Drucksache 17 / 12 902 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Tom Schreiber (SPD) vom 19. November 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 27. November 2013) und Antwort Kampf gegen Rockerkriminalität – Zusammenarbeit und Netzwerkbildung Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: Zusammenarbeit mit Brandenburg 1. Wie oft hat das Land Brandenburg in 2013 Amts- hilfe beim Kampf gegen Rockerkriminalität in Berlin geleistet? Zu 1.: Hierzu werden beim Landeskriminalamt (LKA) Berlin keine Statistiken geführt. Die Polizei des Landes Brandenburg führt über gewährte Amtshilfemaßnahmen im Bereich der Bekämpfung der Kriminalität von Ro- ckern keine gesonderten Statistiken. Die Gewährung der Amtshilfe oder gegenseitige Unterstützungsmaßnahmen gehören insbesondere in diesem spezifischen Kriminali- tätsbereich zum nahezu täglichen Dienstgeschäft und sind Bestandteil einer dauerhaft bestehenden vertrauensvollen Zusammenarbeit aufgrund eines auf beiden Seiten ausge- prägten Problembewusstseins. Die gute Zusammenarbeit kommt beispielsweise auch durch nahezu tägliche Ar- beitskontakte im Rahmen des Erfahrungs- und Erkennt- nisaustausches, durch die gemeinsame monatliche Lage- einschätzung sowie regelmäßige Beratungen über Län- dergrenzen hinweg zum Ausdruck. Eine retrograde Erhebung in der Polizei Brandenburg, welche Maßnahmen als Amtshilfemaßnahmen eingestuft werden können, hat ein Ergebnis im mittleren zweistelli- gen Bereich ergeben. Eine abschließend belastbare konkrete Zahl wird aus oben genannten Gründen aber nicht zu nennen sein und ist als Kennzahl für die Bewertung einer gut funktionie- renden Zusammenarbeit zwischen den verantwortlichen Stellen der Länder nicht geeignet. 2. Welche konkreten Arbeitsgruppen zwischen dem Land Berlin und dem Land Brandenburg gibt es auf poli- zeilicher Ebene beim Kampf gegen Rockerkriminalität? Zu 2.: Es bestehen keine separaten Arbeitsgruppen. Ermittlungen werden ggf. anlassbezogen eng abgestimmt oder gemeinsam geführt. Daneben gilt, wie bereits in Beantwortung der Kleinen Anfrage 17/12610 vom 03.09.2013 mitgeteilt, dass sich die enge Zusammenarbeit mit dem Land Brandenburg bei der Bekämpfung der Rockerkriminalität in einem nahezu täglichen, vertrauensvollen Informationsaustausch zwi- schen den Fachdienststellen, institutionalisierten Bespre- chungen auf allen Ebenen, der Erstellung gemeinsamer monatlicher operativer Lagebilder, gegenseitiger Ermitt- lungs- und Einsatzunterstützung und gemeinsam geführ- ten Ermittlungen manifestiert. 3. In welchem Rhythmus tagen diese Arbeitsgruppen und mit welcher konkreten Zielstellung? Zu 3.: Siehe Antwort zu 2. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 902 2 Schwerpunktstaatsanwaltschaften 4. Wie schätzt der Senat den Erfolg der Schwerpunkt- staatsanwaltschaft „Task Force-Rocker“ seit 2012 ein? 5. Wie setzt sich die Schwerpunktstaatsanwaltschaft personell zusammen? Zu 4. und 5.: Die „Task Force Rocker“ ist keine Schwerpunktstaatsanwaltschaft im Sinne von § 143 Ab- satz 4 Gerichtsverfassungsgesetz. Sie wurde im Juli 2012 bei der Staatsanwaltschaft (StA) Berlin eingerichtet und setzt sich wie folgt zusammen: - Behördenleiter der Staatsanwaltschaft und sein ständiger Vertreter, - Hauptabteilungsleiter der Hauptabteilungen 3 und 5, - den Leitungen und jeweils einer Dezernentin oder einem Dezernenten aus folgenden Abteilungen:  254 (Organisierte Kriminalität mit Schwerpunkt Rauschgift)  251 (Organisierte Kriminalität mit Schwerpunkten Waffenhandel, Schutzgelderpressung und Einzelfälle der Rocker-, Türsteher- und der Rotlichtszene)  234 (Tötungsdelikte und andere Kapitalsachen, Erpresserischer Menschenraub und Geiselnah- me)  231 (Friedensstörungsdelikte, Hasskriminalität, Gewalttaten im Zusammenhang mit sportlichen Großveranstaltungen), - einzelfallbezogen nehmen zusätzlich weitere Dezernentinnen oder Dezernenten an den Bespre- chungen teil, sofern die von ihnen bearbeiteten Verfahren den entsprechenden Sachzusammen- hang aufweisen. Seit der Gründung der Task Force Rocker sind insge- samt ca. 280 Ermittlungsverfahren im Bereich der Ro- ckerkriminalität geführt und deutlich mehr als 30 Perso- nen aus der Szene in Haft genommen worden. In den seit dieser Zeit geführten Hauptverhandlungen konnten in mehr als 25 maßgeblichen Verfahren Verurteilungen zu zum Teil langjährigen Freiheitsstrafen erreicht werden. Weitere bedeutende Verfahren werden derzeit verhandelt. Durch den erhöhten Ermittlungsdruck konnte erreicht werden, dass vermehrt Beschuldigte und Zeugen aus der Rockerszene zur Zusammenarbeit mit den Strafverfol- gungsbehörden bereit sind und belastbare Aussagen über ihre eigene Tatbeteiligung hinaus machen. Auch im Bereich der mittleren bzw. leichten Krimina- lität wird zudem in jedem möglichen Fall Anklage erho- ben und von der Möglichkeit der Verfahrenseinstellung aus Opportunitätserwägungen kein Gebrauch gemacht. 6. Gibt es in anderen Bundesländern ähnliche Schwer- punktstaatsanwaltschaften und wie funktioniert die Ver- netzung bundesweit? Zu 6.: Eine bundesweite Vernetzung besteht derzeit nicht. Mit dem Land Brandenburg findet jedoch eine intensive und langfristige Kooperation im Bereich der Bekämpfung der Rockerkriminalität auf staatsanwalt- schaftlicher Ebene statt. Kooperation mit Zollbehörden 7. Wie läuft die Kooperation mit den Zollbehörden und der Berliner Polizei bei der Einfuhr von Fahrzeugen sowie Fahrzeugteilen im Bereich Organisierte Kriminali- tät? Zu 7.: In diesem Deliktsfeld erfolgt fallbezogen eine Kooperation zwischen der Fachdienststelle des LKA und der jeweiligen Zollbehörde. 8. Wo gibt es eine direkte Zusammenarbeit zwischen der Zollbehörde und der Berliner Polizei bei der Rocker- kriminalität? Zu 8.: Es erfolgt eine tägliche Prüfung der an die Poli- zei Berlin übermittelten Feststellungen des Zolls auf Ro- ckerbezüge. Im Bedarfsfall erfolgt ein Erkenntnisaus- tausch. 9. Sieht der Senat hier Verbesserungsbedarf? Zu 9.: Nein. Einbindung der Finanzverwaltung 10. Welche Möglichkeiten sieht die Finanzverwaltung bzw. das örtliche Finanzamt bei der Gewinn- und Vermö- gensabschöpfung im Bereich der Rockerkriminalität tätig zu werden? Zu 10.: Die Bekämpfung der Rockerkriminalität ist beim LKA und der StA angesiedelt, daher werden auch Steuerstraftaten des genannten Personenkreises durch die StA verfolgt. Sofern die Steuerfahndungsstelle in die Ermittlungen eingebunden wird, könnte sie auch im Rah- men der Vermögensabschöpfung tätig werden. Werden Erkenntnisse aus laufenden Ermittlungen des LKA über sichergestellte Vermögenswerte mitgeteilt, kann im Rah- men des Besteuerungsverfahrens geprüft werden, ob diese Werte – insbesondere Bargeld – für die Begleichung von Steuerrückständen verwertet werden können. 11. Ist der Senat auch der Auffassung, dass illegale Geschäftsfelder der Steuerpflicht unterliegen? Zu 11.: Nach § 40 Abgabenordnung ist es für die Be- steuerung unerheblich, ob ein Verhalten, das den Tatbe- stand eines Steuergesetzes ganz oder zum Teil erfüllt, gegen ein gesetzliches Gebot oder Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 902 3 12. Kooperiert die Finanzverwaltung dazu mit dem zuständigen LKA und ist eine engere Vernetzung vor- stellbar? Zu 12.: Im Rahmen der Kriminalitätsbekämpfung fin- det ein Informationsaustausch zwischen dem LKA und der Finanzverwaltung unter Beachtung der datenschutz- und steuerrechtlichen Bestimmungen statt. Sofern die StA ein Verfahren führt, in dem auch Steuerstraftaten verfolgt werden, erfolgt in geeigneten Fällen eine Zusammenarbeit mit dem LKA bei der Ermittlungsarbeit. Die Steuerfahn- dungsstelle nimmt auch an den jährlichen Besprechungen der StA und des LKA zum Thema der Bekämpfung der organisierten Kriminalität teil. Die bisherige Vernetzung in diesem Bereich wird für ausreichend erachtet. Zusammenarbeit mit Bezirken 13. Wie schätzt die Berliner Polizei die Zusammenar- beit zwischen den Berliner Bezirken und dem LKA 4 in den Bereichen der Bauverwaltung, der Gewerbeaufsicht, des Brandschutzes und des Ordnungsamtes ein? Zu 13.: Die Zusammenarbeit der Polizei Berlin mit den Bezirken wird grundsätzlich als gut eingeschätzt und regelmäßig über die Einbindung der örtlich zuständigen Polizeidirektion sichergestellt. Bei relevanten Feststellun- gen erfolgt ein Informationsaustausch, es werden fachlich abgestimmte Maßnahmen im Rahmen eines ganzheitli- chen Ansatzes initiiert und die vorhandenen Möglichkei- ten der Verwaltung genutzt. 14. Gibt es konkrete Kooperationen und gemeinsame Initiativen gegen "Vereinsheime" von Rockern? Zu 14.: Nein. Hier gelten die Ausführungen zu Frage 13 bezüglich einer anlassbezogenen Kooperation. 15. Hat die Berliner Polizei (LKA 4) in jedem Bezirk direkte Ansprechpartnerinnen oder Ansprechpartner bei dem jeweiligen Bezirksamt im Bereich Rockerkriminali- tät? Zu 15.: Nein, im Bedarfsfall wird die jeweilige Fach- verwaltung im Bezirk kontaktiert. In einzelnen Bezirken ist auf Grund der besonderen Lage vom Bezirksamt je- doch eine feste Ansprechpartnerin bzw. ein fester An- sprechpartner benannt worden. Zusammenarbeit mit Jugendförderung und Sport 16. Ist der Berliner Polizei bekannt, dass beispiels- weise "Hells Angels" oder "Bandidos" Jugendsport direkt oder indirekt durch Sponsoring unterstützen? Zu 16.: Der Polizei Berlin ist bekannt, dass es in min- destens einem Fall eine enge Verbindung zwischen An- gehörigen einer Outlaw Motorcycle Gang und einem Sportverein gibt. Die konkreten Unterstützungsleistungen in diesem Zusammenhang können nicht beurteilt werden. 17. Welche Möglichkeiten einer Kooperation zwi- schen Jugendförderung und Berliner Polizei gibt es zur Verhinderung dessen? Zu 17.: Derzeit wird von der Polizei Berlin ein Prä- ventionskonzept erarbeitet, das sich insgesamt mit der Problematik der Einflussnahme von Outlaw Motorcycle Gangs auf Jugendliche beschäftigt. 18. Gab es bisher eine Zusammenarbeit mit dem Lan- dessportbund, um dafür stärker zu sensibilisieren? Zu 18.: Nein, siehe auch Antwort zu Frage 17. Einbindung von gesellschaftlichen Gruppen 19. Ist der Senat auch der Auffassung, dass ein Erfolg gegen die Rockerkriminalität nur dann dauerhaft sein kann, wenn alle gesellschaftlich, relevanten Gruppen in einem Präventionsnetzwerk dabei sind? Zu 19.: Die Aufgabe der StA besteht in der Verfol- gung von Straftaten, die Polizei ist darüber hinaus auch gefahrenabwehrend tätig. Die sachgerechte Ausschöpfung und konsequente Anwendung des Straf- und Strafprozessrechts und eine enge Zusammenarbeit aller beteiligten Verwaltungen tragen wesentlich zur Bekämpfung und zur Verhinderung von Rockerkriminalität bei. Neben den Strafverfolgungsbehörden spielt die Zivil- gesellschaft jedoch sowohl bei den präventiven als auch repressiven Maßnahmen zur Bekämpfung der Rockerkri- minalität ebenfalls eine wichtige Rolle. 20. Welche Möglichkeiten sieht der Senat, die "Bi- kerunion" bei dem Aufbau eines Präventionsnetzwerkes gegen die Rockerszene zu involvieren? Zu 20.: Allgemein gilt die Biker Union (BU) als Inte- ressenvertretung für eine Vielzahl von motorradfahrenden Interessengemeinschaften, die zwar nicht vordergründig die Politik von Outlaw Motorcycle Gangs vertritt, sich aber auch keinesfalls von diesen distanziert. Angehörige von Outlaw Motorcycle Gangs gelten dort in erster Linie als „Biker“. Die BU empfindet polizeiliches Handeln zur Bekämpfung der Rockerkriminalität überwiegend als Angriff auf die gesamte Szene und negiert es daher zu- meist. Die Involvierung der BU erscheint deshalb derzeit nicht zielführend. Berlin, den 23. Dezember 2013 Frank Henkel Senator für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 24. Jan. 2014)