Drucksache 17 / 12 687 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Tom Schreiber (SPD) vom 18. September 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 27. September 2013) und Antwort Medizinische Grundversorgung in Treptow-Köpenick Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: Für die Beantwortung der Fragen wurde, soweit dies erforderlich und möglich war, die Kassenärztliche Ver- einigung Berlin (KV Berlin), um eine Stellungnahme gebeten. 1. Wie schätzt der Senat die medizinische Grundversorgung in Treptow-Köpenick und besonders in Köpenick ein? Zu 1.: Die KV Berlin schätzt die medizinische Grund- versorgung in Berlin im Allgemeinen und im Bezirk Treptow-Köpenick im Besonderen als sehr gut ein. Hin- sichtlich der medizinischen Versorgung im Ortsteil Köpe- nick kann die KV Berlin keine Aussage treffen (vgl. hier- zu Antwort zur Frage 2). Eine andere Einschätzung ist daher auch der Senats- verwaltung für Gesundheit und Soziales nicht möglich. 2. Wo gibt es eine "Unterversorgung" von Fachärzten im Bezirk Treptow-Köpenick (Bitte nach Ortsteilen und Facharztgruppen gliedern)? Zu 2.: Die KV Berlin hat hierzu mitgeteilt, dass An- gaben für eine kleinere räumliche Aufteilung nicht mach- bar seien. Die Zensusdaten seien derzeit nur auf Bezirks- ebene fortgeschrieben worden. Die Daten auf Basis der alten Fortschreibung, die für kleinere Räume vorliegen, hätten sich als falsch erwiesen. Nach der Bedarfsplanungsrichtlinie (in Kraft seit 01.01.2013) gilt Berlin als ein Planungsbezirk. Eine „Überversorgung“ liegt ab einem Versorgungsgrad von 110 % bzw. eine Unterversorgung erst bei einem Versor- gungsgrad von unter 50 % (Facharztgruppen) bzw. unter 75 % (Hausarztgruppe) vor. Nach der von der KV Berlin zur Verfügung gestellten Tabelle ist festzustellen, dass nach den Vorgaben der o. g. Bedarfsplanungsrichtlinie weder für die Facharztgruppen noch für die Hausarztgruppe eine Unterversorgung für den Planungsbezirk Berlin vorliegt. Werden die Arztzah- len auf Bezirksebene heruntergebrochen, so liegt im Be- zirk Treptow-Köpenick in keiner Arztgruppe eine Unter- versorgung gemäß der Bedarfsplanungsrichtlinie vor. Fachgruppe Anzahl Versorgungsgrad in % Augenärztin / Augenarzt 18,00 96,7 Hausärztin / Hausarzt 141,00 95,9 Kinderärztin / Kinderarzt 18,00 129,3 Gynäkologin / Gynäkologe 25,50 78,3 Urologin / Urologe 10,75 117,1 Psychotherapeutin / Psychotherapeut 89,00 112,8 Chirurgin / Chirurg 13,25 141,6 Radiologin / Radiologe 7,50 129,2 Internistin / Internist (fachärztlich) 17,75 148,2 Hautärztin / Hautarzt 13,00 113,8 Anästhesistin / Anästhesist 6,00 113,7 Kinder-/Jugendpsychiaterin / Kinder- /Jugendpsychiater 2,00 100,0 HNO-Ärztin / HNO-Arzt 14,00 101,1 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 687 2 Nervenärztin / Nervenarzt 13,50 75,0 Orthopädin / Orthopäde 21,00 119,0 Physikalische- und Rehabilitations-Medizin 6,00 422,8 3. Wie bewertet der Senat, die langen Wartezeiten für Kassenpatienten bei den Allgemeinarztpraxen und den Fachärzten? Zu 3.: Die Senatsverwaltung für Gesundheit und Sozi- ales verfügt über kein Zahlenmaterial, welches eine ver- bindliche Aussage hinsichtlich der Wartezeiten für Kas- senpatientinnen und Kassenpatienten bei den Allgemein- arzt- und den Facharztpraxen für Berlin zulässt. Eine Bewertung der Wartezeiten ist daher für Berlin nicht möglich. Für die Bezirke Charlottenburg-Wilmersdorf und für Köpenick hat das IGES Institut GmbH im Jahr 2012 eine Bürgerbefragung anhand von Fragebögen im Auftrag der Patientenvertretung im Gemeinsamen Bundesausschuss nach § 140f SGB V in Kooperation mit der Patientenbe- auftragten für Berlin mit Unterstützung durch die Senats- verwaltung für Gesundheit und Soziales durchgeführt. Die Ergebnisse wurden in einem Pressegespräch am 15.02.2013 veröffentlicht (siehe: http://www.berlin.de/lb/patienten/aktuelles/index.html). Hiernach gaben in Köpenick 18 % der Befragten an, ein bis drei Tage und 27 % mindestens zwei Wochen bis zu drei Monate bei der hausärztlichen Versorgung auf einen Termin zu warten. Die Wartezeit im Wartezimmer wurde mit weniger als 30 Minuten bei 22 %, bzw. mit mindes- tens einer Stunde bei 31 % der Befragten angegeben. Bei der fachärztlichen Versorgung warteten 18 % nur ein bis sieben Tage auf einen Termin aber 56 % mindestens zwei Wochen bis zu 3 Monate. Im Wartezimmer warteten 25 % weniger als 30 Minuten und 29 % mindestens eine Stun- de. Eine Bewertung, wann objektiv eine Wartezeit als „lang“ einzustufen ist, kann von der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales weder generell für die Termin- vergabe noch bei der Wartezeit im Wartezimmer der Allgemeinarzt- bzw. Facharztpraxen abgegeben werden. Ziel muss sein, die vorhandenen Wartezeiten, insbesonde- re für die Terminvergabe weit möglichst zu verringern. Hierfür ist, wenn sich die Gesamtzahl der Arztpraxen in Berlin nicht verändert, eine Umverteilung innerhalb Ber- lins entsprechend dem tatsächlichen Bedarf anzustreben. Zur Strategie wird auf die Antwort zur Frage 5 verwiesen. 4. Wird der Bevölkerungszuwachs in Berlin und in Treptow-Köpenick dazu führen, dass in den nächsten fünf Jahren mit mehr Ärzten und Fachärzten gerechnet werden muss? Zu 4.: Die KV Berlin teilte hierzu mit, dass sich die Versorgungsgrade der Bedarfsplanung aus den Bevölke- rungszahlen einerseits und den Arztzahlen andererseits er- rechnen. Es sei daher bei veränderten Bevölkerungszahlen oder Arztzahlen immer von einem rechnerisch anderen Versorgungsgrad auszugehen. Ein Bevölkerungszuwachs in Berlin führt hiernach ggf. auch zu einer höheren Anzahl von Ärztinnen oder Ärzten in den jeweiligen Arztgruppen. In diesem Zusam- menhang wird auf die Antwort zu 5. verwiesen. 5. Welche Strategie verfolgt der Senat, um die Versorgung mit Ärzten in Gebieten mit einer Unterversorgung dauerhaft zu steigern? Zu 5.: Die vertragsärztliche Bedarfsplanung erfolgt in der Selbstverwaltung der Ärzte und Krankenkassen, den Sicherstellungsauftrag für die vertragsärztliche Versor- gung hat die KV Berlin. Entsprechend ist zu beachten, dass der Bedarfsplan gemäß § 99 Abs. 1 SGB V von der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin im Einvernehmen mit den zuständigen Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen zur Sicherstellung der vertragsärzt- lichen Versorgung aufzustellen und der jeweiligen Ent- wicklung anzupassen ist. Die Bedarfsplanungsrichtlinie ermöglicht durch ihre größere Gestaltungsfreiheit künftig den Zugang zur ambu- lanten medizinischen Versorgung durch die Berücksichti- gung regionaler Besonderheiten zu verbessern. Die Se- natsverwaltung für Gesundheit und Soziales hält es für erforderlich und hat es erreicht, dass neben der Alters- struktur der Bevölkerung künftig auch die Sozialstruktur bei der Bedarfsplanung innerhalb Berlins eine größere Bedeutung erlangt. In den vergangenen sechs Monaten hat eine durch das Landesgremium beauftragte Arbeitsgruppe eine Vereinba- rung zur Versorgungssteuerung im Rahmen der Bedarfs- planung erarbeitet, dem das gemeinsame Landesgremium am 09.10.2013 zugestimmt hat. Praxisverlegungen sollen demnach nur dann zugelassen werden, wenn diese von einem Bezirk mit höherem Versorgungsgrad in einen Bezirk mit niedrigerem Versorgungsgrad erfolgen. Wei- terhin wird in der Versorgung durch Haus- und Kinder- ärztinnen und Haus- und Kinderärzte zusätzlich die be- zirkliche Sozialstruktur berücksichtigt. Das bedeutet, dass Bezirke mit ungünstiger Sozialstruktur zusätzliche Praxis- sitze für die haus- und kinderärztliche Versorgung zuge- sprochen bekommen, während Bezirken mit ausgespro- chen günstiger Sozialstruktur eine geringere Zahl an Pra- xissitzen zusteht. Im Ergebnis wird erwartet, dass die Versorgungsstruk- tur in der Stadt auf der Ebene der zwölf Berliner Bezirke insgesamt ausgewogener und das Prinzip der wohnortna- hen Versorgung für alle Arztgruppen der patientengebun- denen Versorgung konsequent umgesetzt wird. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 687 3 Eine Evaluation in den kommenden zwei Jahren soll Aufschluss darüber bringen, wie sich die bezirklichen Versorgungsgrade für die einbezogenen Arztgruppen entwickeln. Zudem wird für weitere Facharztgruppen die Berücksichtigung der bezirklichen Sozialstruktur im kommenden Jahr erörtert. Berlin ist das erste Bundesland, das die erweiterten Mitwirkungsmöglichkeiten der Länder durch das 2012 in Kraft getretene Versorgungsstrukturgesetz für eine Initia- tive zu einer gleichmäßigeren und bedarfsgerechteren vertragsärztlichen Versorgung genutzt hat. Berlin, den 23. Oktober 2013 In Vertretung Emine D e m i r b ü k e n - W e g n e r _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 01. Nov. 2013)