Drucksache 17 / 12 804 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Fabio Reinhardt und Simon Kowalewski (PIRATEN) vom 05. November 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 06. November 2013) und Antwort Frauen im Berliner Abschiebeknast Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung Dem Senat ist kein „Abschiebeknast“ im Land Berlin bekannt. Es wird daher davon ausgegangen, dass die im Land Berlin bestehende Abschiebungsgewahrsamsein- richtung Gegenstand der Kleinen Anfrage ist. 1. Für wie viele Frauen wurde in den letzten fünf Jah- ren Abschiebehaft angeordnet und welche Behörde hat die Haft jeweils beantragt (bitte nach Jahr und Haft bean- tragender Behörde aufschlüsseln)? Zu 1.: Die Zahl der Anordnungen der Abschiebungs- haft wird statistisch nicht erfasst. Auf Antrag der zuständigen Behörden wurden in den letzten fünf Jahren 481 Frauen im Abschiebungsgewahr- sam verwahrt. Bei der statistischen Erfassung wird ledig- lich zwischen Landesamt für Bürger- und Ordnungsauf- gaben Berlin (LABO), andere Bundesländer (aBuL) und Bundespolizei (BPOL) unterschieden. Die Unterbringung im Abschiebungsgewahrsam erfolgt ausschließlich auf Grundlage eines richterlichen Beschlusses. Frauen gesamt LABO aBuL BPOL 2008 203 174 20 9 2009 98 64 20 14 2010 78 50 25 3 2011 61 44 15 2 2012 27 19 7 1 2013* 14 2 3 9 *Stand: 08.11.2013 2. In wie vielen Fällen wurde die Abschiebehaft bei Frauen im Berliner Abschiebeknast vollzogen und wie hoch war der Anteil der Frauen an der Gesamtzahl der Inhaftierten im Berliner Abschiebeknast (bitte nach Jahr aufschlüsseln)? Zu 2.: Gesamt Frauen Prozent 2008 1141 203 18% 2009 778 98 13% 2010 690 78 11% 2011 545 61 11% 2012 327 27 8% 2013* 168 14 8% *Stand: 08.11.2013 3. Welche Staatsangehörigkeit hatten die weiblichen Abschiebehäftlinge im Berliner Abschiebeknast in den Jahren seit 2005 (bitte nach Jahr und Staatsangehörigkeit aufschlüsseln)? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 804 2 Zu 3.: Daten in diesem Zusammenhang werden nur fünf Jahre rückwirkend archiviert. Weibliche Abschiebungshäftlinge 2008 Weibliche Abschiebungshäftlinge 2009 Vietnam 92 Vietnam 30 Ukraine 29 Serbien 9 Russland 11 Ukraine 7 Serbien 7 Bosnien 6 ungeklärt 7 Russland 6 Brasilien 6 Afghanistan 4 Türkei 6 ungeklärt 4 Nigeria 5 China 3 China 4 Iran 3 Kenia 4 Nigeria 3 Aserbaidschan 3 Irak 2 Armenien 2 Sudan 2 Kamerun 2 Äthiopien 1 Kasachstan 2 Georgien 1 Libanon 2 Ghana 1 Mongolei 2 Japan 1 Sierra Leone 2 Jugoslawien 1 Tunesien 2 Kamerun 1 Uganda 2 Kongo 1 Bosnien 1 Kroatien 1 Guinea 1 Libanon 1 Irak 1 Mazedonien 1 Iran 1 Moldau 1 Jordanien 1 Mongolei 1 Jugoslawien 1 Mosambik 1 Kuba 1 Peru 1 Mexiko 1 Sierra Leone 1 Peru 1 Somalia 1 Sri Lanka 1 Tunesien 1 Sudan 1 Türkei 1 Thailand 1 Weißrussland 1 Togo 1 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 804 3 Weibliche Abschiebungshäftlinge 2010 Weibliche Abschiebungshäftlinge 2011 Vietnam 36 Vietnam 24 Ukraine 6 Ukraine 8 Ghana 5 Serbien 7 Afghanistan 3 Mongolei 5 Russland 3 Kamerun 4 Serbien 3 Liberia 2 Bosnien 2 Russland 2 Brasilien 2 Chile 1 Georgien 2 China 1 Kenia 2 Ghana 1 Nigeria 2 Guinea 1 Ecuador 1 Jugoslawien 1 Irak 1 Kongo 1 Kamerun 1 Nigeria 1 Kroatien 1 Sierra Leone 1 Moldau 1 Thailand 1 Paraguay 1 Peru 1 Sierra Leone 1 Simbabwe 1 Türkei 1 USA 1 Weißrussland 1 Weibliche Abschiebungshäftlinge 2012 Weibliche Abschiebungshäftlinge 2013* Ukraine 6 Russland 4 Vietnam 4 Serbien 3 Ghana 2 Ghana 2 Kenia 2 Vietnam 2 Mongolei 2 Georgien 1 Serbien 2 Senegal 1 Angola 1 Syrien 1 Brasilien 1 China 1 Dominica 1 Russland 1 Sierra Leone 1 Togo 1 Türkei 1 Uganda 1 *Stand: 08.11.2013 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 804 4 4. Wie viele Frauen waren in den Jahren seit 2005 zum Zeitpunkt der Inhaftierung a) alleinerziehend, b) mit minderjährigen Kindern, c) schwanger (bitte nach a., b. und c. sowie Jahr aufschlüsseln)? 5. Wie häufig kam es in den Jahren seit 2005 durch die Inhaftierung von Frauen in Abschiebehaft zu einer Trennung der Familie (bitte nach Jahr aufschlüsseln)? Zu 4. und 5.: Diese Daten werden statistisch nicht er- hoben. 6. Wie beurteilt der Senat die Anordnung von Ab- schiebehaft von – häufig traumatisierten – Frauen und Müttern im Berliner Abschiebeknast vor dem Hintergrund einer Trennung der Frauen von ihren Kindern? Zu 6.: Die Beantragung von Abschiebungshaft für Familien mit minderjährigen Kindern stellt in der Praxis der Berliner Ausländerbehörde aufgrund der besonders belastenden Wirkung die absolute Ausnahme dar. Die Ausländerbehörde prüft regelmäßig, ob die Aufenthalts- beendigung auch durch weniger belastende Maßnahmen sichergestellt werden kann. Dabei ist das Kindeswohl stets zu beachten. Auf diese Weise werden auch Trennun- gen – insbesondere allein erziehender Mütter oder Väter – von ihren Kindern weitgehend vermieden. Im Hinblick auf die in der Frage angesprochene mög- liche Traumatisierung der Frauen wird darauf hingewie- sen, dass ausschließlich verwahrfähige Personen auf der Grundlage eines richterlichen Beschlusses in Abschie- bungsgewahrsam genommen werden. Allen Abschie- bungshäftlingen wird eine angemessene ärztliche, psycho- logische und sozialpädagogische Betreuung angeboten. 7. Wie lange war die durchschnittliche Verweildauer der weiblichen Abschiebehäftlinge im Berliner Abschie- beknast in den Jahren seit 2005 (bitte nach Jahr aufschlüs- seln)? Zu 7.: Daten in diesem Zusammenhang werden nur fünf Jahre rückwirkend archiviert. *Stand: 08.11.2013 8. Wie viele weibliche Abschiebehäftlinge wurden in den Jahren seit 2005 aus dem Berliner Abschiebeknast entlassen, ohne dass die Abschiebung erfolgte? Wie hoch war der Anteil dieser Fälle gegenüber der Gesamtzahl der Abschiebehäftlinge und aus welchen Gründen erfolgte die Entlassung ohne anschließende Abschiebung (bitte nach Jahr und Grund aufschlüsseln)? Zu 8.: Die Entlassungsgründe werden statistisch nicht erfasst. 9. Wie hoch waren in den Jahren seit 2005 die finanzi- ellen Aufwendungen für weibliche Abschiebehäftlinge in den Bereichen a) der medizinischen Behandlung, b) der Dolmetscherdienstleistungen, c) der Betreuungsmaßnahmen sowie d) der Freizeitmaßnahmen und -geräte (bitte nach Jahr aufschlüsseln)? Zu 9.: Finanzielle Aufwendungen für weibliche Ab- schiebungshäftlinge werden statistisch nicht erfasst. Für die Unterbringung im Abschiebungsgewahrsam wird Geschlechter unabhängig der identische Tagessatz be- rechnet. 10. Wie hoch war in den Jahren seit 2005 die Anzahl der psychologischen und/oder psychiatrische Betreuungs- bzw. Behandlungsfälle von Frauen in Abschiebehaft? Zu 10.: Die Anzahl der psychologischen und/oder psychiatrischen Betreuungs- bzw. Behandlungsfälle von Frauen werden statistisch nicht erfasst. 11. Wie häufig kam es in den Jahren seit 2005 dazu, dass weibliche Abschiebehäftlinge allein im Hafttrakt für Frauen im Berliner Abschiebeknast untergebracht waren (bitte nach Hafttagen je Frau aufschlüsseln)? Zu 11.: Diese Daten werden statistisch nicht erfasst. 12. Wie bewertet der Senat das Problem der sozialen Isolierung von Frauen im Berliner Abschiebeknast? Zu 12.: Einer sozialen Isolierung von Frauen wird durch folgende Maßnahmen entgegengewirkt: Wird in Einzelfällen die Unterbringung einer einzelnen Frau er- forderlich, kann sie  an den Einzelveranstaltungen wie z. B. Gottesdiensten oder Kinoabenden gemeinsam mit den männlichen Insassen teilhaben,  sich mit männlichen Insassen im Besucherbereich während der Besuchszeiten (7 – 19 Uhr) ohne zeitliche Begrenzung treffen und  Sprachpartnerschaften mit z. B. aus dem gleichen Kulturkreis stammenden männlichen Insassen bil- den. Durchschnittliche Verweildauer der weiblichen Abschiebungshäftlinge in Tagen 2008 21,7 2009 31,8 2010 33,3 2011 18,6 2012 13,8 2013* 11,3 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 804 5 Des Weiteren wird in diesen Fällen durchgängig nur weibliches Bewachungspersonal eingesetzt und Organisa- tionen wie Solwodi / Hydra oder eine Seelsorgerin um Unterstützung bei der Betreuung gebeten. 13. Welche frauenspezifischen Anforderungen werden an den allgemeinen Vollzugsdienst sowie die ärztliche, psychologische, seelsorgerische sowie sozialbetreuerische Versorgung im Berliner Abschiebeknast gestellt? Zu 13.: Wenn Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass inhaftierte Frauen einer frauenspezifischen Betreuung bedürfen, werden weibliches Bewachungspersonal und bei Bedarf eine Polizeipsychologin oder externe Seelsor- gerinnen hinzugezogen. 14. Wie hoch waren die finanziellen Aufwendungen in den Jahren seit 2005 jeweils für interne sowie externe frauenspezifische Aus- und Fortbildungsmaßnahmen des Personals im Berliner Abschiebeknast (bitte nach Jahr aufschlüsseln)? Zu 14.: Im Rahmen des Aus- und Fortbildungsspekt- rums des Personals im Berliner Abschiebungsgewahrsam werden neben kulturellen und ethnischen Besonderheiten auch geschlechterspezifische Aspekte vermittelt. Die damit im Zusammenhang stehenden Aufwendungen las- sen sich nicht separiert darstellen. Berlin, den 18. Dezember 2013 Frank Henkel Senator für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 21. Jan. 2014)