Drucksache 17 / 12 855 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Klaus Lederer (LINKE) vom 14. November 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. November 2013) und Antwort Umsetzung der Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses für die Strafverfolgung Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. In welcher Form und mit welchen Ergebnissen hat sich der Senat mit den Empfehlungen des NSU-Unter- suchungsausschusses auseinandergesetzt? Welche Festle- gungen resultieren hieraus? Zu 1.: Die Empfehlungen des NSU-Untersuchungs- ausschusses sind Gegenstand eingehender Prüfungen, insbesondere der Innen- und Justizressorts sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene. Die Senatsverwaltungen für Inneres und Sport sowie für Justiz und Verbraucherschutz sind hieran u. a. im Rahmen von länderübergreifenden Arbeitsgruppen betei- ligt. Dieser weitreichende Prozess dauert an, so dass noch keine konkreten Festlegungen getroffen wurden. 2. Welche konkreten Konsequenzen zieht der Senat für den Bereich der Berliner Polizei und Staatsanwalt- schaft im Ermittlungsverfahren aus den Schlussfolgerun- gen im Bericht des 2. Untersuchungsausschusses nach Artikel 44 des Grundgesetzes – BT-Drucksache 17/14600 vom 22.8.2013, S. 861 bis 863, Nr. 1-21 – (bitte konkret angeben)? 3. Welche konkreten Konsequenzen zieht der Senat für den Bereich der Berliner Justiz (ggf. analog zu den Empfehlungen für den Generalbundesanwalt) aus den Schlussfolgerungen im Bericht des 2. Untersuchungs- ausschusses nach Artikel 44 des Grundgesetzes – BTDrucksache 17/14600 vom 22.8.2013, S. 863 bis 864, Nr. 22-31 – (bitte konkret angeben)? 4. Was hat der Senat insbesondere unternommen, um eine Änderung der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) durch das Bundesjustiz- ministerium und die Länderjustizministerien entsprechend der Empfehlungen zu bewirken – insbesondere in Bezug auf die Schlussfolgerung 1 (BT-Drs., a.a.O., S. 861), nach der in allen Fällen von Gewaltkriminalität, die wegen der Person des Opfers oder wegen dessen Angaben einen rassistisch oder anderweitig politisch motivierten Hinter- grund haben könnten, dieser eingehend geprüft und diese Prüfung an geeigneter Stelle nachvollziehbar dokumen- tiert werden muss, wenn sich nicht aus Zeugenaussagen, Tatortspuren und ersten Ermittlungen ein hinreichend konkreter Tatverdacht in eine andere Richtung ergibt? 5. Welche Schritte hat der Senat im Vorgriff auf eine Änderung der RiStBV unternommen, um in Berlin Staatsanwaltschaft und Polizei mittels Dienstanweisung entsprechend der Schlussfolgerung 1 (vgl. Frage 4) zu instruieren? Zu 2. bis 5.: Die Bund und Länder betreffenden Schlussfolgerungen hinsichtlich der Polizei sind Gegen- stand der Erörterung insbesondere in den Gremien der Ständigen Konferenz der Innenministerinnen und Innen- minister sowie der Innensenatorinnen und Innensenatoren der Länder (IMK), um eine länderübergreifend abge- stimmte Umsetzung zu gewährleisten. Vielfältige, durch den Untersuchungsausschuss festgestellte Defizite, die gerade auch das Zusammenwirken unterschiedlicher Si- cherheitsbehörden im Rahmen der föderalen Ordnung betreffen und Grundlage der Schlussfolgerungen sind, stehen deshalb einer kurzfristigen, lediglich regionalen und etwa allein das Land Berlin betreffenden Regelungs- absicht entgegen. Seit der Veröffentlichung des Berichtes werden auch in der Polizei Berlin Überlegungen an-gestellt, in welcher Weise dem umfassenden Fazit des Untersuchungsaus- schusses künftig entsprochen werden kann. Ein selbstkri- tischer und professioneller Umgang mit den Schluss- folgerungen erfordert eine umfangreiche Betrachtung unter Einbeziehung verschiedener Akteurinnen sowie Akteure und Zuständigkeitsbereiche (wie z. B. Aus- und Fortbildung, Prävention, Vorschriftenwesen), die nach der Veröffentlichung des Untersuchungsberichts begonnen wurde, jedoch nicht abgeschlossen ist. Die Justizministerinnen und Justizminister haben sich auf ihrer 84. Konferenz am 14. November 2013 mit den Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 855 2 Ergebnissen des Berichts befasst. Sie haben ihren Straf- rechtsausschuss gebeten, unter Beteiligung des Bundes- ministeriums der Justiz auf der Grundlage der im Bericht enthaltenen Vorschläge das Bestehen eines gesetzgeberi- schen oder eines sonstigen Handlungsbedarfs, etwa durch Änderung der Richtlinien für das Straf- und das Bußgeld- verfahren, eingehend zu prüfen. Unabhängig hiervon hat die Senatsverwaltung für Jus- tiz und Verbraucherschutz die Generalstaatsanwaltschaft sowie die Staatsanwaltschaft Berlin gesondert auf die sich aus dem Bericht für die Strafverfolgungsbehörden erge- benen Schlussfolgerungen und Handlungsempfehlungen hingewiesen. Die auf die Bearbeitung von Verfahren mit politischem Hintergrund spezialisierten Dezernentinnen und Dezernenten wie auch die übrigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Strafverfolgungsbehörden sind daher entsprechend sensibilisiert. 6. Wie weit ist inzwischen die Überprüfung ungeklär- ter Straftaten auf Bezüge zu Rechtsterrorismus und insbe- sondere zur Terrorgruppe NSU in Berlin (vgl. Schlussfol- gerung 3, a.a.O.) gediehen und wann ist mit der vom Untersuchungsausschuss empfohlenen Veröffentlichung des Ergebnisses zu rechnen? Zu 6.: Um den durch das Bekanntwerden des soge- nannten NSU-Komplexes resultierenden Erfordernissen einer umfassenden Aufarbeitung Rechnung zu tragen, wurde durch die IMK die im Gemeinsamen Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum angebundene Arbeits- gruppe (AG) Fallanalyse eingerichtet, die bereits vor der Vorlage des Abschlussberichts des 2. Untersuchungsaus- schusses des 17. Deutschen Bundestages ein mehrstufiges Phasenmodell zur Aufarbeitung ungeklärter Straftaten entwickelt hat. In diesem Zusammenhang wurde ein aufwändiger Re- chercheaufwand in den Ländern erkannt, dem dadurch Rechnung getragen werden soll, dass nach Erledigung der ersten Teilphase zunächst eine Evaluation zu erfolgen hat. Das Evaluationskonzept der AG Fallanalyse zur Phase 1 wird aktuell auf Gremienebene erörtert, um zu einer bun- desweit getragenen Entscheidung hinsichtlich der Fort- führung des Phasenmodells zu gelangen. Zur Frage der Veröffentlichung der Ergebnisse kann derzeit keine Aus- sage getroffen werden. Berlin, den 04. Dezember 2013 Thomas Heilmann Senator für Justiz und Verbraucherschutz (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. Dez. 2013)