Drucksache 17 / 12 764 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Katrin Möller und Hakan Taş (LINKE) vom 28. Oktober 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 29. Oktober 2013) und Antwort Rechtswidrige Freiheitsentziehung bei erkennungsdienstlicher Behandlung von Flüchtlingen Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Ist dem Senat der rechtskräftige Beschluss des Landgerichts Berlin vom 09.09.2013 (84 T 109/13 B) bekannt, mit dem das stundenlange Ingewahrsamnahme eines Flüchtlings nach Abschluss einer erkennungsdienst- lichen (ED-) Behandlung für rechtswidrig befunden wur- de? Zu 1.: Ja. 2. Wenn ja, wie bewertet der Senat diesen Gerichts- beschluss? Zu 2.: Bei dem Beschluss handelt es sich um eine auf- grund besonderer Umstände des konkreten Sachverhalts ergangene Einzelfallentscheidung. Der Betroffene hielt sich nicht illegal in der Bundesrepublik Deutschland auf und hätte darüber hinaus – auch wenn der Aufenthalt illegal gewesen wäre – aufgrund seiner Herkunft aus dem Libanon nicht ohne Weiteres abgeschoben werden kön- nen. Aus diesem Grund hat das Gericht die Vorausset- zungen für eine vorläufige Ingewahrsamnahme nach § 62 Abs. 5 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) verneint. 3. Welche Schlussfolgerungen zieht der Senat aus dem rechtskräftigen Beschluss hinsichtlich des zukünfti- gen Ablaufs von ED-Behandlungen von Flüchtlingen? Zu 3.: Nach Auffassung des Senats lassen sich aus der Entscheidung keine allgemeinen, über den betreffenden Einzelfall hinausgehenden Schlussfolgerungen ableiten. 4. Hält Innensenator Henkel an seinen Aussagen in der Antwort auf die Fragen 8-10 unserer Kleinen Anfrage „Erkennungsdienstliche Behandlung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen in Berlin II – bei der Polizei“ (Drs. 17/11992) fest,  dass eine sofortige Entlassung der Personen nach der ED-Behandlung grundsätzlich nicht erfolgt und eine Entlassung „grundsätzlich erst nach Abschluss des Datenabgleichs vorgesehen“ ist,  dass die betroffenen minderjährigen Flüchtlinge in der Regel mehrere Stunden eingesperrt bleiben, bis die Ergebnisse der Datenabfrage vorliegen und  dass eine solche mehrstündige Ingewahrsamnahme „auf Grundlage des Aufenthaltsgesetzes“ ohne Einholung einer richterlichen Anordnung möglich ist? Zu 4.: Die zur Evaluierung des bisherigen Verfahrens der erkennungsdienstlichen Behandlung von unbegleite- ten minderjährigen Flüchtlingen (siehe auch Drs. 17/11991, zu12. und Drs. 17/12992, zu 10 d.) eingesetzte ressortübergreifende Arbeitsgruppe hat eine für diesen Personenkreis vorteilhaftere Verfahrensweise erarbeitet. Danach werden unbegleitete minderjährige Flüchtlinge nach der Erstbefragung durch die Ausländerbehörde und bei Vorliegen des Verdachts der illegalen Einreise an die Polizei Berlin übergeben. Soweit sie dazu in Begleitung einer Mitarbeiterin/eines Mitarbeiters der Erstaufnahme- und Clearingstelle erscheinen und neben der illegalen Einreise kein weiteres Delikt anhängig ist, wird nach der Fertigung der Strafanzeige auf eine sofortige erkennungs- dienstliche Behandlung durch die Polizei verzichtet. Die- se Maßnahme erfolgt auf Vorladung zu einem weiteren Termin innerhalb von sieben Tagen. Dadurch entfallen der längere Aufenthalt in den Räumen der polizeilichen Gefangenensammelstelle sowie der Transport dieses Per- sonenkreises mit einem Gefangenentransportfahrzeug der Polizei. Auf ein Abwarten bis zum Ergebnis des Da- tenabgleichs wird verzichtet. Das hier dargestellte Verfahren befindet sich seit dem 2. Dezember 2013 in einem Probelauf. Eine Evaluierung nach sechs Monaten wurde vereinbart. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 764 2 5. Welche Auswirkungen hat der oben genannte Be- schluss des Landgerichts auf die vom Senat beabsichtigte Überarbeitung des Verfahrens zur ED-Behandlung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen? Zu 5.: Der oben genannte Beschluss des Landgerichts hat keine Auswirkungen auf die erarbeitete Verfahrens- weise zur erkennungsdienstlichen Behandlung unbeglei- teter minderjähriger Flüchtlinge. Die ressortübergreifende Arbeitsgruppe wurde bereits weit vor der Veröffentli- chung des Gerichtsbeschlusses eingerichtet. 6. Teilt der Senat die Auffassung, dass nunmehr alle Personen, die auf Veranlassung der Berliner Ausländer- behörde erkennungsdienstlich behandelt werden – egal ob minderjährig oder nicht-, unmittelbar nach Abschluss der ED-Behandlung entlassen werden und nicht mindestens bis zum Abgleich der Daten in polizeilichem Gewahrsam verbleiben müssen? Zu 6.: Nein. Nach Auffassung des Senats lassen sich aus der hier in Rede stehenden gerichtlichen Entschei- dung zu der Frage, ob die Ingewahrsamnahme bis zum erfolgten Datenabgleich zulässig ist oder die Person un- mittelbar nach der erfolgten erkennungsdienstlichen Be- handlung zu entlassen ist, keine generellen Schlussfol- gerungen ableiten. Berlin, den 23. Januar 2014 Frank Henkel Senator für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 10. Feb. 2014)