Drucksache 17 / 12 671 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Katrin Lompscher (LINKE) vom 16. September 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 19. September 2013) und Antwort Neue Regelungen zur Wohnungsgröße für Personen mit Wohnberechtigungsschein Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Bis wann galt die wieder eingeführte Rege- lung zur Festlegung der Wohnungsgröße bei Belegung einer Wohnung mit Wohnberechtigungsschein (WBS) und aus welchen Gründen wurde sie seinerzeit geändert? Antwort zu 1: Die wiedereingeführte Kopf-/Raum- zahlregelung galt bis 1990. Sie wurde 1990 und in den Folgejahren aufgrund der damaligen Berliner Woh- nungsmarktsituation abgeändert. Es herrschte ein uner- wünschter großer Leerstand bei Mietwohnungen des gebundenen Wohnungsbestandes, der mit der „Freistellung von Wohnungsbindungen für Wohnungen bestimm- ter Art“ beseitigt werden sollte. Dieser Zweck ist erreicht worden, da die gebundenen Wohnungen verstärkt nachge- fragt und wiedervermietet worden sind. Frage 2: Welche Gründe hat der Senat jetzt gesehen, zu der alten Regelung zurückzukehren? Antwort zu 2: Infolge der in der Stadt heute stärker angespannten Wohnungsmarktlage und der Mietpreisent- wicklung muss angesichts der steigenden WBS- Bewerberzahlen angenommen werden, dass nunmehr auch diejenigen einen WBS beantragen, die bisher trotz bestehender Wohnberechtigung die Angebote des freien Wohnungsmarktes in Anspruch genommen haben. So stieg von 2011 bis 2012 der WBS-Bewerberstand von 14.725 auf 20.599 um ca. 40 Prozent. Überdies wird sich voraussichtlich bis 2023 die Zahl der Sozialmietwohnun- gen wegen Auslaufens der Bindungen um ca. 42.000 auf rd. 100.900 reduzieren. Aufgrund des Rückganges des Bestandes an belegungsgebundenen Wohnungen und der aktuellen sowie der zu erwartenden steigenden Nachfrage im Zusammenhang mit dem prognostizierten Bevölke- rungszuwachs hat der Senat die alte Regelung wieder eingeführt. Frage 3: Wie werden vom Senat halbe Zimmer (be- züglich Abgeschlossenheit und Größe) definiert? Antwort zu 3: Halbe Zimmer haben eine Größe von mindestens 6 m² und weniger als 10 m² und eine Min- destbreite von 2,10 m. Sie besitzen mindestens ein Au- ßenfenster und eine Tür. Frage 4: Wie viele 1-Zimmer-Wohnungen, 1½- Zimmer-Wohnungen, 2-Zimmer-Wohnungen bis 50 m², 3-Zimmer-Wohnungen bis zu 60 m² gibt es in Berlin? Antwort zu 4: Genaue Zahlen dazu liegen dem Senat nur für die Sozialmietwohnungen und die Wohnungen vor, die unter das Belegungsbindungsgesetz (BelBindG) fallen, nicht jedoch für den nicht preisgebundenen Miet- wohnungsbestand. Anzahl der 1, 1½ und 2 Zimmerwohnungen bis 50 m²: Sozialmietwohnungen: 29.005 BelBindG-Wohnungen: 33.832 insgesamt: 62.837 Anzahl 3-Zimmerwohnungen bis 60 m²: Sozialmietwohnungen: 55 BelBindG-Wohnungen: 10.533 insgesamt: 10.588 Frage 5: Wie unterscheiden sich die neuen Vorgaben für den WBS-Bezug von den Regelungen bezüglich unzu- reichender Wohnverhältnisse laut WBS und den Ange- messenheitsgrenzen in der Wohnaufwendungenverord- nung (WAV) und im Mietenbündnis? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 671 2 Antwort zu 5: Mit der wieder eingeführten Kopf- /Raumzahlregel wird die Wohnungsgröße, die die Wohn- berechtigten grundsätzlich beanspruchen können, nach der Raum- bzw. Zimmerzahl (nicht nach der Fläche) definiert. Die Wohnfläche ist nur untergeordnet – hinsichtlich der halben Zimmer – von Belang. Für einen 1- Personenhaushalt ist es sowohl möglich, eine 1-Zim- merwohnung mit einer Fläche von 35 m² zu beziehen, als auch eine größere 1-Zimmerwohnung, sofern diese dem gebundenen Wohnungsbestand zuzurechnen ist. Die Raumzahldefinition gilt auch für die im Mieten- bündnis vereinbarten Regelungen, wobei diejenigen, die noch einen gültigen WBS besitzen (Gültigkeitsdauer 1 Jahr), berechtigt sind, eine Wohnung mit der darauf zuer- kannten Größe zu beziehen. D. h., eine Person kann eine 2-Zimmerwohnung bis 50 m² oder eine 1 ½-Zimmer- wohnung (ohne Flächenbegrenzung) bei Vorlage eines (noch gültigen) WBS beanspruchen. Für die Anerkennung eines besonderen Wohnbedarfs sind weiterhin die im März 2012 veröffentlichten Merk- male, auch hinsichtlich der Wohnungsgröße, maßgebend. Hiernach erfüllt ein 2-Personenhaushalt, dem nicht min- destens eine Wohnung mit 45 m² zur Verfügung steht, die Voraussetzungen für den sogenannten „WBS mit besonderem Wohnbedarf“. Somit eröffnet sich für diesen Haushalt der Zugang zu den Besetzungsrechtswohnungen, die von Inhaberinnen und Inhabern eines einfachen WBS nicht bezogen werden dürfen. So steht es dem genannten 2-Personenhaushalt frei, ggf. die aktuell genutzten Wohn- räume (< 45 m²) gegen eine 2-Zimmerbesetzungsrechts- wohnung (ohne Flächenbegrenzung) einzutauschen, so- fern eine solche Wohnung frei wird. Die Option für den besonderen Markzugang zu den Besetzungsrechtswoh- nungen soll bezüglich der „unzureichenden Wohnverhältnisse “ aufgrund der unterschiedlichen persönlichen Wohnraumerfordernisse der 2- und Mehrpersonenhaus- halte bewahrt werden. In den Vorschriften der WAV wird die Höhe der an- gemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestimmt, wobei die darin ausgewiesene Wohnungsgröße abstrakt für die Berechnung bzw. Feststellung der Wohn- kosten, die bezuschusst werden sollen, dient. Für die Bezugsberechtigung einer Sozial- oder belegungsgebun- denen Wohnung ist die in der WAV angegebene Woh- nungsgröße unerheblich, zumal nicht ausschließlich Wohnungssuchende mit Anspruch auf Leistungen nach den Sozialgesetzbüchern zu den Wohnberechtigten (WBS-Inhaberninnen und Inhabern) zählen, sondern auch Erwerbstätige oder Rentnerinnen und Rentner, die ihre Mietkosten selbst begleichen. Frage 6: Wie werden die neuen Regelungen mit den Wohnraumförderkriterien der alten Förderprogramme des Sozialen Wohnungsbaus abgeglichen? Antwort zu 6: Die wieder aktivierte Regelung gilt für den gebundenen Wohnungsbestand. D. h., sowohl für die Sozialwohnungen (im Ost- und Westteil der Stadt) als auch für die BelBindG-Wohnungen (nur im Ostteil der Stadt). Seit 1998 sind in Berlin keine neuen Mietwohnun- gen öffentlich gefördert worden. Frage 7: Wie viele WBS-berechtigte Haushalte in Ber- lin sind 1-Personen-Haushalte, wie viele 2-Personen- Haushalte und wie viele Mehrpersonen-Haushalte (bitte in absoluten Zahlen und in Prozenten)? Antwort zu 7: Haushalte 1 PH 2 PH 3 PH 4 PH u. m. alle HH WBS-berechtigt 688.400 255.000 93.400 87.000 1.123.800 Anteil 62 % 43 % 50 % 57 % 55 % Gesamtzahl 1.102.700 588.000 186.400 153.300 2.030.400 Quelle: Mikrozensus 2012 Frage 8: Wie viele der Haushalte, die im letzten Jahre einen WBS erhalten haben, sind 1-Personen-Haushalte, wie viele 2-Personen-Haushalte und wie viele Mehrper- sonenhaushalte (bitte in absoluten Zahlen und in Prozen- ten)? Antwort zu 8: Die im Jahr 2012 erteilten Wohnberech- tigungsscheine verteilten sich wie folgt auf die Haushalts- größen der Antragsteller: 1-Personenhaushalte 12.463 60,5 % 2-Personenhaushalte 3.847 18,7 % 3- und Mehrpersonen- haushalte 4.289 20,8 % Frage 9: Wie soll der Bedarf an geeignetem Wohn- raum von 1-Personen-Haushalten mit WBS bzw. an- spruchsberechtigten 1-Personen-Haushalten abgedeckt werden, wenn 2-Personen-Haushalte auch auf 1½ -Zim- mer-Wohnungen oder 2-Zimmer-Wohnungen mit weniger als 50 m² verwiesen werden können? Antwort zu 9: Es ist im Sinne aller Wohnberechtigten nicht nur erforderlich, den Bedarf von 1-Personenhaus- halten, sondern auch den der 2- und Mehrpersonenhaus- halte abzudecken. Hierzu zählen nicht zuletzt auch Al- leinerziehende (Mütter oder Väter mit Kind/Kindern), die oftmals aus einer Notlage heraus mit Wohnraum versorgt werden müssen. Angesichts der Knappheit der zur Verfü- gung stehenden Ressourcen ist es daher dringend geboten, die zur Vermietung angebotenen Wohnungen des gebun- denen Bestandes vorrangig denen zu überlassen, deren Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 671 3 Bedürftigkeit am größten ist. Auch wenn unter den WBS- Inhaberinnen und Inhabern Singlehaushalte quantitativ die Mehrzahl bilden, ist es angesichts der aktuellen Woh- nungsmarktlage und des gebundenen Wohnungsbestandes sozial nicht gerechtfertigt, diese Personengruppe gegen- über den Mehrpersonenhaushalten durch Vergabe groß- räumiger Wohnungen (z. B. 1 ½ Zimmerwohnung mit einer Fläche von 55 m² und größer) besser zu stellen, da auch die anderen Berechtigungsgruppen auf eine ange- messene Versorgung mit Wohnraum angewiesen sind. Frage 10: Gilt für ältere Personen über 65 Jahre auch der Grundsatz „1 Person in eine 1-Zimmer-Wohnung, 2 Personen in eine 1½- oder 2-Zimmer-Wohnung “, und wenn ja, warum wird nicht der besondere Wohnraumbe- darf Älterer gewürdigt? Antwort 10: Die wieder aktivierte Kopf-/Raumzahl- regelung ist nicht altersabhängig. Sie gilt auch für Perso- nen über 65 Jahre. Allerdings hat diese Personengruppe bei Aufgabe einer unterbelegten Mietwohnung (Raumzahl > Personenzahl) Anspruch auf einen „WBS mit besonderen Wohnbedarf“, der den Bezug einer Besetzungsrechtswohnung rechtfertigt. Auch bei erheblicher Miet- steigerung der bewohnten Wohnung (wenn sich die Net- tokaltmiete um mehr als 15 % erhöht und mindestens 5,50 €/m² nettokalt beträgt) sind für Personen über 65 Jahre die Voraussetzungen für den „besonderen Wohnbedarf“ erfüllt . Darüber hinaus kann auf Antrag zusätzlicher Wohn- raum zuerkannt werden, wenn persönliche Bedürfnisse des Wohnungssuchenden oder seiner Haushaltsangehöri- gen einen Mehrraum unbedingt erforderlich machen und eine angemessene Wohnungsversorgung ohne diesen Raum nicht gegeben ist (z. B. bei Rollstuhlbenutzerinnen und Rollstuhlbenutzern, Blinden, Heimdialysepatienten o. ä.). Frage 11: In welchem Zeitraum beabsichtigt der Senat die Regelung auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen, um auf einen etwaigen Engpass bei Kleinstwohnungen für Ein- Personen-Haushalte oder einen deutlich erhöhten Verwal- tungsaufwand zur individuellen Prüfung des Wohnbedarfs von Haushalten zu reagieren? Antwort 11: Bis Oktober 2014 wirken noch die vorhe- rigen Bestimmungen nach, weil die bereits vor Inkrafttre- ten der Kopf-/Raumzahlregelung ausgestellten WBS eine Gültigkeit von bis zu einem Jahr haben. Die Wirkung der Neuregelung kann somit erstmals ab 4. Quartal 2014 analysiert werden. Berlin, den 11. Oktober 2013 In Vertretung Ephraim G o t h e ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 28. Okt. 2013)