Drucksache 17 / 12 846 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Joschka Langenbrinck (SPD) vom 04. November 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 14. November 2013) und Antwort Aktuelle Situation im Vollzug des Jugenddauer-, Jugendkurz-, Jugendfreizeit- und Jugendwarnschussarrests in Berlin Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Bis zu welcher Dauer kann ein Jugenddauerarrest, Jugendkurzarrest, Jugendfreizeitarrest und Jugendwarn- schussarrest verhängt werden und welche Kriterien müs- sen zur Verhängung der einzelnen Arrestform erfüllt sein? Zu 1.: Der Jugendarrest wird als Freizeitarrest für eine oder zwei Freizeiten (in der Regel Wochenenden), als Kurzarrest für die Dauer von zwei bis vier Tagen oder als Dauerarrest von mindestens einer Woche und höchstens vier Wochen festgesetzt (§ 16 des Jugendgerichtsgesetzes - JGG). Grundsätzlich ahndet das Jugendgericht die Straf- tat mit Arrest, wenn Erziehungsmaßregeln nicht ausrei- chen und Jugendstrafe nicht geboten ist, der/dem Jugend- lichen aber eindringlich zum Bewusstsein gebracht wer- den muss, dass sie bzw. er für das von ihr bzw. ihm be- gangene Unrecht einzustehen hat (§§ 5, 13 JGG). Im Unterschied zum Dauerarrest soll der Freizeitarrest nega- tive Auswirkungen vor allem auf den Ausbildungs- und Arbeitsbereich der Verurteilten/des Verurteilten vermei- den. Der Kurzarrest ist eine Ersatzform des Freizeitarres- tes für Fälle, in denen der zusammenhängende Vollzug aus erzieherischen Gründen zweckmäßig erscheint. Der mit Wirkung zum 7. März 2013 eingeführte soge- nannte Warnschussarrest - Arrest neben der zur Bewäh- rung ausgesetzten Jugendstrafe - kann in Form von Dau- er-, Freizeit- oder Kurzarrest verhängt werden. § 16a Absatz 1 JGG sieht seine Verhängung in drei abschlie- ßenden Fallgruppen vor, namentlich wenn 1. dies unter Berücksichtigung der Belehrung über die Bedeutung der Aussetzung zur Bewährung und unter Berücksichtigung der Möglichkeit von Weisungen und Auflagen geboten ist, um der Jugendlichen bzw. dem Jugendlichen ihre bzw. seine Verantwortlichkeit für das begangene Unrecht und die Folgen weiterer Straftaten zu verdeutlichen, 2. dies geboten ist, um den Jugendlichen zunächst für eine begrenzte Zeit aus einem Lebensumfeld mit schädlichen Einflüssen herauszunehmen und durch die Behandlung im Vollzug des Jugendarrestes auf die Bewährungszeit vorzubereiten, oder 3. dies geboten ist, um im Vollzug des Jugendarrestes eine nachdrücklichere erzieherische Einwirkung auf die Jugendliche bzw. den Jugendlichen zu erreichen oder um dadurch bessere Erfolgsaussichten für eine erzieherische Einwirkung in der Bewährungszeit zu schaffen. 2. In wie vielen Fällen wurde im Jahr 2012 und in den ersten drei Quartalen 2013 Jugenddauerarrest, Jugend- kurzarrest und Jugendfreizeitarrest verhängt, wie alt wa- ren die jeweiligen Verurteilten und welchem Geschlecht gehörten sie jeweils an (bitte die Auflistung in der Ant- wort auf die Fragen 1 und 2 der Kleinen Anfrage 17/10383 fortführen)? Zu 2.: Dauerarrest gesamt/männlich/weiblich Kurzarrest gesamt/männlich/weiblich Freizeitarrest gesamt/männlich/weiblich 2012 689 / 599 / 90 106 / 87 / 19 200 / 152 / 48 01.01.2013 bis 30.09.2013 440 / 375 / 65 40 / 30 / 10 102 / 87 / 15 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 846 2 Im Hinblick auf das Alter der Verurteilten wird wei- terhin nur eine gemeinsame Statistik bezüglich der drei Arrestformen geführt, wobei die Erfassung in Altersgrup- pierung erfolgte: Altersgruppe 2012 gesamt/männlich/weiblich 01.01.2013 bis 30.09.2013 gesamt/männlich/weiblich 14 bis unter 16 Jahre 84 / 56 / 28 54 / 46 / 8 16 bis unter 18 Jahre 313 / 255 / 58 180 / 130 / 50 18 Jahre und älter 598 / 527 / 71 337 / 303 / 34 3. In wie vielen Fällen wurde seit März 2013 ein Ju- gendwarnschussarrest verhängt, wie alt waren die jeweili- gen Verurteilten und welchem Geschlecht gehörten sie jeweils an? Zu 3.: Seit März 2013 wurden drei Warnschussarreste verhängt. Betroffen waren drei männliche Arrestanten. Davon war einer 14 Jahre alt, die anderen beiden waren jeweils 19 Jahre alt. 4. Wie viel Zeit verging im Jahr 2012 und in den ers- ten drei Quartalen 2013 durchschnittlich zwischen dem Rechtsakt der Anordnung und dem Antritt eines Jugend- dauerarrests, Jugendkurzarrests und Jugendfreizeitarrests? Zu 4.: Im Jahr 2012 betrug die durchschnittliche Dau- er zwischen Rechtskraft der Arrestanordnung und Arrest- antritt 10,22 Wochen, in den ersten beiden Quartalen des Jahres 2013 11,04 Wochen. Die Zahlen für das dritte Quartal 2013 liegen noch nicht vor. Bei der statistischen Erhebung wird nicht zwischen den verschiedenen Arrest- formen unterschieden. 5. Wie viel Zeit verging seit März 2013 durchschnitt- lich zwischen dem Rechtsakt der Anordnung und dem Antritt eines Jugendwarnschussarrests? Zu 5.: Siehe Antwort zu Frage 4. 6. Wie viele Plätze im Jugendarrestvollzug stehen ins- gesamt und jeweils zur Verfügung für Jugenddauerarrest, Jugendkurzarrest, Jugendfreizeitarrest und Jugendwarn- schussarrest? Zu 6.: Die Jugendarrestanstalt Berlin hat eine Kapazi- tät von 60 Arrestplätzen, wobei nicht nach Plätzen für die jeweiligen Arrestformen unterschieden wird. 7. Wie viele Jugendstraftäter mussten im Jahr 2012 und in den ersten drei Quartalen 2013 beim Antritt ihres Dauerarrests, Kurzarrests und Freizeitarrests aufgrund einer Vollbelegung der Jugendarrestanstalt oder aus wel- chen anderen Gründen ihren Arrestantritt später antreten? Zu 7.: Die Abweisungsstatistik wurde bis April 2012 geführt. Hierbei wurden nur die Abweisungen aufgrund von fehlender Platzkapazität aufgelistet. Eine Untertei- lung in die verschiedenen Arrestarten erfolgte nicht. Nach Umzug in den ehemaligen Untersuchungshaftbereich Kieferngrund kam es zu keinen Abweisungen aufgrund von Vollbelegung. * andere Abweisungsgründe sind: fehlender Ausweis, Stellung im alkoholisierten Zustand, fehlende Unterlagen bei potentiellen Ausgängern. 8. Wie viele Jugendstraftäter mussten seit März 2013 beim Antritt ihres Warnschussarrests aufgrund einer Vollbelegung der Jugendarrestanstalt oder aus welchen anderen Gründen ihren Arrestantritt später antreten? Zu 8.: Alle geladenen Warnschussarrestanten konnten ihren Arrest sogleich antreten. 9. Wie viele Jugendstraftäter konnten im Jahr 2012 und in den ersten drei Quartalen 2013 ihren Dauerarrest, Kurzarrest und Freizeitarrest gar nicht antreten? Zu 9.: Von Januar bis September 2012 haben 51 Ju- gendstraftäterinnen und Jugendstraftäter ihren Arrest nicht angetreten. Die Gründe hierfür lagen an der Abgabe der Vollstreckung an einen anderen Gerichtsbezirk, unbe- kanntem Aufenthalt, dem Erlass oder Absehen der Voll- streckung bzw. dem Vollstreckungsaufschub. Seither wird wegen des unangemessenen Verwaltungsaufwands zum Nichtantritt des Arrests in Absprache mit dem Kriminolo- gischen Dienst keine Statistik mehr erhoben. 10. Wie viele Jugendstraftäter konnten seit März 2013 ihren Warnschussarrest gar nicht antreten? Abweisung aufgrund von Vollbelegung Abweisung aus anderen Gründen* 2012 61 30 01.01.2013 bis 30.09.2013 0 9 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 846 3 Zu 10.: Die/Der zum sogenannten „Warnschussarrest“ geladene Jugendstraftäterin/Jugendstraftäter hat ih- ren/seinen Arrest innerhalb von drei Wochen angetreten. Die weiteren zwei Anordnungen waren wegen Verstoßes gegen § 2 StGB nicht vollstreckbar. 11. Wie beurteilt der Senat die pädagogische Wirkung des Jugendkurzarrests, Jugendfreizeitarrests und Jugend- warnschussarrests? 12. Welche pädagogischen Begleitmaßnahmen zum Jugenddauerarrest, Jugendkurzarrest, Jugendfreizeitarrest und Jugendwarnschussarrest gibt es bereits, welche sind ergänzend geplant und von wem werden diese durchge- führt? Zu 11. und 12.: Die Jugendarrestanstalt Berlin arbeitet mit den Dauer- und Kurzarrestantinnen und -arrestanten im Rahmen eines strukturierten und intensiven pädagogi- schen Stufenkonzepts (sogenanntes Modulares Kompe- tenztraining). Schwerpunkte sind hier pädagogische Ge- spräche, Trainings in den verschiedenen relevanten Berei- chen und intensives Networking zur Überleitung an die staatlichen und freien Beratungs- und Hilfeeinrichtungen nach Arrestende. Auch die pädagogische Arbeit mit den Eltern darf hier nicht unerwähnt bleiben. Die pädagogi- sche Arbeit erfolgt unabhängig von der jeweiligen Arrest- form. Eine strukturierte und intensive pädagogische Ar- beit mit den Arrestantinnen und Arrestanten ist allerdings im Falle von Freizeitarrest mangels ausreichender Ver- weildauer in der Arrestanstalt nicht möglich. Indessen findet selbst bei den nur kurz in der Anstalt verweilenden Freizeitarrestantinnen und Freizeitarrestanten eine päda- gogische Betreuung zumeist in Form von Gesprächen und Vernetzung mit externen Anlaufstellen statt. Im Zuge der Einführung des sogenannten Warn- schussarrestes wurde in Kooperation mit der Senatsver- waltung für Justiz und Verbraucherschutz unter Federfüh- rung der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wis- senschaft das Projekt „Spurwechsel“ in enger Kooperation der freien Träger Gangway e.V. und Freie Hilfe e.V. initiiert. Grundgedanke der jeweils bis zu sechs Monate langen Betreuung ist es, mit den Jugendstraftäterinnen und Jugendstraftätern bereits während des Arrestes Rah- menbedingungen zu schaffen, die für eine prosoziale Integration unabdingbar sind und diese nach dem Arrest weiter zu verfestigen. Das Projekt „Spurwechsel“ bezieht bereits bestehende oder auch gescheiterte Jugendhilfemaßnahmen ein, ver- sucht gemeinsam mit der/dem Jugendlichen bzw. Heran- wachsenden Ursachen des zurückliegenden Scheiterns herauszuarbeiten und daraus erfolgversprechende indivi- duelle Unterstützungsmöglichkeiten auszuwählen. Ziel der Arbeitsbeziehung zwischen den Teilnehmenden und den Projektmitarbeiterinnen und Projektmitarbeitern ist die Aktivierung, Entwicklung und Überführung in ein stabiles unterstützendes Netzwerk, welches aus Familie, schulischen und beruflichen Bildungs- und Beratungsan- geboten, sowie sinnvoller Freizeitgestaltung bestehen kann. 13. Wurde die geplante Erfolgskontrolle für die Arbeit mit Jugendstraftätern inzwischen eingeführt und wenn ja, wie und von wem wird sie durchgeführt und welche Be- reiche umfasst die Erfolgskontrolle? Zu 13.: Zurzeit findet eine Evaluation des Arrestvoll- zugs und des dort praktizierten pädagogischen Konzepts noch nicht statt. Das Design für die Evaluation durch den neu eingerichteten Kriminologischen Dienst der Senats- verwaltung für Justiz und Verbraucherschutz befindet sich im Stadium der Entwicklung. 14. Ist die Überprüfung und Erörterung des bisherigen pädagogischen Konzepts des Jugendarrestvollzugs zwi- schen der Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucher- schutz und der JAA aufgrund der erhöhten Platzkapazität durch die Nutzung des ehemaligen Untersuchungshaftbe- reichs Kieferngrund inzwischen erfolgt und wenn ja, mit welchem Ergebnis und welche Konsequenzen zieht der Senat daraus hinsichtlich der möglichen Veränderung des pädagogischen Konzepts und des Personalbedarfs? Zu 14.: Mit Verlegung des Jugendarrestvollzugs in den Untersuchungshaftbereich Kieferngrund mit den dortigen Platzkapazitäten hat die Jugendarrestanstalt in Kenntnis der Senatsverwaltung für Justiz und Verbrau- cherschutz eine neue pädagogische Konzeption entwi- ckelt, die seit Februar 2013 vorliegt und der Arrestanstalt als Arbeitsgrundlage dient. Wie bei jeder Konzeption handelt es sich um ein sogenanntes „living document“, das stetig der Überarbeitung und Verbesserung unterliegt. Berlin, den 04. Dezember 2013 Thomas Heilmann Senator für Justiz und Verbraucherschutz (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 12. Dez. 2013)