Drucksache 17 / 12 678 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Martin Delius (PIRATEN) vom 23. September 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 24. September 2013) und Antwort Rechts- und Fachaufsicht über Berliner Schulen in freier Trägerschaft Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. In welchen Verordnungen, Anweisungen oder Rundschreiben wurde die Rechts- und Fachaufsicht über Berliner Schulen in freier Trägerschaft ergänzend zu den §§ 105 und 106 SchulG geregelt bzw. ausgestaltet? Zu 1.: Gemäß Art. 7 Absatz 1 Grundgesetz, § 105 Ab- satz 1 Schulgesetz untersteht das gesamte Schulwesen der staatlichen Aufsicht (Schulaufsicht). Die Schulaufsicht wird von der für das Schulwesen zuständigen Senatsver- waltung (Schulaufsichtsbehörde) ausgeübt. Die Schulaufsichtsbehörde übt die fachliche Aufsicht (Rechts- und Fachaufsicht) nach § 105 Absatz 2 Satz 1 in Verbindung mit § 106 Schulgesetz lediglich über die öffentlichen Schulen aus. Öffentliche Schulen sind gemäß § 6 Absatz 2 Satz 2 Schulgesetz Schulen, deren Träger das Land Berlin ist. Die Aufsicht über die Schulen in freier Trägerschaft richtet sich hingegen nach § 95 Absatz 2 Schulgesetz. Danach unterstehen auch die Schulen in freier Träger- schaft der Aufsicht der Schulaufsichtsbehörde. Diese Aufsicht beschränkt sich jedoch auf die Einhaltung der Genehmigungs- und Anerkennungsvoraussetzungen (§§ 98, 100 und 103 Schulgesetz) und der in § 95 Absatz 4 Schulgesetz für anwendbar erklärten Vorschriften sowie die Auf-sicht über Ergänzungsschulen gemäß § 102 Ab- satz 2 und 3 Schulgesetz. Diese begrenzte Schulaufsicht über Schulen in freier Trägerschaft ist unmittelbare Folge des durch Art. 7 Ab- satz 4 Grundgesetz gewährleisteten Grundrechts auf Gründung von privaten Schulen. Neben den schulgesetzlichen Bestimmungen konkreti- siert die „Zweite Durchführungsverordnung zum Gesetz über die Privatschulen und den Privatunterricht (Privat- schulgesetz)“ vom 9. Dezember 1959 (Gesetz- und Verordnungsblatt (GVBl.) S. 1223), in der Fassung vom 22. Oktober 1965 (GVBl. S. 1663) und vom 11. Juli 1974 (GVBl. S. 1537, 1550), An-forderungen insbesondere an die Genehmigungsvoraussetzungen für Ersatzschulen in freier Trägerschaft. Weitere ergänzende Verordnungen, Verwaltungsvor- schriften oder Rundschreiben zur Ausgestaltung der Schulaufsicht über Schulen in freier Trägerschaft gibt es nicht. 2. Wie wird die Rechts- und Fachaufsicht über Berli- ner Schulen in freier Trägerschaft nach welchen Kriterien konkret ausgeübt? Zu 2.: Die Schulaufsicht über die Schulen in freier Trägerschaft wird konkret gemäß der in § 95 Absatz 2 Schulgesetz genannten Kriterien ausgeübt. 3. Wer führt die Rechts- und Fachaufsicht in welchen zeitlichen Abständen durch? Zu 3.: Die Schulaufsicht über die Ersatzschulen in freier Trägerschaft übt die regionale Schulaufsicht aus, die auch die Aufsicht über die öffentlichen Schulen führt. Zuständig ist die regionale Schulaufsicht, in deren Auf- sichtsbereich (Bezirk) die jeweilige Schule in freier Trä- gerschaft liegt. Fragen der Genehmigung und Anerkennung von Er- satzschulen in freier Trägerschaft bzw. deren Aufhebung einschließlich ihrer Finanzierung werden zentral in der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft bearbeitet. Die Schulaufsicht erfolgt kontinuierlich; zeitliche Ab- stände wären mit einer effektiven Aus-übung der Schul- aufsicht über die Schulen in freier Trägerschaft nicht vereinbar. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 678 2 4. Wird bei der Ausübung der Fach- und Rechtsauf- sicht auch die Eignung und die Qualifikation des Lehr- und Betreuungspersonals geprüft? Zu 4.: Gemäß § 98 Absatz 5 Schulgesetz bedürfen die Lehrkräfte zur Ausübung ihrer Tätigkeit an Schulen in freier Trägerschaft der Genehmigung durch die Schulauf- sichtsbehörde (Unterrichtsgenehmigung). Die Unter- richtsgenehmigung ist dem privaten Schulträger zu ertei- len, wenn die Lehrkraft die in § 98 Absatz 3 Nr. 2 Schul- gesetz genannte fachliche Eignung erfüllt und die erfor- derliche persönliche Eignung besitzt. Für die Überprüfung der persönlichen Eignung wer- den Maßstäbe zu Grunde gelegt, die den Maßstäben an den öffentlichen Schulen entsprechen. Die Lehrkräfte müssen eine wissenschaftliche Ausbildung und Prüfung nachweisen, die hinter der Ausbildung der Lehrkräfte an öffentlichen Schulen nicht zurücksteht, oder die wissen- schaftliche und pädagogische Eignung durch gleichwerti- ge freie Leistungen nachweisen. Grundsätzlich wird eine Ausbildung nach dem Lehrerbildungsgesetz verlangt; für einen Einsatz als Lehrkraft an Fach- und Berufsfachschu- len kommt auch eine vergleichbare abgeschlossene uni- versitäre Ausbildung (mindestens Master oder Diplom in dem zu unterrichtenden Fach) in Betracht. Die Anerkennung gleichwertiger freier Leistungen im Sinne der schulrechtlichen Bestimmungen ist stets eine Einzelfallentscheidung. Dabei wird geprüft, ob die vor- handene fachliche bzw. wissenschaftliche Ausbildung sowie die ausgeübten Tätigkeiten als Ersatz für die an sich erforderliche lehramtsbezogene Ausbildung und Prüfung angesehen werden können. Diese Leistungen müssen hinsichtlich der Qualität und ihrer Dauer geeignet sein, als Ersatz anerkannt zu werden. Gegebenenfalls wird die Unterrichtsgenehmigung gemäß § 98 Absatz 5 Satz 3 Schulgesetz zunächst auch nur befristet erteilt, wenn die fachliche Eignung durch gleichwertige Leistungen nach- gewiesen werden soll. In diesem Fall schließt sich vor Ablauf der Befristung ein schulaufsichtlicher Unterrichts- besuch an, der in der Regel Grundlage für die endgültige Entscheidung über die Erteilung der Unterrichts- genehmigung ist. 5. Wenn ja: Ist in den letzten 10 Schuljahren die Eig- nung des Lehr- und Betreuungspersonals an Schulen in freier Trägerschaft im Land Berlin beanstandet worden? 6. Wenn ja, wie viele Beanstandungen gab es in den letzten 10 Schuljahren und welche Schulen waren davon betroffen? Zu 5. und 6.: Eine statistische Erfassung erfolgt seit dem Jahr 2011 lediglich für den Bereich der beruflichen Schulen in freier Trägerschaft. 2011: 1.388 Anträge auf Unterrichtsgenehmigung, davon 146 Ablehnungen (10%) 2012: 1.433 Anträge auf Unterrichtsgenehmigung, davon 224 Ablehnungen (15%) 2013: 1.151 Anträge auf Unterrichtsgenehmigung, davon 160 Ablehnungen (bisher 14%) 7. Gab es in den letzten 10 Jahren Misshandlungs- vorwürfe gegen das Lehr- oder Betreuungspersonal der Schulen in freier Trägerschaft? 8. Wenn ja, wie viele Vorwürfe sind dem Land Berlin bekannt geworden und wie häufig haben sich diese Vor- würfe als berechtigt herausgestellt und welche Konse- quenzen ergaben sich aus den berechtigten Vorwürfen ? Zu 7. und 8.: Misshandlungsvorwürfe gegen aktives Lehr- oder Betreuungspersonal an Schulen in freier Trä- gerschaft sind der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft in den letzten 10 Jahren nicht bekannt geworden. Mit dem Inkrafttreten des 5. Gesetzes zur Änderung des Bundeszentralregistergesetzes vom 16. Juli 2009 (§§ 30a, 31 BZRG) am 1. Mai 2010 wurde für Schulen in freier Trägerschaft bei Unterrichtsgenehmigungen und Schulgenehmigungen die Vorlage eines erweiterten Füh- rungszeugnisses für alle Beschäftigten eingeführt. 9. Welche Senatsverwaltungen, welche Abteilungen und welche weiteren Stellen waren an der Beantwortung dieser Kleinen Anfrage beteiligt? 10. Haben Sie noch etwas hinzuzufügen? Zu 9. und 10.: Zuständig für die Bearbeitung ist der Senat, vertreten durch die federführende Senatsverwal- tung für Bildung, Jugend und Wissenschaft. Berlin, den 10. Oktober 2013 In Vertretung Dr. Knut Nevermann Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. Okt. 2013)