Drucksache 17 / 12 783 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Gerwald Claus-Brunner (PIRATEN) vom 30. Oktober 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 31. Oktober 2013) und Antwort Anpassung betrieblicher Regeln bei der Berliner S-Bahn an bundesweite Standards Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: Die Kleine Anfrage betrifft Sachverhalte, die der Se- nat nicht aus eigener Zuständigkeit und Kenntnis beant- worten kann. Er ist gleichwohl bemüht, Ihnen eine Ant- wort auf Ihre Anfrage zukommen zu lassen und hat daher die DB AG um eine Stellungnahme gebeten, die von dort in eigener Verantwortung erstellt und dem Senat übermit- telt wurde. Sie wird nachfolgend wiedergegeben: Frage 1: Wieso hat es der Senat zugelassen, dass die betrieblichen Regeln bei der Berliner S-Bahn im Oktober 2013 an bundesweite Standards angepasst wurden, ob- wohl das Berliner S-Bahn-Netz einige grundlegende Un- terschiede gegenüber den anderen Eisenbahnstrecken der Deutschen Bahn aufweist und es somit zu weiteren Be- triebseinschränkungen gekommen ist? Antwort zu 1: Der Senat hat keine rechtlichen Befug- nisse, dem zuständigen Eisenbahninfrastrukturbetreiber (DB Netz AG) Weisungen zur Infrastruktur des Berliner S-Bahn-Netzes zu erteilen. Dies obliegt dem Eisenbahn- bundesamt (EBA) als zuständiger Aufsichtsbehörde für die Eisenbahnen des Bundes. Die DB AG teilt dazu mit, dass eine vorangehende Genehmigung der Änderungen der Geschwindigkeiten durch das Land Berlin vom Ge- setzgeber auch nicht vorgesehen ist. Der Senat wurde mittelbar mit Schreiben vom 27.09.2013 von der DB Netz AG an den Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) über bevorstehende Anpas- sungen der zulässigen Geschwindigkeiten zum Fahrplan- wechsel am 15.12.2013 sowie die vorgesehene Einrich- tung von Langsamfahrstellen beginnend ab Oktober 2013 grundsätzlich informiert. Erste Details zu den Auswir- kungen der eingerichteten Langsamfahrstellen wurden erst auf Nachfrage des VBB von der S-Bahn Berlin GmbH genannt. In einem Gespräch am 31.10.2013 wur- den unter Beteiligung der Senatsverwaltung für Stadt- entwicklung und Umwelt von DB Netz AG und S-Bahn Berlin GmbH einzelne Hintergründe und weitere Auswir- kungen erläutert. Zur Klärung der noch offenen Fragen hat der Senat den Vorstand der DB Netz AG angeschrie- ben. Eine Antwort darauf steht bislang noch aus. Nach den bislang dem Senat vorliegenden Erkenntnis- sen betrafen die im Oktober 2013 im Berliner S-Bahn- Netz durchgeführten Anpassungen nur die zulässigen Geschwindigkeiten aufgrund von festgestellten Diskre- panzen zwischen dem von der DB Netz AG erstelltem Verzeichnis der zulässigen Geschwindigkeiten (VzG) und dem von der S-Bahn Berlin GmbH erstellten Geschwin- digkeitsheften. Diese Diskrepanzen werden zum Fahr- planwechsel am 15.12.2013 bereinigt. Bis dahin wurden vorsorglich an den betroffenen Stellen Langsamfahrstel- len eingerichtet und es gilt übergangsweise eine generelle Geschwindigkeitseinschränkung auf 80 km/h (galt zuvor bereits für die Baureihe 481), um für die Triebfahrzeug- führer die Übersichtlichkeit der betrieblichen Unterlagen zu wahren. Davon unabhängig wird eine Anpassung der betriebli- chen Regeln bei der Berliner S-Bahn an bundesweite Standards im Zusammenhang mit der Überarbeitung der „Fahrdienstvorschrift“ (Ril 408) mit dem Ziel einer übersichtlicheren Gliederung der Vorschriften – je nach Wahrnehmung der Aufgaben als Verkehrsunternehmen (EVU) oder Infrastrukturbetreiber (EIU) – erfolgen. Diese Änderungen sind noch nicht in Kraft getreten und sollen ab 14.12.2014 gelten. Mit dieser Überarbeitung werden auch die „Sonderbestimmungen für den Betrieb der Berliner S-Bahn“ (Ril 432) als örtliche Regelwerke in die Ril 408 integriert. Bisherige Regeln der Ril 432 werden teil- weise vereinfacht und ggf. zur Vermeidung von Dopplun- gen zu anderen Bestandteilen des Regelwerks gestrichen. Dies hat aber keine Auswirkungen auf die für das Berliner S-Bahn-Netz zulässigen Sonderreglungen – diese bleiben auch in Zukunft erhalten. Frage 2: Werden die infolge der Anpassung bereits eingetretenen und noch eintretenden Betriebseinschrän- kungen, die im Verkehrsvertrag zwischen dem Land Ber- lin und der S-Bahn Berlin GmbH vorgesehenen Zahlen entsprechend gekürzt? Wenn nein, warum nicht? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 783 2 Antwort zu 2: Soweit Betriebseinschränkungen bereits eingetreten sind und im komplexen Zusammenspiel mit anderen Einflüssen auf den Eisenbahnbetrieb Auswirkun- gen auf die Qualität des Verkehrsangebot haben, werden die Zahlungen nach Ermittlung eventueller Abzugsbeträ- ge entsprechend den Regelungen des Verkehrsvertrages gekürzt. Zukünftige Betriebseinschränkungen sind aktuell nicht bekannt. Eventuelle daraus resultierende Abzüge werden ebenfalls entsprechend den Regeln des Verkehrs- vertrages durchgesetzt. Frage 3: a) Aus welchen Gründen kam es bis heute nicht zu einem Ausbau der S-Bahnstrecke zwischen Wann- see und Griebnitzsee auf zwei Gleise, um einen stabilen 10-Minuten-Takt zu ermöglichen? b) Ist ein entsprechender Ausbau für die nahe Zu- kunft geplant? Wenn nein, warum nicht? Antwort zu 3: Der Großteil des Berliner S-Bahnnetzes ist seit 1990 im Zuge des Bundesprogramms „Grunderneuerung Berliner S-Bahn“ saniert bzw. reaktiviert worden . Der Bund betrachtet dieses Programm inzwischen als abgeschlossen und hat mitgeteilt, dass für die weiterhin notwendige Grunderneuerung des Berliner S-Bahn-Netzes und die noch ausstehenden Lückenschlüsse keine noch- malige Sonderregelung in Aussicht gestellt werden kann. Durch die damit ungesicherte Finanzierung wird ein zweigleisiger Ausbau der Strecke zwischen Wannsee und Potsdam in absehbarer Zeit nicht erfolgen. Kostengünsti- gere Varianten zur Verbesserung der Fahrplanstabilität zwischen Potsdam und Wannsee befinden sich in der Prüfung. Die DB AG erläutert dazu: Zur Fahrzeitoptimierung auf der Strecke zwischen Berlin Westkreuz und Potsdam wurden mehrere Varian- ten untersucht. Die wirtschaftlichste Lösung ist ein zwei- gleisiger Begegnungsabschnitt zwischen Babelsberg und Potsdam Hbf und die Erhöhung der Geschwindigkeit auf 100 km/h zwischen Wannsee und Potsdam Hbf. Damit können eventuelle Verspätungen der einfahrenden Züge auf ausfahrende Züge im Hbf Potsdam kompensiert und der 10 Min.-Takt stabilisiert werden. Fahrplantechnische Untersuchungen ergaben, dass die Kombination einer Zweigleisigkeit zwischen Babelsberg und Potsdam in Verbindung mit geschwindigkeitserhöhenden Maßnah- men bis Wannsee ausreichende Beschleunigungseffekte für eine Fahrplanstabilität der S 7 bringen. Für den zweigleisigen Begegnungsabschnitt zwischen Babelsberg und Potsdam Hbf liegen Grundlagenermitt- lung und Vorplanung vor und zurzeit erfolgen Abstim- mungen zur Planungsvereinbarung zwischen DB AG und Land Brandenburg. Gemeinsame Zielstellung ist eine Inbetriebnahme des zweigleisigen Begegnungsabschnitts zwischen Babelsberg und Potsdam Hbf in 2019. Frage 4: a) Wieso wurden auf der Trasse am S-Bahnhof Schö- neweide keine so genannten Nachrücksignale mehr mit eingebaut? b) Wird sich dies in naher Zukunft ändern? Wenn nein, warum nicht? Antwort zu 4: Die DB AG führt dazu aus: a) Derartige Anlagen gab es dort auch bisher nicht. Technisch bedingt kann kein Neueinbau von Nachrück- signalen am S-Bahnhof Schöneweide in der Alttechnik erfolgen. Aus beiden Richtungen von und nach Schöne- weide sind an der Sicherungstechnik automatische bzw. halbautomatische Blockeinrichtungen in Betrieb, die keine Erweiterungsmöglichkeiten mehr besitzen. Schal- tungstechnische Abhängigkeiten an der Bestandsanlage der Sicherungstechnik lassen hier nur eine komplette Neuerrichtung der gesamten Signalanlage (Strecke und Bahnhof) mit entsprechender Blockabschnittsteilung zu. Darüber hinaus kann es bei der Nachrüstung von Sig- nalen (Änderung der Bestandsanlage) zu genehmigungs- rechtlichen Problemen kommen (Aufheben Bestands- schutz). b) Derzeit wird von der S-Bahn Berlin GmbH und DB Netz geprüft, wie die Betriebssituation so geändert werden kann, dass der Betrieb stabiler wird. Ein Vorzie- hen des Elektronischen Stellwerkneubaus (ESTW- Neubaus) ist u.a. aufgrund der Fahrzeugsituation (Ver- fügbarkeit von Fahrzeugen mit neuem Zugsicherungssys- tem ZBS) nicht wünschenswert, da neue Stellwerkstech- nik Betrieb nur noch mit dem neuen Zugsicherungssystem ZBS zulässt. Das Teilnetz „Ring“ muss bis zum vollständigen Einsatz von Neubaufahrzeugen auf diesem Teilnetz mit dem alten Zugsicherungssystem der Fahrsperre be- fahrbar bleiben, denn die Altfahrzeuge der Baureihen 480 und 485 sind aus Zulassungsgründen nicht auf ZBS um- rüstbar. Frage 5: a) Wie soll der Bedarf an zusätzlichen Zügen gedeckt werden, der mit der Verlängerung der Fahrzeiten im Fahrplanwechsel Dezember 2013 zur Einhal- tung der Fahrpläne auf einem Teil des Netzes er- forderlich wird? b) Was passiert, wenn der Bedarf an zusätzlichen Zü- gen nicht gedeckt werden kann? Antwort zu 5: Nach Aussage der DB AG wird es zum Dezember 2013 keine Fahrplananpassungen geben, die einen Fahrzeugmehrbedarf verursachen. Frage 6: Ist es möglich, das Berliner S-Bahn-Netz aus dem DB-Netz auszugliedern und als Eisenbahn des Bun- des in eine eigene Netzgesellschaft zu überführen, damit die Besonderheiten ausreichend berücksichtigt, die Leis- tungsfähigkeit und Flexibilität der Berliner S-Bahn erhal- ten und vermeidbare Mehrkosten vermieden werden kön- nen? Falls nein, warum nicht? Falls ja, was spricht gegen eine Umsetzung? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 783 3 Antwort zu 6: Das Berliner S-Bahnnetz befindet sich im Eigentum des Eisenbahninfrastruktur-unternehmens DB Netz AG, für welches der Bund zuständig ist. Eine Entscheidung über eine mögliche Ausgliederung des Berliner S-Bahn-Netzes wäre demnach nur durch den Bund – allenfalls unter Mitwirkung der betroffenen Länder – zu treffen. Unabhängig von der Eigentümerfrage gelten für Ei- senbahninfrastrukturbetreiber die gleichen Gesetze und Regelwerke. Eisenbahnen des Bundes unterstehen der fachlichen Aufsicht des Bundes hinsichtlich Zulassung der Regelwerke und notwendigen Betriebsgenehmigun- gen. Zusätzlich unterliegen alle Eisenbahninfrastrukturbe- treiber zur Gewährleistung des diskriminierungsfreien Zugangs zur Infrastruktur der wettbewerblichen Aufsicht der Bundesnetzagentur. Hinsichtlich der Berücksichti- gung der spezifischen Besonderheiten ist daher kein Un- terschied feststellbar, ob sich das Berliner S-Bahnnetz im Besitz der DB Netz AG oder einer direkt dem Bund zuge- ordneten Eisenbahninfrastrukturgesellschaft befindet. Für alle Eisenbahngesellschaften gelten das Allgemeine Ei- senbahngesetz (AEG), die Eisenbahnbau- und –betriebsordnung (EBO) sowie die davon abgeleiteten Regelwerke gleichermaßen. Die im Berliner S-Bahn-Netz geltenden Besonderheiten sind derzeit in der Ril 432 „Sonderbestimmungen für den Betrieb der Berliner S-Bahn“ geregelt und werden in überarbeiteter Form zum 14.12.2014 als örtliche Richtlinie in der bundesweit geltenden Fahr- dienstvorschrift (Ril 408) verankert, so dass die speziellen Besonderheiten des Berliner S-Bahn-Netzes auch weiter- hin ausreichend Berücksichtigung finden werden. Berlin, den 04. Dezember 2013 In Vertretung C h r i s t i a n G a e b l e r ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. Dez. 2013)