Drucksache 17 / 12 843 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Joschka Langenbrinck (SPD) vom 10. Oktober 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 14. November 2013) und Antwort Einführung von Ausweis-Automaten in allen Bürgerämtern der Bezirke Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Über welchen Zeitraum läuft das Pilotprojekt des Ausweis-Automaten im Bezirk Marzahn-Hellersdorf, wann ist es gestartet und wann endet es? Zu 1.: Die „Vereinbarung zur Pilotierung der Speed Capture Station G3 (Selbstbedienungsterminal zur digita- len Erfassung biometrischer Daten) zur geschäftsprozess- orientierten Weiterentwicklung im Entwicklungsprozess von Bürgerämtern, als gemeinsame Anlaufstelle für alle Bürgerinnen und Bürger sowie Gewerbetreibenden“ wurde für den Zeitraum 22.08.2013 bis 31.12.2015 vom Be- zirk Marzahn-Hellersdorf und dem Gerätehersteller ge- schlossen (vgl. hierzu auch zu 7.). Die Vorbereitung be- gann 2011 unter Einbeziehung der Beschäftigten, der bezirklichen Beschäftigtenvertretungen, der Datenschutz- beauftragen, der Senatsverwaltung für Inneres und Sport, des Landesamtes für Bürger- und Ordnungsangelegenhei- ten (LABO) und des hierfür zuständigen Referates des Bundesinnenministeriums. Am 02.09.2013 wurde je ein Ausweis-Automat als Selbstbedienungsterminal in den Warteräumen der drei Bürgerämter des Bezirkes in Be- trieb genommen. 2. Wird dieses Pilotprojekt evaluiert und wenn ja, bis wann und welche Kriterien werden für die Evaluation zugrunde gelegt? Zu 2.: Die Evaluierung erfolgt mittels der Feststellung der Veränderung/Reduzierung der mittleren Bedienzeit je Anwendungsfall bei Personalausweisen und Reisepässen. Weiterhin wird untersucht, wie sich in Abhängigkeit der Nutzung des Ausweis-Automaten als Selbstbedienungs- terminal die über alle Kundinnen und Kunden erhobene mittlere Bedienzeit verändert. Es wird auch evaluiert, ob sich eine Veränderung im Rahmen der bundesweit einma- ligen „ständigen Online-Ämterbewertung der Bürgerämter “ darstellen lässt. Diese Kriterien werden monatlich vom Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf evaluiert und halb- jährlich zusammenfassend dargestellt. 3. Sind dem Senat weitere Pilotprojekte in anderen Bundesländern bekannt und wenn ja, welche und zu wel- chen Ergebnissen sind die Projekte gekommen? Zu 3.: Pilotprojekte wurden in Göttingen (Niedersach- sen, 2012), Geretsried (Bayern, 2013) und Hannover (Niedersachsen, 2013) durchgeführt. Alle Städte haben sich nach Abschluss der Pilotprojekte jeweils zum Kauf einer Speed Capture Station G3 entschieden. Aktuell läuft ein Pilotprojekt in Magdeburg. Außer in den drei genann- ten Städten werden Speed Capture Stations derzeit (Stand 15.11.2013) im Echtbetrieb genutzt in Bergheim, Düren, Essen, Mülheim an der Ruhr, Siegburg, Wermelskirchen (alle NRW), Osnabrück, Wilhelmshaven (beide Nieder- sachsen) und Norderstedt (Schleswig-Holstein). Die vor- genannten Städte haben sich jeweils ohne vorhergehende Pilotierung direkt für den Kauf der Speed Capture Station oder aber den Abschluss eines Betreibervertrags ent- schlossen. Inhalt eines Betreibervertrags ist der Betrieb der Speed Capture Station durch einen Betreiber im eige- nen Namen und auf eigene Rechnung. Für die Kommunen entstehen in diesem Fall keine Investitionsausgaben oder laufende Kosten. Das vom Bürger zu zahlende Nutzungs- entgelt wird durch die Kommune eingezogen und monat- lich an den Betreiber weitergeleitet. Die Nutzung erfolgt überwiegend für die Datenerfassung für Personalausweise und Reisepässe, in Mülheim an der Ruhr ausschließlich für Aufenthaltstitel und Reiseausweise, in Osnabrück auch für Führerscheine und in Wilhelmshaven auch für Aufenthaltstitel und Reiseausweise. Diese Aufzählung lässt begründet annehmen, dass die Einsatzergebnisse für den Ausweis-Automaten als Selbstbedienungsterminal positiv sind. Detaillierte Fallzahlen liegen aus den o. g. Kommunen nicht vor. 4. Welche Ausweisdokumente können mit dem Aus- weis-Automaten erstellt werden, wie lange dauert ein durchschnittliches Antragsverfahren mithilfe des Aus- weis-Automaten und wie lange dauert ein durchschnittli- ches Antragsverfahren auf dem herkömmlichen, manuel- len Weg? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 843 2 Zu 4.: Der Ausweis-Automat erlaubt, abhängig von der Implementierung des Datenabrufs im jeweils einge- setzten Fachverfahren, die Datenerfassung für  Personalausweise,  Reisepässe,  Aufenthaltstitel,  Reiseausweise und  Führerscheine. Eine Datenerfassung bzw. ein Datenabruf ist grund- sätzlich auch für weitere Dokumente, die Lichtbild und/oder Unterschrift beinhalten, realisierbar. Die Daten- erfassung durch die Kundinnen und Kunden am Selbstbe- dienungsterminal, dem Ausweis-Automaten, dauert ein- schließlich der Erfassung der Fingerabdrücke weniger als fünf und ohne die Erfassung der Fingerabdrücke weniger als drei Minuten (basierend auf Zahlen aus u. a. Göttingen und Essen). Die Ermittlung der entsprechenden Zahlen und die Auswirkungen für die direkte Bedienzeit durch die Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter in den Bürge- rämtern ist Teil der Evaluierung in Marzahn-Hellersdorf (vgl. auch Antwort zu 2.). 5. Wie hoch ist die Gebühr für die jeweilige Nutzung des Ausweis-Automaten, kommen mögliche weitere Be- arbeitungs- und/oder Materialkosten für die Erstellung des entsprechenden Ausweises in welcher Höhe hinzu und wie hoch sind die Gebühr und Bearbeitungs- und/oder Materialkosten für die Erstellung eines Ausweises im herkömmlichen, manuellen Antragsverfahren? Zu 5.: In Marzahn-Hellersdorf ist durch die nutzenden Kundinnen und Kunden für die Erfassung und Übermitt- lung der Daten am bzw. durch den Ausweis-Automat an den Betreiber ein Entgelt in Höhe von derzeit 4,50 Euro zu entrichten. Weitere, durch den Einsatz des Ausweis- Automaten bedingte Kosten fallen zurzeit nicht an. Die Gebühren für die jeweiligen Personaldokumente bleiben hiervon unberührt. 6. Wie ist der Schutz der über den Ausweis- Automaten gespeicherten Daten (z.B. Digitalfoto, Finger- abdrücke, Unterschrift) gesichert und wie stellt der Senat die Sicherung dieser gespeicherten Daten im herkömmli- chen, manuellen Antragsverfahren sicher? Zu 6.: Alle erfassten biometrischen Daten werden vor der Speicherung verschlüsselt und ausschließlich am Arbeitsplatz der Sachbearbeiterin/des Sachbearbeiters (u.a. zur Anzeige des Fotos) wieder entschlüsselt. Die Übertragung erfolgt über verschlüsselte Kanäle. Die er- fassten Daten werden kurzfristig nach Abruf aus der be- zirklichen Datenbank gelöscht; ebenso Daten, die nicht innerhalb eines definierten Zeitraums abgerufen wurden. Die Nutzung des Ausweis-Automaten erfolgt mittels einer dafür definierten und vom Verfahrensverantwortlichen (LABO) freigegebenen Schnittstelle im Fachverfahren Meso. 7. Welcher Anbieter stellt den Ausweis-Automat im Pilotprojekt im Bezirk Marzahn-Hellersdorf zur Verfü- gung, welche möglichen weiteren Anbieter gibt es, was kostet ein Ausweis-Automat und wie viele Automaten wären notwendig, um eine bedarfsgerechte Anzahl in den Bürgerämtern der Bezirke zur Verfügung zu stellen und mit welchen Gesamtbeschaffungskosten wäre zu rechnen? Zu 7.: Der Ausweis-Automat wird durch den Herstel- ler, die Speed Intraproc GmbH in Ratingen, zur Verfü- gung gestellt. Die Speed Intraproc ist ausweislich der vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik veröffentlichten Liste zertifizierter Produkte der derzeit (Stand 15.11.2013) einzige Hersteller eines zertifizierten Produkts in der Kategorie „Selbstbedienungsterminals (Live Enrolment Stations) zur Produktionsdatenerfassung, -qualitätsprüfung und -übermittlung für hoheitliche Do- kumente“. Die Kosten je Ausweis-Automat belaufen sich auf ca. 22.000 Euro. Da das Evaluationsverfahren noch nicht abgeschlossen ist, kann derzeit nicht festgestellt werden, ob ein Bedarf für die flächendeckende Aufstel- lung weiterer Automaten besteht und welche Stückzahlen dann ggf. zum Einsatz kommen sollten. Zudem müsste entschieden werden, ob man sich für den Kauf der Speed Capture Station oder aber den Abschluss eines Betreiber- vertrags entschließt (siehe hierzu 3.) 8. Wer ist für die Wartung der Automaten im laufen- den Betrieb zuständig, wer trägt die Wartungskosten und wie hoch sind die Wartungskosten pro Gerät? Zu 8.: Abhängig vom Geschäftsmodell ist entweder der Betreiber für die Aufrechterhaltung der Betriebsbe- reitschaft verantwortlich (wie in Marzahn-Hellersdorf) oder aber wird (im Falle des Kaufs der Speed Capture Station) ein Systemservicevertrag mit einem Servicean- bieter abgeschlossen. Die Kosten sind im letztgenannten Fall durch die einsetzende Stelle (Behörde/Amt) zu tra- gen. Die Wartungskosten belaufen sich auf ca. 3.000 Euro p.a. 9. Wie viele Bürgerämter gibt es in den Berliner Be- zirken, welche Aufgaben haben sie und wie viele Mitar- beiterinnen und Mitarbeiter sind in den jeweiligen Bürge- rämtern eingesetzt? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 843 3 Zu 9.: Es besteht folgende Ist-Ausstattung der Berliner Bürgerämter: In den einzelnen Standorten sind zwischen zwei und 31 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt. In fünf Bezirken wird das Angebot an Bürgerdienstleistungen zudem von mobilen Diensten ergänzt. Zu den Aufgaben des Standardaufgabenkataloges ge- hören u.a.: Amtliche Beglaubigungen; Beratung und Hilfestellung beim Ausfüllen von Anträgen u.a der Gebühreneinzugs- zentrale und des Bildungs- und Teilhabepakets; Ausgabe von Anträgen; Auskünfte und Vermittlung zum Sozialge- setzbuch; Lebenslagenberatung; Antragsannahme, Erst- prüfung und ggf. Hilfestellung beim Ausfüllen von An- trägen in Angelegenheiten des geförderten Wohnungs- baus (Richtlinien vereinbarte Förderung – 2. Förderweg und Wohnberechtigungsschein – 1. Förderweg) und Wohngeldangelegenheiten; Bereitstellung von vielseiti- gen Informationsbroschüren; Verkauf von verschiedenen Drucksachen; Bearbeitung von Ausländer-, Führerschein-, Kraftfahrzeug-, Melde-, Personalausweis- und Passange- legenheiten; Ausstellung von internationalen Führerschei- nen und Bescheinigungen aus dem Melderegister; Bear- beitung von Bestattungsscheinen und Leichenpässen; Annahme und Bearbeitung von Fundsachen; Mitarbeit bei der Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung von Wahlen usw.; Ausstellung und Verlängerungen von Ber- linpässen bzw. Berlinpässen für das Bildungs- und Teil- habepaket; Durchführung der Antragstellung für Aus- künfte aus dem Bundeszentralregister oder Auskünfte aus dem Gewerbezentralregister (BZR/GZR); Bearbeitung von Anwohnerpark- und Gästeparkausweisen. 10. Stimmt der Senat der Auffassung zu, dass ein Ausweis-Automat ein sinnvoller Beitrag zur Entlastung des Personals in den Bürgerämtern, zur weiteren Moder- nisierung und zur Verbesserung der Servicequalität der bürgernahen Berliner Verwaltung sein kann und wenn ja, wie gedenkt der Senat die Bezirke in der Einführung und Ausstattung ihrer Bürgerämter mit Ausweis-Automaten zu unterstützen? Zu 10.: Die aktuellen Bemühungen der Verwaltungs- modernisierung sind u.a. geprägt durch den Senatsbe- schluss zur „One-Stop-City 2016“ vom 21.08.2012. Das Konzept zielt darauf ab, zukünftig in Bürgerzentren einen Service aus einer Hand zu bieten. Dabei bleibt die mehr- kanalige Ausgestaltung der Zugangswege zur Verwaltung eine permanente Herausforderung. Die bezirklichen Äm- ter für Bürgerdienste zählen zu den wichtigsten Front- Office-Bereichen für die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt und stehen deshalb auch im Fokus vieler Verwal- tungsmodernisierungsprojekte. Der Senat begleitet das eigenständige Projekt des Bezirks Marzahn-Hellersdorf mit Interesse und wird nach der Testphase die Evaluation im Kontext weiterer verbesserter Zugangswege (z.B. Online-Dienste) kritisch würdigen. Erst dann können Entscheidungen zur weiteren (stadtweiten) Entwicklung getroffen werden. Berlin, den 18. Dezember 2013 Frank Henkel Senator für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 14. Jan. 2014) Bezirke Zahl der Standorte Zahl der Mitar- beiterinnen und Mitarbeiter bzw. Vollzeitäquivalent Charlottenburg- Wilmersdorf: 4 ca. 50 Friedrichshain- Kreuzberg: 3 ca. 47 Lichtenberg: 4 40 Marzahn- Hellersdorf: 3 32 Mitte: 3 50 Neukölln: 4 66 Pankow: 4 71 Reinickendorf: 5 45 Spandau: 4 33 Steglitz-Zehlendorf: 3 56 Tempelhof- Schöneberg: 3 40 Treptow-Köpenick: 2 36 Gesamt 42 ca. 536