltelefonen gekommen? (Bitte eine Einzelauflistung nach Jahr. Wenn möglich auch für das erste Halbjahr 2013. Falls der Senat keine genauen Angaben machen kann, bitte Angaben über die ungefähre Größenordnung ihrer Anwendung machen.) Zu 1. und 2.: Die Polizei Berlin nutzt das Instrument der „Stillen SMS“ ausschließlich auf gesetzlicher Grundlage des § 100a der Strafprozessordnung (StPO). Das Versenden „Stiller SMS“ ist eine Einzelmaßnahme , die durch die Polizei Berlin im Rahmen richter- lich angeordneter Telekommunikationsüberwachungs- (TKÜ) Maßnahmen durchgeführt wird. Sie bedarf keiner gesonderten Einzelanordnung, kann mehrfach im Rahmen einer Telekommunikationsüberwachung erfolgen und wird deshalb für polizeistatistische Zwecke nicht erhoben. Die Statistiken über in Berlin durchgeführte Maßnah- men gem. § 100a StPO werden jährlich durch das Bun- desamt für Justiz veröffentlicht. Aufgrund der zurückliegenden Thematisierung und Forderung nach mehr Transparenz hat die Polizei Berlin das nachfolgende Mengengerüst über Abrechnungsunter- lagen für diesen Dienst abgeleitet. Rückschlüsse auf Einzelverfahren sind hierüber nicht möglich. Anzahl der durch die Polizei Berlin versendeten „Stillen SMS“ 2006: 145.927 2007: 155.500 2008: 80.318 2009: 82.224 2010: 92.213 2011: 65.145 2012: 145.666 2013 (1. Hj.): 122.098 Der Berliner Verfassungsschutz verfügt nicht über die technische Möglichkeit zur Versendung sogenannter ‚Stiller SMS’. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 der Kleinen Anfrage Nr. 17/10004 der Abgeordneten Seelig vom 07. November 2011 verwiesen. 3. Auf wie viele Personen verteilten sich die unter 1. genannten „Ortungsimpulse“ in den Jahren seit 2006 jeweils? (Bitte nach Jahren aufschlüsseln. Falls der Senat keine genauen Angaben machen kann, bitte Angaben über die ungefähre Größenordnung machen.) Zu 3.: Rückschlüsse auf Einzelverfahren und Zuord- nungen zu Personen sind nicht möglich (siehe auch Ant- wort zu Frage 2.). Schätzungen werden unter Berufung auf eine fehlende Belegbarkeit nicht abgegeben. 4. Mit welchen Anwendungen (Hard- und Software) welcher Hersteller werden die „Stillen SMS“ gegenwärtig versandt, und welche Änderungen haben sich hierzu in den letzten Jahren ergeben? Zu 4.: Die Polizei Berlin hat die Funktionalität „Versenden von Stillen SMS“ 2005 in die polizeieigene TKÜAnlage des Herstellers SYBORG implementiert. Ände- rungen haben sich in den letzten Jahren nicht ergeben. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 642 2 5. Welche Landesbehörden haben die unter 1. genannten „Ortungsimpulse“ in den Jahren seit 2006 durchgeführt wie oft und durch wen? Zu. 5.: Die unter 2. bezifferten „Stillen SMS“ sind durch die Polizei Berlin veranlasst und über den jeweiligen Netzbetreiber umgesetzt worden. 6. Bei welchen Kriminalitätsphänomenen wurden die unter 1. genannten „Ortungsimpulse“ in den letzten Jahren seit 2006 durchgeführt? Zu 6.: Rückschlüsse auf Einzelverfahren und Zuordnung zu Kriminalitätsphänomenen sind nicht möglich (siehe auch Antwort zu Frage 2.). Der Einsatz der „Stillen SMS“ ist ausschließlich bei Straftaten zulässig, die in § 100a StPO aufgeführt sind. 7. Hat der Senat mittlerweile (vgl. Kleine Anfrage 17/10004, Antwort zu Frage 6.) Maßnahmen ergriffen, um eine Anhebung oder Präzisierung der Eingriffsschwelle und die Entwicklung strengerer Kriterien für die Anordnung, Durchführung und Protokollierung der „Stillen SMS“ zu erreichen? a) Wenn ja, wie sehen diese aus? b) Wenn nein, warum nicht? Zu 7.: Der Senat hält die rechtlichen Hürden und Anordnungskompetenzen zur Versendung von „Stillen SMS“ sowohl für die Zwecke der Strafverfolgung als auch für nachrichtendienstliche Maßnahmen für angemessen. Es gibt daher derzeit keine Bestrebungen, die auf eine Anhebung der Eingriffsschwelle bzw. strengere Kriterien für die Anordnung, Durchführung oder Protokollierung der Maßnahme abzielen. Der Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, der die Anwendung bei der Polizei Berlin regelmäßig hinterfragt und in seinem Jahresbericht 2012 bewertet hat, kommt im Übrigen in seinem Ergebnis zu keiner Beanstandung. 8. Falls die Einzelmaßnahme „Stille SMS“ für (polizei -) statistische Zwecke immer noch nicht in einer Form erhoben wird, dass die genauen Zahlen und Fakten im Rahmen von Kleinen Anfragen etc. derart abgerufen werden können, dass diese in Kürze und mit dem jeweils gerechtfertigten Umfang an die jeweiligen Fragesteller*in (Abgeordnete, Bürger*innen etc.) herausgegeben werden können: Ist der Senat nicht der Ansicht, dass sich dies ändern muss, um den Anspruch einer transparenten Arbeit von Sicherheitsbehörden gerecht zu werden? a) Wenn ja, hat der Senat bereits Maßnahmen ergriffen, um eine Verbesserung herbeizuführen? b) Wenn nein, wie sollen Bürger*innen und/oder Abgeordnete Vorgänge bei den Sicherheitsbehörden bewerten, wenn auf Anfrage bestimmte Fakten nicht abgerufen werden können? Zu 8.: Siehe Antwort zu 2. und 7. Berlin, den 02. Oktober 2013 Frank Henkel Senator für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. Okt. 2013)