Drucksache 17 / 12 882 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Gottfried Ludewig (CDU) vom 22. November 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 25. November 2013) und Antwort Sternenkinder II Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Auf welche Weise wird die Regelung des § 15 im Berliner Bestattungsgesetz, die Angehörigen auf die Möglichkeit einer Bestattung von Totgeborenen unter 1000 Gramm und Fehlgeborene hinzuweisen, in der Pra- xis umgesetzt? Zu 1.: Kinder, die während der Schwangerschaft ge- storben sind, werden auch als „Sternenkinder“ bezeichnet. Der Name bringt die Hoffnung zum Ausdruck, dass die Kinder zwar nicht ins Leben kamen, aber als „Sternenkinder “ im Himmel gut aufgehoben sind. Eine andere Bezeichnung für Fehlgeborene oder Totgeborene (Fehl- geborene sind Kinder, die ohne Lebenszeichen auf die Welt kommen und unter 500 g wiegen, Totgeborene sind Kinder, die ohne Lebenszeichen auf die Welt kommen und mindestens 500 g wiegen) ist „Stillgeborene Kinder “ und umschreibt mit dem Wort „still“ sowohl den besonderen Umstand, dass das Kind „still“ auf die Welt kommt, aber auch die Umgebung oftmals hilflos, sprachlos und still reagiert. Beide Ausdrücke berücksichtigen die tiefe Bindung vieler Eltern zu ihrem Kind, die bereits während der Schwangerschaft entsteht und die durch medizinische Fachausdrücke nicht beschrieben werden kann. Der Verlust eines Kindes während der Schwanger- schaft oder der Geburt ist mit tiefer Trauer verbunden und oft mit dem Wunsch, auch von sehr kleinen Fehlgebore- nen oder Totgeborenen mit einer Bestattungszeremonie Abschied nehmen zu können. Während es früher üblich war, Fehlgeborene oder Totgeborene den Eltern nicht einmal zu zeigen, um sie nicht zu belasten, hat in den letzten Jahrzehnten ein Umdenken dahingehend stattge- funden, dass es für betroffene Eltern wichtig ist, Abschied nehmen zu können. Im Berliner Bestattungsgesetz (vom 02.11.1973, zu- letzt geändert am 19.05.2004) ist in § 15 daher geregelt, dass Totgeborene oder Fehlgeborene unter 1000 Gramm Gewicht zwar nicht bestattungspflichtig sind, aber eine Bestattung möglich ist, wenn der Wunsch eines Eltern- teiles dazu besteht. Einrichtungen, in denen die Geburt erfolgt ist, sollen sicherstellen, dass betroffene Eltern auf diese Möglichkeit hingewiesen werden. Zudem ist gere- gelt, dass Fehlgeborene oder Totgeborene unter 1000 g, die nicht bestattet werden, „…dem sittlichen Empfinden entsprechend zu beseitigen…“ sind. In Berlin sind in diesem Zusammenhang in den letzten Jahren auf zahlreichen Friedhöfen Grabfelder für Sam- melbestattung für nicht bestattungspflichtige Kinder ent- standen. Unter der Beteiligung der größeren Kliniken mit geburtshilflichen Abteilungen werden auf den verschie- denen Friedhöfen regelmäßig (2-4 Mal /Jahr) Abschieds- feiern und Sammelbestattungen abgehalten. Zusätzlich sind auf einigen Friedhöfen auch individuelle Bestattun- gen möglich. So kümmert sich der Verein EFEU e. V. bereits seit einigen Jahren um die Bestattung von nicht bestattungspflichtigen Kindern. Eine Aufzeichnung über Gräberfelder für nichtbestat- tungspflichtige Kinder ist unter anderem auf der Internet- seite der Selbsthilfegruppe „Initiative REGENBOGEN „Glücklose Schwangerschaft“ e. V.“ unter folgendem Link erhältlich: http://www.initiative-regenbo- gen.de/index.htm?http://www.initiative-regenbo- gen.de/ListeGrabfelder.htm Anfragen bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus verschiedenen Bereichen (Friedhofsverwaltung, patholo- gisches Institut, Sekretariat für Geburtshilfe zweier großer Krankenhäuser, Seelsorger, Selbsthilfegruppen und be- treuten professionellen Trauergruppen) ergab folgendes Bild aus der Praxis: Obwohl das Thema Fehlgeburten und Totgeburten immer noch mit einem großen Tabu belegt ist, hat sich insgesamt der Umgang der Öffentlichkeit damit in den letzten Jahren sehr positiv entwickelt. Darüber waren sich alle Befragten einig. Die Möglichkeiten zur Bestattung auch kleinster Fehlgeborener werden von darüber infor- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 882 2 mierten betroffenen Eltern sehr gut angenommen und als hilfreich in der Trauerbewältigung erlebt. Nicht ganz einheitlich war die Einschätzung der Be- fragten, wie gut die Zugangsmöglichkeiten zu Informa- tion und Unterstützung in der Organisation der Bestattung von nicht bestattungspflichtigen Kindern sind. Während in größeren geburtshilflichen und vor allem konfessio- nellen Krankenhäusern die psychologische und/oder seel- sorgerische Betreuung von Eltern auch kleinster Fehl- oder Totgeborener und die Information über die Bestat- tungsmöglichkeiten als gut und im Allgemeinen ausrei- chend etabliert empfunden wurden, gab es auch Einschät- zungen, dass immer wieder Eltern über ihre Möglichkei- ten und Rechte nicht ausreichend informiert würden. Informationen über die rechtlichen Möglichkeiten für eine Bestattung und Ansprechpartnerinnen oder Ansprechpart- ner müssten dann von den Eltern selbst zusammengetra- gen werden, wozu viele Betroffene in ihrer Trauer kaum im Stande sind. 2. Welcher psychologische und sonstige Beratungsbeistand steht den Eltern von tot- und fehlgeborenen Kin- dern zur Verfügung und wie wird dieser angenommen? Zu 2.: In den geburtshilflichen Kliniken werden be- troffene Eltern in der Frühphase zumeist noch im Kran- kenhaus von Seelsorgerinnen und Seelsorgern oder psy- chologisch geschultem Personal betreut. Auch dies hat sich, so war es den Erfahrungsberichten der Befragten zu entnehmen, in den letzten Jahren sehr verbessert, auch wenn der Personalmangel bei Seelsorgerinnen und Seel- sorgern oder psychologischen Betreuerinnen und Betreu- ern im Krankenhaus auch hier zu einer mangelnden Be- treuung führen kann. Es gibt aber auch immer wieder Eltern, die sich nicht gut betreut und alleingelassen fühlen. Unabhängig von der subjektiven Einschätzung scheint auch objektiv die Be- treuung und Beratung in den verschiedenen Einrichtungen unterschiedlich zu sein. Neben der unmittelbaren Betreuung im Krankenhaus gibt es in Berlin speziell fortgebildete Hebammen, die betroffene Frauen nach einer Fehlgeburt oder Totgeburt betreuen können und professionell geleitete Trauergrup- pen, speziell für Eltern von Fehl- oder Totgeborenen. Außerdem gibt es die Möglichkeit für betroffene Mütter, spezielle Rückbildungskurse für verwaiste Mütter zu besuchen. Neben diesen professionellen Angeboten gibt es auch Selbsthilfegruppen speziell für verwaiste Eltern in Berlin, an die sich betroffene Eltern wenden können. Über das Internet sind solche Angebote schnell und unkompliziert zu finden. Teilweise werden die Kliniken auch direkt von den Vereinen regelmäßig über bestehende Angebote informiert. Ob alle betroffenen Eltern ausreichenden Zugang zu diesen Angeboten haben, kann von dieser Stelle nicht abschließend beantwortet werden. So liegen dem Senat über die Versorgung von Eltern mit Fehlgeburten im ambulanten Bereich keine Informati- onen vor. 3. Welche Trauer- und Selbsthilfegruppen insbesondere für trauernde Eltern gibt es in Berlin und wie werden diese genutzt? Zu 3.: In Deutschland gibt es eine größere Anzahl überregional arbeitender Selbsthilfeforen und Selbsthilfe- gruppen, die sich auch schnell und unkompliziert im In- ternet finden lassen. Viele dieser Gruppen ermöglichen den überregionalen Gesprächsaustausch über Telefon oder Internet, einige stellen auch wohnortnahe Kontakte zwischen betroffenen Eltern her. Beispielhaft seien hier einige genannt: Initiative Re- genbogen Glücklose Schwangerschaft e. V. Elterninitiati- ve von betroffenen Frauen und Männern, die anderen Eltern ihre Hilfe durch Erfahrungsaustausch und Gesprä- che anbieten. http://www.initiative-regenbogen.de/ Internetseite: Schmetterlingskinder Internetseite für Eltern, die ihr Kind während der Schwangerschaft verloren haben. Eingerichtet von einer Mutter, die selbst ihr Kind verloren hat. www.schmetterlingskinder.de Internetseite: Sternenkinder.de Ein Informationsportal für betroffene Eltern und An- gehörige eingerichtet von betroffenen Eltern. www.sternenkinder.de Internetseite: Sternenkinder- Eltern Eine Initiative des Vereins Frauenworte e. V. und ver- steht sich als eine Zusammenfassung verschiedener Initi- ativen und Organisationen, die betroffenen Eltern Hilfe anbieten. Sie sollen einen Überblick in das vielfältige Angebot bringen und die Suche nach passender Hilfe vereinfachen. www.sternenkinder-eltern.de Leben ohne Dich e. V. Ein gemeinnütziger Verein, der von ehemals betroffe- nen Eltern gegründet wurde und dessen Ziel es ist, be- troffenen Eltern und Geschwistern nach dem Verlust des Kindes bzw. der Schwester oder des Bruders Hilfsange- bote zu machen, um ein „Leben ohne Kind oder ohne Geschwister“ möglich zu machen. www.leben-ohne-dich.com Daneben gibt es auch direkt in Berlin Selbsthilfegrup- pen und professionelle Trauer-gruppen, an die sich ver- waiste Eltern wenden können. Unter anderem seien folgende genannt: Verwaiste Eltern und Geschwister e. V. Ein Verein, der von einer Gruppe von Eltern aus Ber- lin und Umgebung, die auf unterschiedliche Art und vor unterschiedlich langer Zeit Kinder verloren haben, ge- gründet wurde und anderen betroffenen Eltern Hilfe, Unterstützung und Erfahrungsaustausch bietet. http://www.vegb.de Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 882 3 Efeu e. V. Ein gemeinnütziger Förderverein des alten St. Mat- thäus-Kirchhofs und hat als ein Projekt den „Garten der Sternenkinder“ gegründet. Hier können auch nicht bestattungspflichtige Kinder individuell bestattet werden. Der Verein berät die Eltern im Trauerfall, hilft beim Aus- füllen der Formulare und der Organisation und Gestaltung der Bestattung. http://www.efeu-ev.de/eltern.html Beratungsstelle Familienzelt Die Beratungsstelle Familienzelt des gemeinnützigen Vereins "Selbstbestimmte Geburt und Familie e. V." ist eine Anlaufstelle für schwangere Frauen und Frauen / Väter nach der Geburt bis zum dritten Lebensjahr des Kindes. Für Mütter und Väter, die ein Kind verloren ha- ben, bietet die Beratungsstelle eine professionell geleitete Trauergruppe an. http://www.familienzelt-berlin.de Verein Tabea Ein gemeinnütziger Verein, der durch verschiedene Angebote professioneller Trauerhilfe und individueller Trauerbegleitung Menschen unterstützt, ihre Trauer zu bewältigen. In diesem Zusammenhang bietet Tabea auch eine professionell geleitete Trauergruppe für verwaiste Babyeltern nach einer Stillen Geburt sowie Wochen- bettbetreuung, Kurse zur Schwangerschaftsrückbildungs- gymnastik und die Begleitung in Folgeschwangerschaften für betroffene Mütter an. Tabea e. V. Fazit: Berlin verfügt über eine gute Infrastruktur für die Betreuung von betroffenen Eltern. Informierte Eltern nehmen die bestehenden Angebote zur Bestattung von nicht bestattungspflichtigen Kindern, aber auch zur Bera- tung und psychologischen Betreuung gut an. Auch wenn es immer wieder Eltern gibt, die nicht gut genug infor- miert und betreut werden, scheint sich insgesamt die Ver- sorgungssituation in den letzten Jahren deutlich verbessert zu haben. Berlin, den 09. Januar 2014 In Vertretung Emine D e m i r b ü k e n - W e g n e r _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. Jan. 14)