Drucksache 17 / 12 753 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Turgut Altug, Marianne Burkert-Eulitz und Stefanie Remlinger (GRÜNE) vom 24. Oktober 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 25. Oktober 2013) und Antwort Kinder und Jugendliche als VerbraucherInnen bilden und schützen – was tut der Senat? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Welche statistischen Daten zum Konsumverhalten der Berliner Kinder und Jugendlichen sind dem Senat bekannt und Grundlage seiner VerbraucherInnenpolitik? Zu 1.: Der Senat informiert sich kontinuierlich über den Stand der Verbraucherforschung im Bereich „Kinder und Jugendliche als VerbraucherInnen“, zum Beispiel bei Fachkonferenzen oder durch die Lektüre entsprechender Studien. Zuerst ist hier die KidsVerbraucherAnalyse (KidsVA) 2013 zu nennen, die der Egmont Ehapa Verlag jährlich durchführen lässt und deren Ergebnisse seit Au- gust vorliegen. Demnach haben Kinder im Alter von sechs bis 13 Jahren in Deutschland zurzeit monatlich durchschnittlich 27,56 Euro zur Verfügung. Der Analyse zufolge investieren die Kinder ihr Taschengeld vor allem in Süßigkeiten (66 Prozent), aber auch in Zeitschriften, Kinobesuche, Essen und Trinken unterwegs. Speziell im Bereich Ernährung gibt es umfassendes statistisches Material, so zum Beispiel die Kinder- und Jugendstudie EsKiMO zum Essverhalten in Deutschland. Die Studie wurde vom Robert Koch-Institut (RKI) in Zusammenarbeit mit der Universität Paderborn, Fach- gruppe für Ernährung und Verbraucherbildung, durchge- führt und vom Bundesministerium für Ernährung, Land- wirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) finanziert. Ebenso ist der „foodwatch marktcheck“ von 2011/2012 bekannt, der belegt, dass Lebensmittel, die sich in Auf- machung oder Platzierung im Supermarkt an Kinder rich- ten, vor allem süße und fettige Snacks sind. Die „imug-Studie“ vom März 2013 „Praxisorientierte Bedarfsanalyse zur schulischen Verbraucherbildung“, die im Auftrag der Deutschen Stiftung Verbraucherschutz erstellt wurde, gibt aktuell Auskunft über den Umfang der Veränderungen im Verbraucheralltag von Kindern und Jugendlichen und zeigt Grundlagen und Notwendigkeit einer gezielten Verbraucherbildung auf. Als wesentliche Einflussfaktoren auf Veränderungen im Verbraucheralltag werden hier genannt: Die Digitalisierung und die sozialen Netzwerke, die Demographie und die private Vorsorge, die Liberalisierung der Märkte und der Klimawandel, die Globalisierung und soziale Verantwortung, die sich auf Kaufentscheidungen auch von Kindern und Jugendlichen auswirken. 2. Welche Bedeutung hat die Zielgruppe der Kinder und Jugendlichen in der VerbraucherInnenpolitik des Senats? Zu 2.: Der Senat unternimmt verstärkte Aktivitäten auf dem Gebiet der Verbraucherbildung an Schulen. Kin- der und Jugendliche werden als Verbraucherinnen und Verbraucher immer wichtiger, da ihre Kaufkraft steigt und sie als Zielgruppe für Werbung und Marketing be- sonders attraktiv sind. Die Berliner Schülerinnen und Schüler sollen frühzeitig darin unterstützt werden, kriti- schen Konsum zu erlernen. Der Unterricht in den ver- schiedenen Schulformen und Jahrgangsstufen der Berliner Schulen bietet Möglichkeiten der Auseinandersetzung mit Fragen des Verbraucherschutzes, z.B. im Fach Wirtschaft, Arbeit und Technik (WAT). In einem gemeinsamen Pro- jekt mit der für Bildung zuständigen Senatsverwaltung wird ein Curriculum erarbeitet, das der Verbraucherbil- dung an Schulen durch einen eigenen Lernbereich mehr Gewicht geben soll. Auf dem Gebiet des gesundheitlichen Verbraucher- schutzes zugunsten von Kindern und Jugendlichen arbei- tet der Senat intensiv an der nachhaltigen Verbesserung der Qualität des Schulessens. Bei den „Wertewochen Lebensmittel“, die vom 25. September bis 6. Oktober 2013 auf Initiative der Senats- verwaltung für Justiz und Verbraucherschutz stattfanden, richteten sich viele der über 80 Veranstaltungen speziell an Kinder und Jugendliche. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 753 2 3. Welche Maßnahmen plant der Senat, um die ver- hältnismäßig geringe Bekanntheit der Berliner Verbrau- cherzentrale bei den 14- bis 29-jährigen zu steigern? Zu 3.: Im Ergebnis des 4. Berliner Verbrauchermoni- tors 2013 zeigte sich, dass im Durchschnitt ein Drittel der Berliner Bürgerinnen und Bürger, die deutschsprachig und älter als 14 Jahre alt sind, die Verbraucherzentrale Berlin zumindest für die Einholung von Informationen bereits genutzt haben und dass sie auch überwiegend zufrieden damit waren. Auffällig ist, dass es ein Gefälle innerhalb der Alters- gruppen gibt. So haben bisher nur 12% der 14-29- Jährigen die Verbraucherzentrale Berlin genutzt und gut ein Viertel kennt sie gar nicht, im Vergleich zu den über Fünfzigjährigen, wovon schon 39 % das Angebot der Verbraucherzentrale Berlin genutzt haben. Um diesem Ungleichgewicht des Bekanntheitsgrades zwischen jüngeren und älteren Verbraucherinnen und Verbrauchern mit wirksamen Maßnahmen zu begegnen, ist es erforderlich, die Ursachen zu ergründen. Diese sind nach Auffassung der Verbraucherzentrale vor allem das „nicht altersgemäße“ Personal und fehlende Finanzmittel, um jugendaffine Instrumente wie social media oder Inter- nettools in ihre Arbeit einzubinden. Als eigenständiger Verein ist es in erster Linie Aufga- be der Verbraucherzentrale, dafür Sorge zu tragen, dass ihre Angebote auch in der Zielgruppe der unter Dreißig- jährigen bekannt sind und angenommen werden. Die bisherigen Aktivitäten in Form von Aufklärungsveranstal- tungen sowie Praktikanten-, Referendar- und Hospitati- onsangeboten für Schülerinnen und Schüler, Jugendliche und Studierende scheinen nicht ausreichend zu sein. Im Rahmen der Jahresplanung 2014 diskutiert die Verbrau- cherzentrale weitere Ansätze, um die Zielgruppe der jun- gen Verbraucherinnen und Verbraucher besser zu errei- chen. Ziel der Berliner Verbraucherpolitik ist es, ein einheit- lich hohes Niveau der Bekanntheit der Verbraucherzentra- le Berlin unter den Berliner Bürgerinnen und Bürgern, die über 14 Jahre alt sind, zu erreichen. 4. In welchen Rahmenlehrplänen der Berliner Schu- len ist die Auseinandersetzung mit Fragen des Verbrau- cherschutzes in welchem zeitlichen Umfang und mit wel- chem Inhalt vorgesehen? (Bitte differenzieren nach Schul- form und Jahrgangsstufe) Zu 4.: Grundsätzlich sind die Rahmenlehrpläne für die Unterrichtsfächer sowohl für die Integrierte Sekundar- schule als auch für das Gymnasium identisch mit Aus- nahme des Faches Wirtschaft, Arbeit, Technik, welches ausschließlich in der Sekundarstufe I in der Integrierten Sekundarschule unterrichtet wird. In diesem Fach stehen in der Sekundarstufe I die Vorbereitung auf eine eigen- verantwortliche Lebensführung im privaten Haushalt; Arbeitssicherung & Gesundheit sowie Aspekte allgemei- nen nachhaltigen Verbraucherverhaltens im Vordergrund. Im Fach Biologie der Sekundarstufe I steht umweltver- trägliches und gesundheitsbewusstes Handeln sowie Er- nährung und Gesundheit im Zentrum. Haushalt, Markt und Konsum sind im Fach Sozialkunde, E-Commerce, Werbung und Budget, Sparen, Preisstabilität, Kaufvertrag und Käuferrechte sind Elemente von Verbraucherbildung im Rahmen des Unterrichts im Wahlpflichtbereich Sozi- alwissenschaften/Wirtschaftswissenschaft der Sekundar- stufe I. In der Sekundarstufe II werden die in der Sekundar- stufe I im Fach Biologie erworbenen Kenntnisse und reflektierten Handlungsoptionen vertieft, ausdifferenziert und auch unter Aspekten wie einer Wertschätzung der Umwelt sowie der Frage von Nachhaltigkeit erörtert. Im Fach Wirtschaft wiederum stehen Aspekte von Markt, von sozialer Sicherung, Steuern, Finanzen und den we- sentlichen Strukturen einer arbeitsteilig, marktwirtschaft- lich organisierten Gesellschaft im Zentrum. Ökonomi- sches Handeln unter Einbeziehung der Interessen und Zielvorstellungen der wirtschaftlich Handelnden in seinen unterschiedlichen Facetten stehen im Zentrum des Faches Sozialwissenschaften, das Fach Recht wiederum befasst sich vorrangig mit juristischen Aspekten der Verbrauch- erbildung. Eine zeitliche Zuordnung des Unterrichts unter Ver- braucherbildungsaspekten ist nicht möglich. Die Schwer- punktsetzungen erfolgen durch die unterrichtenden Lehr- kräfte. In der Beruflichen Bildung findet sich im Rahmen- lehrplan für Sozialkunde/Wirtschafts- und Sozialkunde für die Berufsschule und die Berufsfachschule im Hand- lungsfeld "Wirtschaft" das Modul 3 "Verbraucherent- scheidungen überlegt treffen und rechtlich einordnen.“ An Inhalten werden genannt: Konsumwünsche und verfügba- res Einkommen, Überschuldung, Vertragsrecht, Raten- kauf, Kreditverträge, Schuldnerberatung, Beratungs- und Informationsangebote für Verbraucherinnen und Verbrau- cher sowie Kosten-Nutzenanalysen von ausgewählten Konsumgütern (z.B. Mobiltelefon und Kraftfahrzeug). 5. Welche curricularen Vorgaben für den Lernbereich „Verbraucherbildung“ hat die dafür eingesetzte Arbeitsgruppe inzwischen entwickelt? Wann werden sie in wel- cher Form umgesetzt? Zu 5.: Die Fertigstellung und Veröffentlichung von curricularen Vorgaben für einen Lernbereich Verbrauch- erbildung ist für das Ende des Schuljahres 2013/2014 vorgesehen. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 753 3 6. In welcher Weise und in welchem Umfang werden die LehrerInnen im Bereich des VerbraucherInnenbildung – über den Materialkompass des Bundesverband Verbraucherschutz hinaus – aus- und fortgebildet? Zu 6.: Die Verbraucherbildung wird in der regionalen Fortbildung sowohl im Themenfeld der gesunden Ernäh- rung, hier insbesondere im Projekt „Gute Gesunde Schule “ und der Gesundheitsförderung, aber auch in Fortbildungen zu den Themenkomplexen Globalisierung und Nachhaltige Bildung und Erziehung behandelt. Da die Verbraucherbildung keine eigenständige Systematik in der Lehrerfortbildung bildet, können auch keine statisti- schen Aussagen über den konkreten Umfang der Ver- braucherbildung in der regionalen Fortbildung getroffen werden. 7. In welchem Umfang haben die Berliner Schulen im vergangenen Jahr durch Werbung an Schulen Finanz- mittel erlangt? Zu 7.: Entsprechende Daten werden nicht erfasst. 8. Wie ist die Strategie des Senats zur Zusammenar- beit zwischen den Schulen und Unternehmen, z.B. im Rahmen des dualen Lernens bzw. Berufsorientierung? Zu 8.: Grundlage für die Zusammenarbeit zwischen Schulen und Unternehmen ist das Schulgesetz. Im Teil I "Auftrag der Schule und Recht auf Bildung und Erzie- hung, Anwendungsbereich" ist in § 4 (7) festgelegt, dass die allgemein bildende Schule in die Arbeits- und Be- rufswelt einführt und in Zusammenarbeit mit den anderen Stellen zur Vorbereitung der Schülerinnen und Schüler auf Berufswahl und Berufsausübung sowie auf die Arbeit in der Familie und in anderen sozialen Zusammenhängen beiträgt. Weiter heißt es in § 5 (1) und (2), dass die Schu- len sich gegenüber ihrem Umfeld öffnen. "Zu diesem Zweck arbeiten sie im Rahmen des Bildungs- und Erzie- hungsauftrags .... mit außerschulischen Einrichtungen und Personen zusammen, deren Tätigkeit sich auf die Lebens- situation der Schülerinnen und Schüler auswirkt" (§ 5 (1) SchulG) und ... "nutzen Kooperationsmöglichkeiten mit der Wirtschaft, den Sozialpartnern und anderen Einrich- tungen, die berufs- oder arbeitsrelevante Angebote ma- chen." (§ 5 (2) SchulG). Die Integrierten Sekundarschulen bieten insbesondere in Kooperation mit Betrieben und Trägern der Berufsvor- bereitung und -ausbildung praxisbezogenes und berufs- orientiertes Lernen an (Duales Lernen). Im Fach Wirt- schaft-Arbeit-Technik erwerben die Schülerinnen und Schüler Kompetenzen, mit denen sie auf berufliche und private Anforderungen adäquat reagieren und die Heraus- forderungen in Gegenwart und Zukunft angemessen be- wältigen können. Das Fach Wirtschaft-Arbeit-Technik dient auch als Leitfach für das Duale Lernen, das praxis- bezogenes Lernen, Aktivitäten zur Berufs- und Studien- orientierung und die Vermittlung von Praxisplätzen an geeigneten Lernorten (z.B. Betriebserkundungen, Be- triebspraktika) umfasst sowie ab der 9. Jahrgangsstufe in besondere Organisationsformen durch eine Erhöhung des Praxisanteils in Abweichung von der Stundentafel reali- siert werden kann. Die Oberstufenzentren kooperieren mit Integrierten Sekundarschulen, um Schülerinnen und Schü- lern das Weiterlernen in berufs- und studienqualifizieren- den Bildungsgängen zu ermöglichen. In den Gymnasien können die Schülerinnen und Schü- ler an Betriebspraktika, die in der Regel zwei Wochen dauern, teilnehmen. In der gymnasialen Oberstufe können die Schülerinnen und Schüler den Ergänzungskurs Studi- um und Beruf wählen. Alle Schülerinnen und Schüler erhalten Beratungsan- gebote von den Berufsberaterinnen und Berufsberatern der Agenturen für Arbeit und können Praxiserfahrung durch die Teilnahme an Maßnahmen der vertieften Be- rufsorientierung wie zum Beispiel dem "Berliner Pro- gramm zur vertieften Berufsorientierung" (BVBO), dem Programm "Komm auf Tour", dem "Berliner Netzwerk für Ausbildung" (BNH) oder dem Netzwerk für Berufs- praxis sammeln. Jede Integrierte Sekundarschule und eine Vielzahl von Gymnasien haben ein schulisches Berufsorientierungscur- riculum, durch das gewährleistet wird, dass alle Angebote und Maßnahmen in einem sinnvollen Zusammenhang stehen. Der individuelle Berufsorientierungsprozess wird von allen Schülerinnen und Schülern der Integrierten Sekundarschule und von vielen der Gymnasien im Be- rufswahlpass dokumentiert. Ziel ist, dass alle Schülerinnen und Schüler entspre- chend ihren Leistungen und Neigungen nach Maßgabe der Schulabschlüsse ihren Bildungsweg durch eine beruf- liche Ausbildung, in berufsqualifizierenden Bildungsgän- gen oder an einer Hochschule fortsetzen können. Federführend erarbeitet zurzeit meine Verwaltung gemeinsam mit der Senatsverwaltung für Arbeit, Integra- tion und Frauen sowie der Bundesagentur für Arbeit - Regionaldirektion Berlin und Brandenburg ein Landes- konzept Berufs- und Studienorientierung, durch das Min- deststandards für Maßnahmen der Berufs- und Studien- orientierung festgelegt werden sollen. Das Landeskonzept wird voraussichtlich Mitte des nächsten Jahres vorliegen. 9. In welchem Umfang kommen an Berliner Schulen von privaten Unternehmen angebotene Lehrmittel zum Einsatz? Zu 9.: Entsprechende Daten werden nicht erfasst. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 753 4 10. Wie bewertet der Senat die Vorschläge, eine Mo- nitoringstelle einzurichten, die externe Schulmaterialien prüft und Schulen berät oder zumindest einen Lobbyis- mus-Leitfaden für LehrerInnen zu entwickeln? Zu 10.: Eine Monitoringstelle zur Prüfung von Schul- materialien erscheint nicht zielführend, da allein die Fülle des den Schulen angebotenen Materials keine zeitnahe Bewertung zulassen würde. Zudem sind die Lehrkräfte aufgrund ihrer fachlichen Qualifikationen in der Lage, eigenverantwortlich zwischen für den Unterricht taugli- chen und untauglichen Materialien zu unterscheiden. Berlin, den 27. November 2013 In Vertretung Mark Rackles Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 03. Dez. 2013)