Drucksache 17 / 12 937 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Evrim Sommer (LINKE) vom 03. Dezember 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. Dezember 2013) und Antwort Gegen Häusliche Gewalt – zur länderübergreifenden Kooperation bei Plätzen in Frauenhäusern Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie oft ist es 2012 und 2013 in Berlin vorgekom- men, dass für Frauen in akuter Situation kein Frauenhaus- platz zur Verfügung gestellt werden konnte? Zu 1.: Im Jahr 2012 wurden 208 Fälle und im Jahr 2013 (Stand 30.September 2013) 164 Fälle, in denen Frauen nicht vermittelt werden konnten, erfasst. Diese Zahlen sind jedoch nur grobe Anhaltspunkte, da die ge- naue Anzahl von Frauen, für die keine Vermittlung auf einen Schutzplatz möglich war, aufgrund von Mehrfach- anrufen bzw. Zählungen nicht festzustellen ist. Die Anru- fe erfolgen anonym und von Seiten der Projekte kann nicht nachverfolgt werden, welche Frau sich in welcher Einrichtung (wiederholt) gemeldet hat. Für das Jahr 2013 kommt hinzu, dass ein Frauenhaus wegen erforderlicher Renovierungsarbeiten vorüberge- hend seine Platzkapazität erheblich reduziert hat. In den Fällen, in denen einer Betroffenen kein Frauen- hausplatz zur Verfügung gestellt werden kann, wird ver- sucht, sie in einer Zufluchtswohnung, einem Frauenhaus in Brandenburg oder einer anderen Einrichtung wie z.B. dem Kindernotdienst vorläufig unterzubringen. Ggf. wird der Frau empfohlen, sich am nächsten Tag wieder zu melden. 2. Wie oft und wohin konnten diese Betroffenen an Frauenhäuser außerhalb von Berlin vermittelt werden? Zu 2.: Im Jahr 2012 wurden 69 und im Jahr 2013 (Stand 30. September 2013) 64 Frauen in Frauenhäuser außerhalb Berlins, überwiegend ins Umland, vermittelt. Darin erfasst sind auch die Fälle, bei denen betroffene Frauen selbst einen Schutzort außerhalb Berlins bevorzugt haben. 3. Über welche Verfahren/Kooperationen wird gesi- chert, dass die Betroffenen in Frauenhäusern des Landes Brandenburg bzw. anderer Länder aufgenommen werden? Zu 3.: Die Aufnahme von gewaltbetroffenen Frauen erfolgt bundesweit länderübergreifend und unabhängig vom jeweiligen Aufenthaltsort. So sollen z. B. besondere Bedrohungs- und Verfolgungssituationen abgeschätzt werden, in denen durch einen vorübergehenden Orts- wechsel die Sicherheit der betroffenen Frauen erhöht werden kann. In Berlin ist es Aufgabe der BIG- HOTLINE, die Betroffenen auf einen Schutzplatz zu vermitteln. 4. Auf welcher Ebene und in welchem Rhythmus gibt es länderübergreifende Kooperationen und Beratungen zum Schutz von Frauen bei Häuslicher Gewalt in Berlin und Brandenburg sowie auf Bundesebene? Zu 4.: Im Rahmen der länderübergreifenden Koopera- tion besteht insbesondere mit dem Land Brandenburg seit Jahren ein enger Informations- und Fachaustausch. Bei regelmäßigen Treffen mit dem Brandenburger Ministeri- um für Arbeit, Soziales, Frauen und Familie und der Ber- liner Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen ist die Frage der länderübergreifenden Kooperation zum Schutz von Frauen bei Häuslicher Gewalt mehrfach erör- tert worden. Für den Januar 2014 ist ein weiterer Ge- sprächstermin vorgesehen. Auch auf Bundesebene besteht eine enge Kooperation. Die für das Thema zuständigen Fachreferate der Bundesländer kommen jährlich zu einer Arbeitsbesprechung zusammen. Dabei werden aktuelle Entwicklungen in den einzelnen Bundesländern bespro- chen und Kooperationsmöglichkeiten erörtert. Bei beson- derem Abstimmungsbedarf findet auch ad hoc ein Aus- tausch statt. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 937 2 5. Welche Festlegungen und Vereinbarungen gibt es dazu zwischen dem Senat und der Brandenburger Landes- regierung sowie zwischen den Frauenhäusern, der Berli- ner und der Bundeshotline gegen Häusliche Gewalt? Zu 5.: In gemeinsamen Gesprächen mit den Berliner Frauenunterstützungseinrichtungen, der BIG-HOTLINE und dem Netzwerk der Brandenburgischen Frauenhäuser wurde Anfang des Jahres 2012 vereinbart, dass bei Eng- pässen in den Berliner Frauenhäusern von häuslicher Gewalt betroffene Frauen und ihre Kinder verstärkt in den Frauenhäusern in Brandenburg Aufnahme finden können. Diese Vereinbarung wird auch in der Praxis umgesetzt. Das bundesweite Hilfetelefon bei Gewalt gegen Frau- en vermittelt Anruferinnen aus dem Berliner Großraum, die in einer akuten Notsituation sind und eine Schutzun- terkunft benötigen, direkt an die BIG-HOTLINE weiter. Da dorthin auch die freien Plätze in den Frauenhäusern gemeldet werden, kann der Betroffenen in der Regel schnell ein Schutzangebot gemacht werden, ohne dass alle Einrichtungen abtelefoniert werden müssen. Zur prakti- schen Arbeit gibt es Absprachen sowie eine etablierte Kommunikation zwischen dem Hilfetelefon des Bundes und der BIG-Hotline. Im März 2013 wurden die Anruf- zeiten bei der BIG-HOTLINE an die des Bundeshilfetele- fons angepasst. Die BIG-HOTLINE ist seitdem ebenfalls rund um die Uhr erreichbar. Darüber hinaus ist die Abteilung für Frauen und Gleichstellung im Beirat des Bundeshilfetelefons vertre- ten. Dies bietet die Gewähr für eine enge Verzahnung der Angebote des Bundes mit Berlin. 6. Ist dem Senat bekannt, dass für manche Frauen ein Frauenhausplatz außerhalb Berlins wegen ihrer Berufstä- tigkeit, wegen spezieller gesundheitlicher und sozialer Erfordernisse, wegen fehlender Sprachkenntnis, wegen mitbetroffener Kinder u.dgl. nicht hinnehmbar ist und wie soll in solchen Fällen Abhilfe geschaffen werden? Zu 6.: Die optimale Versorgung und der Schutz der Opfer ist ein zentrales Anliegen des Berliner Senats. Ber- lin verfügt ab dem Haushaltsjahr 2014 über 322 Frauen- hausplätze und 117 Plätze für Betroffene in Zufluchts- wohnungen. Seit März 2013 besteht überdies ein ergän- zendes Angebot in Form einer Anlaufstelle mit anonymer Adresse bei der BIG-HOTLINE. In der Zeit nach 18 Uhr und an Wochenenden und Feiertagen, wenn in den Frau- enhäusern keine Mitarbeiterinnen für eine professionelle Beratung zur Verfügung stehen, können Frauen aufge- nommen werden und bis zu drei Tagen bleiben. Berlin stellt damit ein differenziertes Angebot mit dem Ziel einer sofortigen persönlichen Erstberatung und parallelen Einleitung passgenauer Unterstützungsmöglichkeiten zur Verfügung. Bevor eine betroffene Frau in ein anderes Bundesland vermittelt wird, erfolgt eine individuelle Prüfung ihrer Situation und der dortigen Unterstützungs- möglichkeiten. In einigen Fällen ist die Unterbringung in einem anderen Bundesland auch aus Sicherheitsgründen unvermeidlich. Der Senat ist im Dialog mit den Unter- stützungseinrichtungen stets bemüht, das Berliner Hilfe- system weiter zu entwickeln und ggf. vorhandene Lücken in der Angebotskette zu schließen. So ist geplant, im Jahr 2014 einen Forschungsauftrag mit dem Ziel einer Be- standsanalyse der Berliner Infrastruktur und Empfehlun- gen für eine konzeptionelle Weiterentwicklung zu verge- ben. 7. Ist dem Senat bekannt, dass Frauen aus anderen Bundesländern gerade den anonymen Schutz einer Groß- stadt wie Berlin benötigen, um den Nachstellungen bei Häuslicher Gewalt entgehen zu können und wie wird dieser Aspekt bei der Weiterentwicklung von Maßnahmen gegen Häusliche Gewalt in Berlin und bundesweit be- rücksichtigt? Zu 7.: Der Senat stellt in Berlin ein sehr gutes Ange- bot für gewaltbetroffene Frauen zur Verfügung. Mit der vorgehaltenen Platzzahl in den Frauenhäusern wird auch die von der EU in der Europaratskonvention vom Mai 2011 geforderte Quote von einem Platz auf 10.000 Ein- wohnerinnen erreicht. Berlin ist neben Hamburg und Schleswig-Holstein eines der Bundesländer, das die Frau- enhäuser nicht über Tagesätze finanziert. Die Beratungs- und Mietkosten werden komplett übernommen. Wie in der Antwort auf Frage 3. dargestellt, werden auch Frauen und Kinder aus anderen Bundesländern in Berliner Schutzeinrichtungen aufgenommen. Es kann jedoch nicht die Aufgabe des Landes Berlin sein, dauerhaft den Schutz von Betroffenen aus anderen Bundesländern sicherzustel- len und zu finanzieren. Vielmehr ist es Aufgabe aller Bundesländer, ein angemessenes Angebot – auch unter Nutzung der Anonymität anderer Großstädte - vorzuhal- ten. Bei der Diskussion um eine bundeseinheitliche Fi- nanzierung von Frauenhäusern wird dieser Aspekt in der Bund-Länder-AG Häusliche Gewalt behandelt. Berlin, den 23. Dezember 2013 In Vertretung Barbara L o t h Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 07. Jan. 2013)