Drucksache 17 / 12 854 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Burkard Dregger (CDU) vom 14. November 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. November 2013) und Antwort Modernisierung der Berliner Verwaltung: Ersatz von ProFiskal und Einführung der Doppik? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Bis wann plant der Senat die Rechnungssoftware ProFiskal in der Berliner Verwaltung zu verwenden? Zu 1.: Nach einer europaweiten Ausschreibung der HKR-Software des Landes Berlin wird ProFiskal voraus- sichtlich in 2018 durch eine neue Software abgelöst. 2. Wie lange kann die Software ProFiskal in der Ber- liner Verwaltung noch betrieben werden bzw. bis wann ist der technische Support gewährleistet? Zu 2.: Die Software ProFiskal P3 unterliegt weiterhin der Pflege durch die Herstellerin UNIT4 GmbH. Dies wurde dem Land Berlin in einem Software-Pflegevertrag zugesichert. Der Vertrag kann erstmals zum Ende 2018 gekündigt, jedoch bei Bedarf verlängert werden. 3. Wie beurteilt der Senat die Einführung des kauf- männischen Rechnungswesens und des neuen Steue- rungsmodells in Osterreich? 4. Wie beurteilt der Senat die Hamburger Initiative ei- ner Haushaltsrechtsreform, die zum Ziel hat, das kauf- männische Rechnungswesen auch im öffentlichen Sektor zu etablieren und erwartet der Senat davon eine weitere Signalwirkung für die anderen Länder? 5. Wie viele Bundesländer und kreisfreie Städte sowie Gemeinden haben bisher in Deutschland ihr Rechnungs- wesen auf die doppische Buchführung umgestellt? Zu 3.-5.: Der Senat verfolgt die Haushaltsrechtsrefor- men im In- und Ausland. Neben Österreich und Hamburg haben weitere Bundesländer und Kommunen sowie die Kantone der Schweiz auf ein kaufmännisches Rech- nungswesen umgestellt. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass weitere Länder und Kommunen eine Um- stellung vornehmen. Ein aktueller Überblick kann den beigefügten Anlagen entnommen werden. Auch die Berliner Finanzverwaltung tauscht sich mit den anderen Finanzbehörden über deren Erfahrungen im Zusammenhang mit der Einführung eines kaufmänni- schen Rechnungswesens aus. Eine abschließende Beur- teilung dazu liegt noch nicht vor. Die bisher gewonnen Erkenntnisse lösen aus Sicht des Senats jedoch keinen unmittelbaren zusätzlichen Handlungsbedarf für das Land Berlin aus. 6. Wie beurteilt der Senat diese Entwicklung vor dem Hintergrund, dass seit geraumer Zeit insbesondere auch für den Vergleich der öffentlichen Haushalte in der EU – internationale Standards {IPSAS, EPSAS) für das öffent- liche Rechnungswesen diskutiert werden? 7. Für welchen Zeitpunkt plant der Senat in Berlin den nächsten Systemwechsel für das Berliner Rechnungswe- sen und inwieweit will er dabei der dynamischen Ent- wicklung Rechnung tragen und verhindern, dass er den technischen Anschluss nicht verpasst und im Zuge bun- desweiter oder EU-weiter Standards teuer nachbessern muss? Zu 6. und 7.: Ziel von einheitlichen European Public Sector Accounting Standards (EPSAS) ist eine Minimie- rung der Risiken der von den Mitgliedstaaten gemeldeten Daten an Eurostat für das Europäische System der volks- wirtschaftlichen Gesamtrechnung (ESVG). Durch einen Kernbestand von einheitlichen europäischen Rechnungs- führungsgrundsätzen sollen die Daten einerseits ver- gleichbar sein und das jetzige aufwendige und fehlerbe- haftete Kompilieren der Daten durch Eurostat ersetzen bzw. deutlich minimieren. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 854 2 Die EU-Kommission ist sich dabei dessen bewusst, dass einheitliche Standards der Rechnungsführung noch keine Garantie für hochwertige öffentliche Rechnungs- führungsdaten sind und benennt weitere notwendige Vo- raussetzungen wie: • Politische Entschlossenheit und gemeinsame Verantwortung • Hohe Anforderungen an die öffentliche Verwaltung einschließlich integrierender IT Systeme • Effektive interne Kontrollen und externe Prüfungen Der mit dem Bericht beschlossene Aktionsplan sieht vor, in einen ersten Schritt einen Kernbestand bzw. EPSAS Grundnormen und einen Umsetzungsplan zu erarbeiten. Bereits jetzt ist sich die EU Kommission der unterschiedlichen Ausgangssituation in den Mitgliedslän- dern bewusst und sieht neben einer schrittweisen Einfüh- rung auch unterschiedliche Übergangsfristen vor. Welche Fristen zur Anwendung kommen konnten, ist in dem Bericht noch nicht benannt. Für das Land Berlin wird der Umstellungsaufwand als vertretbar eingeschätzt, da aufgrund der laufenden Kon- tierung von Kosten und Erträgen und einer bereits vor- handenen Bewertung des Sachanlagevermögens (aller- dings ohne öffentliches lnfrastrukturvermögen) sowohl buchungstechnisch als auch hinsichtlich des Knowhows der Beschäftigen gute Voraussetzungen für eine solche Umstellung vorliegen. Sollten die EPSAS durch einen entsprechenden EU-Beschluss verbindlich werden, wer- den führende Softwarehersteller diese rechtlich verbindli- chen Standards in ihrer Software berücksichtigen und als Standardsoftware anbieten. Eine ausdrückliche Beauftra- gung und Finanzierung durch das Land Berlin wäre hier- für nicht erforderlich. Vor diesem Hintergrund ist es nicht beabsichtigt, im Rahmen der Ausschreibung der HKR-Software ab 2014 bereits auf ein doppisches Rechnungswesen umzustellen. Vielmehr ist zunächst beabsichtigt, bis 2018 eine neue HKR-Software in Betrieb zu nehmen, was einem Sys- temwechsel entspricht. Die Software ProFiskal wird dann über 20 Jahre im Einsatz gewesen sein. In diese Zeit fie- len einschneidende Änderungen, wie z.B. die Einführung der Kosten- und Leistungsrechnung im Land Berlin, die Bezirksfusion oder die SEPA-Einführung. Obwohl Ände- rungen am ProFiskal nur bei UNIT4 vorgenommen wer- den können, haben die vertraglichen Rahmenbedingungen jederzeit für moderate Kosten gesorgt. Von der auszu- schreibenden Software wird ebenso erwartet, dass sie sich mit kalkulierbarem Aufwand über Jahre hinweg an verän- derte Erfordernisse anpassen lässt, bevor ein erneuter Systemwechsel unvermeidlich wird. Der Stand der Tech- nik lässt darüber hinaus erwarten, dass künftige Software • auf standardisierte Server-Lösungen aufsetzt, • flexibler als bisher (ProFiskal) neuen Anforderungen angepasst und • bei Bedarf kurzfristig durch die Kunden selbst verändert werden kann. Der dynamischen Entwicklung (technisch und fach- lich) soll deshalb künftig durch standardisierte und ska- lierbare Rechenleistung sowie flexiblere und schlankere (agile) Software begegnet werden, welche sich mit mög- lichst geringem Aufwand an die Kundenbedürfnisse an- passen lässt (Customizing). Um teure Nachbesserungen aufgrund veränderter bun- desweiter oder EU-weiter Standards zu vermeiden, wird von einer „Berliner Lösung" im Sinne einer Softwareentwicklung abgesehen. Stattdessen soll eine Standardsoft- ware zum Einsatz kommen, die im Rahmen eines Soft- ware-Pflegevertrages die fraglichen Anpassungen selbst- verständlich beinhaltet. Berlin, den 17. Dezember 2013 In Vertretung Klaus Feiler Senatsverwaltung für Finanzen (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 30. Dez. 2013) © Andreas Burth, Marc Gnädinger (HaushaltsSteuerung.de) Auf einen Blick: Haushaltsreformen in Deutschland [2. April 2013] Bezeichnung des Reformprojekts Reformmodell MHR-Grobkonzept MHR-Feinkonzept Neuausrichtung MHR-Projekt Kernelemente des neu ausgerichteten Reformmodells Bund Modernisierung des Haushalts- und Rechnungswesens (MHR) erweiterte Kameralistik vorgelegt im Juli 2008 vorgelegt im Juni 2009 beschlossen im Jahr 2010 - KLR (nicht flächendeckend) - Vermögensrechnung Bundesland Landesebene Kommunale Ebene Bezeichnung des Reformprojekts Reformmodell Bezeichnung des Reformprojekts Reformmodell Doppischer Haushaltsplan /Jahresabschluss verpflichtend … Gesamt-/ Konzernabschluss verpflichtend … BadenWürttemberg Neue Steuerungsinstrumente (NSI) erweiterte Kameralistik Neues Kommunales Haushaltsund Rechnungswesen (NKHR) Doppik ab 2016 ab 2018 Bayern Neue Steuerungselemente erweiterte Kameralistik Neues Kommunales Finanzwesen (NKFW) Option: Doppik oder Kameralistik --- ab dem fünften doppisch geführten Haushaltsjahr; frühestens ab 2012 (falls Umstellung auf Doppik) Berlin --- erweiterte Kameralistik [siehe Landesebene] Brandenburg Neues Finanzmanagement (NFM) erweiterte Kameralistik Kommunale Doppik Doppik ab 2011 ab 2013 Bremen Integriertes Öffentliches Rechnungswesen (IÖR) Doppik [siehe Landesebene] Hamburg Projekt Doppik/ Neues Haushaltswesen Hamburg (NHH) Doppik [siehe Landesebene] Hessen Neue Verwaltungssteuerung (NVS) Doppik Neues Kommunales Rechnungsund Steuerungssystem (NKRS) Doppik ab 2009/2015 ab 2015/2021 MecklenburgVorpommern Landes-Kosten-Leistungsrechnung Mecklenburg-Vorpommern (Landes-KLR M-V) erweiterte Kameralistik Neues Kommunales Haushaltsund Rechnungswesen (NKHR) Doppik ab 2012 ab dem dritten doppisch geführten Haushaltsjahr Niedersachen Leistungsorientierte Haushaltswirtschaft Niedersachsen (LoHN) erweiterte Kameralistik Neues Kommunales Rechnungswesen (NKR) Doppik ab 2012 ab 2012 NordrheinWestfalen Einführung von Produkthaushalten zur Outputorientierten Steuerung. Neues Rechnungswesen (EPOS.NRW) Doppik Neues Kommunales Finanzmanagement (NKF) Doppik ab 2009 ab 2010 Rheinland-Pfalz --- erweiterte Kameralistik Kommunale Doppik Doppik ab 2009 ab 2013 Saarland Neue Steuerung erweiterte Kameralistik Neues Kommunales Rechnungswesen (NKR) Doppik ab 2010 ab 2014 Sachsen Neues Steuerungsmodell (NSM) erweiterte Kameralistik Neues Kommunales Haushaltsund Rechnungswesen (NKHR) Doppik ab 2013 ab 2016 Sachsen-Anhalt Neue Steuerungsinstrumente (NSI) erweiterte Kameralistik Neues Kommunales Haushaltsund Rechnungswesen (NKHR) Doppik ab 2013 ab 2016 SchleswigHolstein Neue Steuerung erweiterte Kameralistik Neues Kommunales Rechnungswesen (NKR) Option: Doppik oder erweiterte Kameralistik --- ab dem sechsten doppisch geführten Haushaltsjahr (falls Umstellung auf Doppik) Thüringen --- erweiterte Kameralistik Neues Kommunales Finanzwesen (NKF) Option: Doppik oder Kameralistik --- ab dem dritten doppisch geführten Haushaltsjahr (falls Umstellung auf Doppik) Detaillierte Informationen zu den Haushaltsreformen in Deutschland finden Sie unter: » http://www.haushaltssteuerung.de/haushaltsreform-deutschland.html Anlage 2 KA 17/12854 Umsetzungsstand kommunale Doppik Bundesland Rechnungswesen Nordrhein-Westfalen Doppik GO, GemHVO Niedersachsen Doppik § 110 NKomVerG Hessen Doppik GO Doppik Schleswig-Holstein Wahlrecht § 75 GO Rheinland-Pfalz Doppik § 27 GemHVO Saarland Doppik § 26 KomHVO Bayern Wahlrecht Artikel 61 GO Baden-Württemberg Doppik § 77 GemHVO Thüringen Wahlrecht § 52 a ThürKO Sachsen Doppik Kom HVO Doppik Sachsen-Anhalt Doppik GemHVO Doppik Mecklenburg-Vorpommern Doppik § 43 KomVerf. Brandenburg Doppik § 32 KomHKV Quelle: KGSt Stand November 2013 Bezüglich der kreisfreien Städte (107) haben nach Auskunft des Deutschen Städtetages 75 % auf die Doppik umgestellt. ka17-12854 ka17-12854-AE-Anlage 1-13-11-28 ka17-12854-AE-Anlage 2-13-12-10