Drucksache 17 / 12 914 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Christopher Lauer (PIRATEN) vom 27. November 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 28. November 2013) und Antwort Datenerfassung im POLIKS bei der Berliner Polizei (IV) – personengebundener Hinweis „Ansteckungsgefahr“ Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Für wie viele Personen wurde seit dem Jahr 2008 der personengebundene Hinweis „Ansteckungsgefahr“ im POLIKS angelegt? (Bitte nach Jahren und wenn möglich nach jeweiligen Krankheitsbildern aufschlüsseln.) Zu 1.: Auf Grund des Beschlusses des Abgeordneten- hauses von Berlin vom 1. Dezember 1988 (86. Sitzung, TOP 20 D.) wurde bis zum Jahr 2012 zu keiner Person der personengebundene Hinweis „Ansteckungsgefahr“ angelegt. Infolge eines Beschlusses des Arbeitskreises II der Ständigen Konferenz der Innenminister und Innense- natoren der Länder (AK II) vom 20./21. Oktober 2011 wurde der personengebundene Hinweis „Ansteckungsgefahr “ am 22. April 2013 wieder eingeführt. Seitdem wurde der personengebundene Hinweis „Ansteckungsgefahr“ für 71 Personen angelegt (Stand: 3. Dezember 2013). 2. Muss eine Person bereits im POLIKS gespeichert sein, damit der personengebundene Hinweis „Ansteckungsgefahr “ angelegt werden kann, oder kann dieser für jede bislang nicht polizeilich erfasste Person angelegt werden? Zu 2.: Der personengebundene Hinweis „Ansteckungsgefahr “ wird im Polizeilichen Landessystem zur Information, Kommunikation und Sachbearbeitung (PO- LIKS) nur zu einer Person angelegt, wenn deren Daten anlässlich eines Ermittlungsverfahrens im POLIKS ge- speichert werden. 3. Von wem (Ärzt*innen, Krankenhäuser, Gesund- heitsämter, Justizvollzugsanstalten, Verwaltungsbehörde etc.) und auf welchem Wege erhält die Berliner Polizei Informationen darüber, dass eine Person an einer Krank- heit (HI-Virus, Hepatitis B und C) leidet, die das Anlegen des personengebundenen Hinweises „Ansteckungsgefahr“ erlaubt? a) Aufgrund welcher Voraussetzungen übermitteln die unter 3. genannten Stellen Informationen im vorstehend genannten Sinne (Werden diese Informationen immer an die Polizei übermittelt oder nur in Sonderfällen)? b) Wie und auf welchem Wege erfolgt eine solche In- formationsübermittlung? c) Inwieweit werden hierbei die ärztliche Schweige- pflicht und die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Personen geachtet? d) Auf welcher Rechtsgrundlage findet eine solche Übermittlung von Informationen jeweils statt? (Bitte eine detaillierte Einzeldarstellung für die mögli- chen Informationsgeber*innen.) e) Inwieweit werden betroffene Personen über eine In- formationsweitergabe informiert bzw. miteinbezogen? f) Müssen für eine Vergabe des personengebundenen Hinweises „Ansteckungsgefahr“ schriftliche Unterlagen vorliegen aus denen hervorgeht, dass jemand an einer unter 3. genannten Krankheit leidet, und wenn ja, welche sind das im Einzelnen und welche Voraussetzungen wer- den an diese gestellt? g) Reicht es in diesem Zusammenhang aus, wenn le- diglich ein mündlicher Hinweis von einer Stelle kommt, dass eine bestimmte Person unter einer unter 3. genannten Krankheit leidet, oder müssen stets und ausnahmslos schriftliche Unterlagen vorliegen? h) Werden die betroffenen Personen darüber infor- miert, dass zu ihrer Person der PHW „Ansteckungsgefahr “ gespeichert ist? i) Inwieweit überprüft die Berliner Polizei die Infor- mationen, die sie in Zusammenhang mit dem personenge- bundenen Hinweis „Ansteckungsgefahr“ erhält? Zu 3.: Es besteht kein automatisierter oder institutio- nalisierter Informationsaustausch der Polizei mit den genannten Stellen. Hierfür gibt es weder eine gesetzliche Grundlage, noch besteht eine diesbezügliche medizinische Notwendigkeit. Entsprechende Informationen werden im Rahmen po- lizeilicher Maßnahmen erlangt, vornehmlich von den betroffenen Personen selbst oder beispielsweise durch Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 914 2 Auffinden relevanter Unterlagen im Rahmen von Durch- suchungsmaßnahmen. Zu 3a): Im Zusammenhang mit den in Frage 3 ange- führten Krankheiten erhält die Polizei Berlin von keiner der genannten Stellen entsprechende Informationen. Zu 3 b) - e) Entfällt, da eine entsprechende Informa- tionsübermittlung nicht erfolgt. Zu 3f) Nach den bundeseinheitlichen Hinweisen zur Vergabe von personengebundenen Hinweisen (PHW) im INPOL-Verbund (PHW-Leitfaden, Beschluss AK II) müssen die Hinweise von einer Ärztin/einem Arzt oder von einer anderen öffentlichen Stelle auf der Grundlage eines ärztlichen Attests oder einer entsprechenden ärztli- chen Unterlage oder vom Betroffenen selbst vorliegen. Zu 3g) Nach dem unter 3f) angeführten Leitfaden ist ein mündlicher Hinweis dann ausreichend, wenn dieser von der/dem Betroffenen selbst bzw. auf der Grundlage eines ärztlichen Attests oder einer entsprechenden ärztli- chen Unterlage erfolgt. Zu 3h): Die betroffenen Personen werden über die Speicherung des PHW „ANST“ informiert, wenn sie einen Auskunftsantrag nach § 50 des Allgemeinen Si- cherheits- und Ordnungsgesetzes (ASOG) stellen. Zu 3i): Die Polizei überprüft in jedem Einzelfall die Informationen über die Erkrankung anhand der genannten Kriterien des PHW-Leitfadens des Bundeskriminalamtes daraufhin, ob eine Erfassung des PHW „ANST“ erforderlich , geeignet und verhältnismäßig im engeren Sinne ist. Dabei handelt sie nach pflichtgemäßem Ermessen. 4. Von wem (Ärzt*innen, Krankenhäuser, Gesund- heitsämter, Justizvollzugsanstalten, Verwaltungsbehörde) und auf welchem Wege erhält die Berliner Polizei Infor- mationen darüber, dass eine Person nicht mehr Hepatitis B-/C- und HI-Viren übertragen kann? a) Wie erfolgt eine solche Informationsübermittlung? b) Wie wird überprüft bzw. festgestellt, dass die Vo- raussetzungen für die Vergabe von personengebundenen Hinweisen“ Ansteckungsgefahr“ entfallen sind und diese zu löschen sind? (Bitte eine detaillierte Darstellung des vorstehend abgefragten Prozesses.) c) Werden die betroffenen Personen proaktiv darüber informiert, dass der zu ihrer Person gespeicherte PHW „Ansteckungsgefahr“ wieder gelöscht wurde? Zu 4.: Eine Meldung von einer nicht mehr bestehen- den Ansteckungsgefahr mit HIV, Hepatitis B oder C durch Gesundheitsämter, Ärztinnen und Ärzte oder Kran- kenhäuser an die Polizei erfolgt nicht. Hierfür besteht weder eine gesetzliche Grundlage noch eine medizinische Notwendigkeit. Zu 4a) Siehe Antwort zu Frage 4. Zu 4 b) Betroffene müssten auf die Polizei zugehen und den Nachweis erbringen, dass eine Ansteckungsge- fahr nicht mehr gegeben ist, wenn der PHW „ANST“ vor Ablauf der Speicherfrist gelöscht werden soll. 5. Lässt sich nach Ansicht des Senats die Vergabe des PHW „Ansteckungsgefahr“ unter dem Gesichtspunkt des Schutzgedankens für Polizeibeamt*innen weiter rechtfertigen, obwohl es keinen einzig statistisch erfassten Fall gibt, bei dem sich eine Polizeibeamt*in im Dienst mit dem HI-Virus infiziert hat bzw. Opfer eines bewussten Angriffs mit dem Ziel einer Ansteckung wurde? Zu 5.: Entsprechende Statistiken liegen der Polizei Berlin weder vor, noch werden sie bisher von ihr geführt. Mit den PHW wird vorrangig der Schutz der Betroffe- nen und die Minimierung von Gefahrensituationen für Polizeibedienstete intendiert. Darüber hinaus sollen sie als bundesweit abgestimmte und angewandte Merkmale ein gemeinsames strategisches Vorgehen bei bundesweiten Fahndungsmaßnahmen der Polizei gewährleisten. Vor dem Hintergrund rechtlicher Fortentwicklungen wurden die grundsätzliche Notwendigkeit bzw. Rechtmäßigkeit des Fortbestandes der PHW sowie die derzeit geltenden Vergabekriterien auf ihre Aktualität und hinreichende Bestimmtheit geprüft. Im Ergebnis der Prüfung wurde u. a. die Notwendigkeit gesehen, den PHW „ANST“ bundeseinheitlich beizubehalten (vgl. Abgeordnetenhaus von Berlin Drucksache 17/20 336 vom 26.04.2013). Berlin, den 03. Februar 2014 In Vertretung Bernd Krömer Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 25. Feb. 2014)