Drucksache 17 / 12 886 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Elke Breitenbach (LINKE) vom 25. November 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 26. November 2013) und Antwort Mündliche Verträge zwischen Senat und Betreibern von Flüchtlingsunterkünften!? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Für welche Unterkünfte für Flüchtlinge in Berlin existieren keine schriftlichen Verträge zwischen dem Senat und den jeweiligen Betreibern (bitte einzeln ge- trennt nach Unterkunftsart, Betreiber, Kapazität und Da- tum der Betriebsaufnahme auflisten)? Zu 1.: Bei acht von 33 Unterkünften (davon sieben bei Redaktionsschluss noch im Status der Notbelegung) be- stehen derzeit keine endgültig ausgehandelten schriftli- chen Verträge, jedoch in allen Fällen schriftliche und mündliche Teilvereinbarungen in Anlehnung an die von beiden Seiten bisher – hinsichtlich anderer Gemeinschaftsunterkünfte - akzeptierten Verträge. Vier davon befinden sich aber in der Abschlussphase. Die Einrichtungen, bei denen ein endgültiger Ver- tragsabschluss unmittelbar bevorsteht, sind überwiegend seit dem zweiten Quartal dieses Jahres in Betrieb; die anderen Einrichtungen wurden im Oktober bzw. Novem- ber 2013 bezogen. Die betroffenen Einrichtungen weisen Kapazitäten zwischen 100 und 450 Plätzen auf und werden von fol- genden Betreiberinnen und Betreibern unterhalten: Arbei- ter-Samariter-Bund, Arbeiterwohlfahrt - AWO, Evangeli- sches Jugend- und Fürsorgewerk – EJF, GIERSO Boardingshaus Berlin GmbH sowie PeWoBe - Professionelle Wohn- und Betreuungsgesellschaft GmbH. 2. In welcher Größenordnung fließen Geldleistungen an die Betreiber der Unterkünfte, für die es keine schrift- lichen Verträge gibt? Zu 2.: Es werden die monatlich entstandenen Unter- kunftskosten gezahlt. Gezahlt wird auf der Grundlage von Vereinbarungen in Anlehnung an die Verträge, die mit den Betreiberinnen und Betreibern in anderen Fällen abgeschlossen worden sind. Auf die Ausführungen in der Antwort zu 1. wird verwiesen. 3. Welche Mindeststandards und Personalschlüssel gelten in Abwesenheit eines schriftlichen Vertrages und wie können diese durchgesetzt werden? 4. Wie ist bei einer solchen Praxis die Nachprüfbarkeit durch Senat, Parlament oder durch die interessierte Öf- fentlichkeit (etwa im Rahmen des Informationsfreiheits- gesetzes) gewährleistet? 5. Wie muss man sich in der Praxis den Abschluss ei- nes mündlichen Vertrags und die sich darauf gründende Zusammenarbeit zwischen Landesamt für Gesundheit und Soziales (LaGeSo) und Heimbetreibern angesichts der Tatsache vorstellen, dass in anderen Fällen schriftliche Verträge von beträchtlichem Umfang existieren (so um- fasst z.B. der Vertrag mit der Notunterkunft Turmstraße 13 Seiten mit 14 Paragraphen sowie mindestens 13 Seiten Anlagen)? Zu 3. - 5.: Für alle genannten Einrichtungen gibt es verbindliche Absprachen zu Personal, Ausstattung, Brandschutz und Abrechnungsverfahren. Diese Abspra- chen sind einrichtungsbezogen und daher je nach Art und Größe der Einrichtung unterschiedlich. Die Absprachen bilden die Grundlage für die abschließenden Vertragsver- handlungen und sind in den Akten niedergelegt. Es liegt somit nicht im Belieben der Betreiberin oder des Betrei- bers, welche Ausstattung vorhanden ist und wie viel Per- sonal eingesetzt wird. Auch in der Phase der Notbelegung wird seitens des Landesamtes für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) alles dafür getan, den Standard stetig zu verbessern und die Qualitätsanforderungen in vollem Umfang zu erfüllen. Dort, wo dies noch nicht in ausreichendem Maße der Fall ist, oder wo es Hinweise gibt, dass Veränderungen drin- gend erforderlich sind, werden mit der jeweiligen Betrei- berin oder dem jeweiligen Betreiber Lösungsmöglichkei- ten besprochen, die zu einer zeitnahen Verbesserung führen. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 886 2 6. Wie ist der Abschluss solcher mündlicher Verträge mit einem nicht unerheblichen Gegenstandswert mit dem Berliner Haushaltsrecht vereinbar? 7. Ist dem Senat bekannt, dass mündlich geschlossene Verträge gemäß Nr. 10.1 der Ausführungsvorschrift zu § 55 der Landeshaushaltsordnung unverzüglich schriftlich zu bestätigen sind und warum ist das bei einigen Unter- künften nicht geschehen? Zu 6. und 7.: Die einschlägige Bestimmung im Berli- ner Haushaltsrecht, nämlich Nr. 10.1 der Ausführungs- vorschriften zu § 55 der Landeshaushaltsordnung, lässt eine mündliche Auftragserteilung zu, sofern sie unver- meidbar ist und die schriftliche Bestätigung unverzüglich nachgeholt wird. Insofern steht die diesbezügliche Ver- waltungspraxis nicht in Widerspruch zum geltenden Haushaltsrecht. Der in dieser Vorschrift verwendete unbestimmte Rechtsbegriff „unverzüglich“ setzt im Übrigen nicht den sofortigen Vollzug voraus; mit diesem Begriff geht keine wirksame Fristbestimmung einher. Der konkrete verfüg- bare Zeitraum hängt vielmehr von den Umständen des Einzelfalls ab. Ein Verstoß gegen diese Bestimmung läge daher nur bei einer schuldhaften Verzögerung des schrift- lichen Vertragsabschlusses durch das LAGeSo vor; An- haltspunkte hierfür sind dem Senat jedoch nicht bekannt. 8. Durch welchen Mitarbeiter des LaGeSo wurden die mündlichen Verträge abgeschlossen und was passiert beim Ausscheiden oder Ableben dieses Mitarbeiters? Zu 8.: Die Zuständigkeit richtet sich nach der internen Geschäftsverteilung des LAGeSo; grundsätzlich erfolgen derartige Vertragsabschlüsse – unabhängig von der Form – durch die fachlich zuständigen Leitungskräfte. Im Falle des Ausscheidens aus dem Dienst oder des Ablebens hat dies keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der getroffenen und aktenkundig dokumentierten Vereinbarungen, da sie im Auftrag des Landes Berlin handeln. 9. Die Qualitätsstandards des LaGeSo sehen vor, dass bestimmte Leistungen wie beispielsweise die Anzahl der durch den Betreiber zu installierenden Waschmaschinen mit dem LaGeSo abzustimmen sind. Werden diese Ab- sprachen schriftlich fixiert und wie wird berücksichtigt, dass nach § 4 Absatz 2 des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) sicherzustellen ist, dass die Bestimmungen von Verträgen öffentlicher Stellen dem Recht auf Aktenein- sicht oder Aktenauskunft nicht entgegenstehen? 10. Die bestehenden Verträge zu Notunterkünften ent- halten eine Klausel, dass in diesen Einrichtungen die Qualitätsstandards des LaGeSo nur „eingeschränkt“ gültig sind und diese Einschränkungen mit dem LaGeSo abge- stimmt werden müssen. Werden diese Absprachen schrift- lich fixiert und wie wird berücksichtigt, dass nach § 4 Absatz 2 des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) sicher- zustellen ist, dass die Bestimmungen von Verträgen öf- fentlicher Stellen dem Recht auf Akteneinsicht oder Ak- tenauskunft nicht entgegenstehen? Zu 9. und 10.: Auf die Antwort zu 3. - 5. wird verwie- sen. 11. Welche Maßnahmen unternimmt der Senat, um den Missbrauch von Steuergeldern durch Betreiber zu verhindern, indem Personal in mehreren Heimen eines Betreibers gleichzeitig eingesetzt, aber mehrfach abge- rechnet wird (sog. „Personalidentität“) und welche Sanktionsmöglichkeiten bestehen insbesondere bei Unterkünf- ten ohne schriftlichen Vertrag? Zu 11.: Sogenannte Personalidentitäten führen nicht zu mehrfachen Abrechnungen. Während der kurzfristigen Eröffnung neuer Unter- künfte, die in der Vergangenheit innerhalb weniger Tage vorgenommen worden ist, kann es dazu kommen, dass die mit dem Betrieb beauftragte Betreiberin oder der beauf- tragte Betreiber (erfahrenes) Personal aus anderen Unter- künften einsetzt. Das wird in der Regel mit den zuständi- gen Dienstkräften abgesprochen. Kommt es in Unterkünf- ten zu Schwierigkeiten im Betrieb, so kann der die Be- treiberin oder der Betreiber das von ihr oder ihm beschäf- tigte Personal auch unterkunftsübergreifend einsetzen. Bei der Abrechnung der Unterkünfte wird diesem Tatbestand jedoch Rechnung getragen. Berlin, den 06. Januar 2014 In Vertretung Dirk G e r s t l e _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. Jan. 2014)