Drucksache 17 / 12 784 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Katrin Lompscher und Hakan Taş (LINKE) vom 31. Oktober 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 01. November 2013) und Antwort Besetzung und Räumung einer ehemaligen Polizeiwache in der Rathausstraße 12 am 19.10.2013 Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Was war die Rechtsgrundlage für die Räumung der am 19.10.2013 von friedlichen Aktivistinnen und Akti- visten sowie Obdachlosen besetzten ehemaligen Polizei- wache in der Lichtenberger Rathausstraße 12 sowie für die in diesem Zusammenhang erfolgte Durchsuchung und Personalienaufnahme? Zu 1.: Die im Objekt der Rathausstraße 12 angetroffe- nen Personen wurden aufgrund des Verdachts des Haus- friedensbruchs und der Sachbeschädigung zur Klärung der strafprozessualen Maßnahmen vor dem Objekt durch Dienstkräfte der Polizei Berlin überprüft. Die Maßnah- men richteten sich nach den Vorschriften der Strafpro- zessordnung (§§ 127, 163b StPO). Es handelte sich nicht um eine Durchsuchung im Rechtssinne, weil der Berechtigte des Objektes mit der Maßnahme einverstanden war und es daher am Eingriffs- charakter fehlte. Daher war das bloße Betreten des Ob- jektes durch die allgemeine Aufgabenzuweisung nach § 1 Absatz 1, Satz 1 in Verbindung mit Absatz 3 des Allge- meines Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (ASOG Ber- lin) legitimiert. Das Herausführen der Betroffenen und die weitere Zutrittsverwehrung beruhte auf § 29 Abs. 1 Satz 1 ASOG. 2. Lag zu Beginn der Räumung ein Strafantrag vor? Zu 2.: Zu Beginn der polizeilichen Maßnahmen lag kein Strafantrag vor. Aufgrund der offenkundig ander- weitig vorgesehenen Nutzung des Objekts war mit diesem hier mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu rechnen. 3. Wann lag ein Strafantrag vor und von wem wurde er gestellt? Zu 3.: Der Objektverantwortliche der Berliner Immo- bilienmanagement GmbH stellte gegen 15:05 Uhr fern- mündlich einen Strafantrag, äußerte das Räumungsersu- chen und sicherte sein Erscheinen am Ort zu. Um 16:10 Uhr lag der Strafantrag schriftlich vor. 4. Wenn zu Beginn der Räumung kein Strafantrag vorlag, warum räumt die Berliner Polizei ein Gebäude, ohne dass ein Strafantrag gestellt worden ist bzw. ohne den Willen des Berechtigten zu kennen? Zu 4.: Der Strafantrag war mit an Sicherheit grenzen- der Wahrscheinlichkeit in diesem Einzelfall zu erwarten. 5. Wann war die Berliner Polizei über die erfolgte Besetzung informiert? Zu 5.: Um 13:52 Uhr erfolgte über einen bei der Ein- satzleitzentrale der Polizei Berlin eingegangenen Notruf ein Hinweis auf unberechtigten Zutritt von Personen auf das Gelände der Rathausstraße 12. Dienstkräfte der Poli- zei Berlin stellten um 14:05 Uhr Personen im Gebäude der Rathausstraße 12 fest. 6. Waren Senat und/oder Polizei im Vorfeld über die geplante Besetzung informiert und wenn ja, woher wur- den die Informationen bezogen? Zu 6.: Im Vorfeld des 19. Oktober 2013 waren frei zugänglichen Internetseiten und der Presse Aufrufe zu einem europaweiten Aktionstag mit Besetzungen leer stehender Objekte in Berlin zu entnehmen. 7. Wer hat zu welchem Zeitpunkt entschieden, dass geräumt wird? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 784 2 Zu 7.: Eine Entscheidung mit dem konkreten Inhalt der Räumung war nicht erforderlich. Die von Dienstkräf- ten der Polizei Berlin im Objekt der Rathausstraße 12 angetroffenen Personen wurden im Rahmen der strafpro- zessualen Bearbeitung einzeln und nacheinander aus dem Objekt geführt. 8. War der Innensenator an der Entscheidung zur Räumung beteiligt? Zu 8.: Der Herr Senator für Inneres und Sport wurde anschließend über den Einsatz informiert. Eine Beteili- gung an der Entscheidung war auf Grund der klaren Rechts- und Sachlage nicht erforderlich. 9. Trifft es zu, dass gleich zu Beginn der Besetzung Räumpanzer der Berliner Polizei anwesend waren und wenn ja, wie kam es zu einem so frühen Zeitpunkt zu einer Beteiligung dieser Art Fahrzeuge? Zu 9.: Ein gepanzerter Sonderwagen der Polizei Berlin wurde nicht eingesetzt. Eingesetzt war ein geländegängi- ger Lkw mit Räumschild und Ladefläche. Dieses Ein- satzmittel war Bestandteil der gesamten polizeilichen Maßnahmen im Zusammenhang mit möglichen Beset- zungsaktionen (s. Frage 6), auf die sich die Polizei vorbe- reitet hatte. 10. Wurde bei der Entscheidung zur Räumung berück- sichtigt,  dass die von der Räumung betroffenen Personen zum Teil obdachlos sind/waren?  dass gemäß Artikel 28 der Berliner Verfassung, selbst nach der engsten Lesart, ein individualrechtlicher Schutz vor Obdachlosigkeit existiert?  dass die betroffenen Personen nach dem ASOG in den Räumen hätten verbleiben und das Land Berlin als Nichtstörer hätte in Anspruch genommen werden können? Zu 10.: Es war nicht bekannt, dass von den polizeili- chen Maßnahmen obdachlose Personen betroffen waren. Die im Objekt der Rathausstraße 12 angetroffenen Perso- nen gaben jeweils eine Meldeanschrift an. Bei der Entscheidung über die ihnen gegenüber ge- troffenen Maßnahmen musste die Polizei daher eine etwa drohende Obdachlosigkeit nicht berücksichtigen. Es lag darüber hinaus auch keine Sachlage vor, die es auf der Grundlage des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungs- gesetzes des Landes Berlin (ASOG Bln) gerechtfertigt hätte, den angetroffenen Personen die Räume des Objek- tes in der Rathausstraße 12 als Unterkunft zur Verfügung zu stellen. 11. Beabsichtigt die Berliner Immobilienmanagement GmbH den Strafantrag aufrecht zu erhalten? Zu 11.: Ja. 12. Wie beabsichtigt der Senat zukünftig mit eventuel- len Besetzungen von Gebäuden durch obdachlose Fami- lien umzugehen? Zu 12.: Maßgebend ist jeweils der konkrete Einzelfall. Grundsätzlich gilt jedoch, dass eine Neubesetzung zu beenden ist, wenn der Berechtigte ein entsprechendes Räumungsbegehren und einen Strafantrag nach § 123 Abs. 2 Strafgesetzbuch (StGB) stellt und ein geeignetes Sicherungskonzept für das Objekt vorweist. 13. Ist der Senat bereit, angesichts des bevorstehenden Winters und des Mangels an Notunterkünften für ob- dachlose Familien in Berlin leerstehende Gebäude zur vorübergehenden Nutzung durch obdachlose Familien zur Verfügung zu stellen? Zu 13.: Zur Bereitstellung von Plätzen und für die ei- gentliche Unterbringung von wohnungslosen Menschen sind ausschließlich die Bezirke gemäß Zuständigkeitska- talog des ASOG Berlin verantwortlich. Nach Kenntnis des Senats kommen die Bezirke insbesondere ihrer Un- terbringungspflicht bei wohnungslosen Familien mit Kin- dern umgehend nach, wenn diese um Hilfe nachfragen. Darüber hinaus bieten die BIM Berliner Immobilien- management GmbH und der Liegenschaftsfonds regelmä- ßig im Rahmen einer kooperativen Zusammenarbeit mit der für die Unterbringung von Asylbewerberin- nen/Asylbewerbern und Flüchtlingen zuständigen Senats- verwaltung für Gesundheit und Soziales geeignete Ge- bäude im Portfolio des Sondervermögens Immobilien des Landes Berlin bzw. im Treuhandvermögen des Liegen- schaftsfonds zur Nutzungsprüfung an. Berlin, den 21. November 2013 Frank Henkel Senator für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 10. Feb. 2014)