Drucksache 17 / 12 812 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Silke Gebel (GRÜNE) vom 07. November 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 08. November 2013) und Antwort Stand der Sanierungsarbeiten am Berliner Kanalsystem Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: Die Kleine Anfrage betrifft Sachverhalte, die der Se- nat nicht aus eigener Zuständigkeit und Kenntnis beant- worten kann. Er ist gleichwohl bemüht, Ihnen eine Ant- wort auf Ihre Anfrage zukommen zu lassen und hat daher die Berliner Wasserbetriebe (BWB) um eine Stellung- nahme gebeten, die von dort in eigener Verantwortung erstellt und dem Senat übermittelt wurde. Sie wird nach- folgend wiedergegeben: Das Land Berlin hat die Aufgaben der Abwasserent- sorgung in Berlin per Gesetz an die BWB übertragen und verfolgt insofern keine eigenen Sanierungsstrategien für die Anlagen der Abwasserentsorgung. Frage 1: Wie beurteilt der Senat das Berliner Kanal- system in Hinblick auf den Bestand, den Substanzerhalt und anstehende Sanierungsarbeiten? Antwort zu 1: Die Strategie der BWB und des Senats ist darauf ausgerichtet, den Bestand des Kanalnetzes für künftige Generationen in einem guten baulichen Zustand zu erhalten. Bestandteil dieser Strategie ist es, ein flä- chendeckendes Informationssystem zur Bestandsbe- schreibung für die Entwicklung und Fortschreibung von effektiven Sanierungsstrategien zu betreiben. Die Beurteilung des Sanierungsbedarfes erfolgte an- hand der Kriterien:  Gewährleistung der Standsicherheit und Betriebssicherheit der Kanäle und Bauwerke und  Herstellung der Dichtheit insbesondere in den Wasserschutzgebieten. Die Analyse des Kanalnetzes nach diesen Kriterien hat ergeben, dass ein langfristiger Sanierungsbedarf besteht. Frage 2: Was für eine Sanierungsstrategie, kurz, mit- tel, langfristig, verfolgt der Senat, um das Berliner Kanal- system für die Bürgerinnen und Bürger instand zu halten? Antwort zu 2: Die bekannten Schäden der Schadens- klasse SK1A, die grundsätzlich eine unverzügliche Sanie- rung erfordern, sollen in einem 5-Jahresprogramm von 2013 bis 2017 saniert werden. Die im Rahmen der bis 2016 abzuschließenden Erstin- spektion des Kanalnetzes zu erwartenden - bislang noch nicht dokumentierten - Schäden der Schadensklasse SK1A sollen bis 2020 saniert werden. Vorgesehen ist die Durchführung aller Sanierungsprojekte bis 2030. Frage 3: Welches Volumen, welcher Anteil der ge- planten Investitionen bis 2020 dient dem Erhalt bzw. der Erhöhung des Substanzwertes im Kanalnetz (Vergleichs- basis 2012)? Antwort zu 3: Gemäß der Kanalsanierungsstrategie sind im Finanzplan der BWB für die eigenfinanzierte Kanalsanierung zwischen 2013 und 2020 Mittel in einer Größenordnung von durchschnittlich 94 Mio. € pro Jahr vorgesehen. Dies entspricht einem Anteil von 85 % des eigenfinanzierten Gesamtbudgets für die Ausgabengruppe „Kanalisation“. Im Jahr 2012 wurden in die Sanierung 47 Mio. € (bei einem Gesamtvolumen von 77,5 Mio. € für die Ausgabengruppe „Kanalisation“) investiert. Der ab 2013 wirkende deutliche Anstieg des Budgetanteils für die Sanierung ergibt sich u.a. durch den in 2012 erforder- lichen hohen Mittelbedarf für den Anschluss von Altsied- lungsgebieten (25,2 Mio. €). Frage 4: Wie stellt der Senat fest, dass die Sanierun- gen in ausreichendem Maße erfolgen? a) Wie erfolgte die Überprüfung der Einhaltung der Vorschriften der DIN EN 752 im Hinblick auf die Genehmigung der Sanierungsstrategie 2011? b) Zu welchen wesentlichen Einzelergebnissen wie Substanzwerterhalt/-erhöhung, Umweltschutzan- forderungen, oder besondere Auflagen seitens SenStadtUm, hat diese Überprüfung seit 2008 ge- führt? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 812 2 c) Welche wesentlichen Vorgaben/Kennzahlen sind vor diesem Hintergrund durch die BWB im Rah- men der Sanierungsstrategie 2011 bis zum Jahr 2020 verbindlich einzuhalten? d) Von welchen Annahmen geht der Senat bei der Er- füllung dieser Anforderungen des WHG zukünftig aus und wie wird dies durch die Sanierungsstrate- gie 2011 abgedeckt? Antwort zu 4: Die Sanierungsstrategie 2011 beruht auf einer gegenüber der Sanierungsstrategie von 2008 wesent- lich erweiterten Datenbasis. Grundsätztlich dürfen Betrei- ber von Abwasser-anlagen nach § 60 Wasserhaushaltsge- setz (WHG) ihre Anlage nur nach den allgemein aner- kannten Regeln der Technik (hier u.a. DIN EN 752) er- richten, betreiben und unterhalten. Die Strategie 2011 erfüllt diese Anforderungen insbe- sondere hinsichtlich der in diesem Zusammenhang rele- vanten baulichen, hydraulischen und Umweltaspekte. Frage 5: Für wie viele km des Kanalnetzes sind die In- spektionen bis einschließlich Sommer 2013 abgeschlos- sen? Wann werden die Inspektionen des Kanalsnetzes abgeschlossen sein? Antwort zu 5: Bis Ende des Jahres 2013 sind rund 8.000 km des Kanalnetzes befahren. Ziel ist es, die In- spektion des Gesamtnetzes bis 2016 abzuschließen. Frage 6: Nach welchen Kriterien erfolgt die Auswahl für die prioritäre Sanierung der SK1A-Schäden? Antwort zu 6: Die Priorisierung erfolgt nach Anzahl der 1A-Schäden je Maßnahme. Besonders geschädigte Bereiche werden bevorzugt saniert. Frage 7: Welche Schäden der höchsten Kategorie SK1A wurden in den Jahren 2012 und 2013 saniert? (Standort, Umfang der Sanierung, Kosten) Antwort zu 7: Ende Oktober 2013 befanden sich ca. 2.800 SK1A-Schäden in den verschiedenen Phasen der Bearbeitung (von der vorbereitenden Planung bis zur Bauausführung). Zum gleichen Zeitpunkt waren insge- samt ca. 1.200 SK1A-Schäden erloschen. Dies bezieht sich sowohl auf eine durchgeführte Sanierung als auch auf eine Aktualisierung des Datenbestandes. Dabei ist zu beachten, dass mit der gezielten operativen Umsetzung der Kanalsanierungsstrategie 2011 erst zum Jahresbeginn 2013 begonnen wurde. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde eine gebietsbezogene Strategie verfolgt. Bei deren Um- setzung wurden im Jahr 2012 ebenfalls Schäden behoben, die nach den Maßstäben der Kanalsanierungsstrategie 2011 als SK1A-Schäden zu bewerten sind. Die Sanierungstätigkeit der Strategie 2011 ist rein schadenbezogen und verteilt sich daher über das gesamte Stadtgebiet. Dies bedeutet, dass sich pro Jahr ca. 150 Vorhaben (mit jeweils einer Vielzahl von SK1A-Schäden) an der Schmutz-, Regen- und Mischwasserkanalistion im Bau befinden. Aufgrund der Fülle der Maßnahmen ist eine einzelne Aufführung im Rahmen dieser Anfrage nicht möglich. Die Kosten belaufen sich für 2012 auf 47 Mio. €, für 2013 geschätzt auf 94 Mio. € (siehe Antwort zu 3). Frage 8: Welche SK1A-Sanierungen sind für 2013 noch geplant, welche für 2014? Antwort zu 8: Aufgrund der Fülle der Maßnahmen ist eine einzelne Aufführung im Rahmen dieser Anfrage nicht möglich. Frage 9: Werden jeweils auch Schäden anderer Scha- densklassen mit saniert? Wenn ja, bitte angeben, an wel- chen Standorten, in welchen Umfang und welche Scha- densklasse. Antwort zu 9: Das Initial für ein Sanierungsvorhaben bilden außerhalb der Wasserschutzzonen die 1A-Schäden bzw. die 1B-2A-Schäden. Im Zuge dieser Vorhaben wer- den dann alle Schäden bis zur Schadenklasse 3 mit sa- niert. Innerhalb der Wasserschutzzonen bilden zusätzlich die dichtheitsrelevanten Schäden der Schadenklasse 1-3 das Initial für ein Bauvorhaben. Frage 10: Wie lange dauert die Beseitigung der SK1A, SK1B und SK2-Schäden? a) Wie lässt sich technisch/praktisch/und unter den Gesichtspunkten der „sofortigen Sanierungsbedürftigkeit “ erklären, dass für die Beseitigung der SK1A-Schäden fünf Jahre in Anschlag gebracht werden? b) In welchem Zeitrahmen soll sich die Beseitigung der SK1B und 2A/2B–Schäden dann abspielen? c) Wie viele von den festgestellten SK1A-Schäden sind inzwischen saniert worden? d) Sind Beeinträchtigungen des Grundwassers durch die SK1A-Schäden oder durch andere Schäden im Kanalnetz bzw. Abwasserdruckrohrnetz zu be- fürchten? Antwort zu 10: a) Dieser Zeitraum stellt das Optimum zwischen Ri- sikoabwägung, Tarifauswirkung, baubetrieblicher Umsetzbarkeit und gleichmäßiger Verteilung der Maßnahmen zur Vermeidung übermäßiger Ver- kehrseinschränkungen über die Stadt dar. Der Zeit- raum wurde zwischen dem Senat und den BWB im Einvernehmen abgestimmt. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 812 3 b) Bis 2030. c) Siehe Antwort zu 7. d) Die Gefahr der Grundwasserbeeinträchtigung durch undichte Kanäle ist in Berlin gering. Auf- grund der hohen Grundwasserstände ist die Wahr- scheinlichkeit einer Grundwasserinfiltration in die Kanalisation deutlich höher als umgekehrt. Frage 11: Mit welchen Messungen werden Grundwas- serbeeinträchtigungen aus schadhaften Kanälen etc. überwacht? a) Welche Messwerte für Bor, Chlorid und andere Indikatorparameter im Grundwasser und Rohwas- ser zur Trinkwassergewinnung liegen für die ver- gangenen Jahre bis heute vor? (Änderungen in den letzten 10 Jahren) b) Gibt es einen Abgleich von derartigen Messergeb- nissen mit den von den BWB identifizierten SK1A-Schäden im Kanalsystem? c) An welchen Messstellen und wie häufig werden Proben zur Überwachung der Grundwasser- Qualität untersucht? d) Gibt es Beeinträchtigungen des Rohwassers zur Trinkwasseraufbereitung, die aus Abwasserexfilt- rationen resultieren könnten? (Wenn ja, welche und wann?) e) Welche Maßnahmen zur Umsetzung der WRRL in Bezug auf die Qualität des Grundwassers sind für wann geplant? f) Wie ist der Zeitraum für die Sanierung der SK1A- Schäden im Kanalsystem angesichts dieser poten- tiellen Auswirkungen fachlich zu verantworten? Antwort zu 11: Grundwasserbeeinträchtigungen aus schadhaften Kanälen werden nicht explizit messtechnisch überwacht. a) Die Tabelle zeigt die statistische Auswertung der letzten 10 Jahre. Eine signifikante Änderung zu der vor- hergehenden Dekade ist nicht festzustellen. Innerhalb der Stadt gibt es Gebiete mit erhöhten Chlo- ridgehalten, die in unmittelbarem Bezug zu denjenigen mit erhöhten Leitfähigkeiten stehen. Jedoch sind Bereiche mit deutlich erhöhten Gehalten oberhalb von 100 mg/l nur kleinräumig ausgeprägt. Anhand der vorliegenden Ergeb- nisse kann bei Chlorid nicht von einer relevanten flächen- haften Belastung des Berliner Grundwassers aufgrund diffuser Schadstoffquellen gesprochen werden. In lokalen Bereichen der Innenstadt finden sich hohe Gehalte oberhalb von 100 µg/l Bor bzw. 2 mg/l Ammoni- um, die eine diffuse Beeinflussung erkennen lassen. In diesen beeinflussten Gebieten wird jedoch kein Rohwasser zur Trinkwasseraufbereitung gewonnen. Parameter Einheit Min. Max. Mittelwert Anzahl der Messungen Bor µg/l 50.0 985.0 205.626 4631 Chlorid mg/l 5.0 1720.0 62.7 4632 Ammonium mg/l 0.025 29.7 0.85 4632 Leitfähigkeit µS/cm 5.0 5360.0 962.0 4632 Tabelle: Senatsmessnetz Grundwasser b) Nein. c) Das Senatsmessnetz Grundwasser umfasst 190 Messstellen, die zweimal im Jahr analysiert werden. d) Nein. e) Die zum Teil sehr hohe Sulfatbelastung im Berli- ner Grundwasser infolge heterogener Belastungsquellen (z.B. Rieselfeldeinträge, Trümmerschutteinfluss) hat dazu geführt, dass nach der Bestandserfassung zur Umsetzung der EG-Wasserrahmenrichtlinie 3 von 4 Berliner Grund- wasserkörpern den guten chemischen Zustand verfehlt haben. Der Senat hat Untersuchungen beauftragt, die unterschiedlichen Sulfatquellen im Berliner Stadtgebiet zu identifizieren und ihre regionale Bedeutung für das Berliner Grundwasser zu beschreiben. Ziel der Vorhaben ist darüber hinaus die Bestimmung der Mobilisierungs- und Verlagerungsmechanismen von Sulfat in der Boden- zone und im Grundwasser sowie die qualitative und quan- titative Erfassung sämtlicher Eintragspfade in das Grund- wasser. Aus den gewonnenen Erkenntnissen sollen Be- wirtschaftungs- und Sanierungsstrategien abgeleitet wer- den. f) Es liegen keine Beeinträchtigungen der Rohwas- serbeschaffenheit vor. Berlin, den 03. Dezember 2013 In Vertretung C h r i s t i a n G a e b l e r ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. Dez. 2013)