Drucksache 17 / 12 939 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Klaus Lederer (LINKE) vom 04. Dezember 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. Dezember 2013) und Antwort Polizeigewalt gegenüber Queers*? - Was tut der Senat? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Ist dem Senat die Pressemitteilung von LesMigraS und GLADT vom 31. Oktober 2013 „Wiederholte Polizeigewalt an Trans* of Color“ bekannt? Zu 1.: Ja. 2. Wenn 1. ja: Kann der Senat den dort geschilderten Sachverhalt zur respektlosen, schikanösen und erniedri- genden Behandlung einer Trans*-Person im Polizeige- wahrsam am 23. Oktober 2013 dem Grund nach bestäti- gen? Wenn nein: warum nicht? Zu 2.: Bezüglich des Sachverhalts ist ein Ermittlungs- verfahren wegen des Verdachts der Nötigung und Belei- digung zum Nachteil der in der Pressemitteilung erwähn- ten Trans*-Person eingeleitet worden. Am 3. Dezember 2013 ist der Vorgang von der Polizei Berlin an die Staats- anwaltschaft Berlin abgegeben worden. Auskünfte zum Sachstand sind daher der Staatsanwaltschaft vorbehalten. 3. Wenn 1. ja: Ist insoweit ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden und wie ist ggf. der gegenwärtige Stand dieses Ermittlungsverfahrens bzw. wann ist mit einem Stand zu rechnen, der Auskunft über das Verfahren ermöglicht? Zu 3.: Das eingeleitete Ermittlungsverfahren wird bei der Staatsanwaltschaft Berlin geführt, die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen. Siehe Beantwortung zu Frage 2. 4. Wie wird in der Polizei Berlin im Fall von § 81d StPO (ggf. i.V.m. § 34 Abs. 4 ASOG) bei Trans* oder intersexuellen Menschen prinzipiell verfahren? Zu 4.: Würde und Schamgefühl der Betroffenen wer- den unabhängig von ihrer sexuellen Identität geachtet. Dieser selbstverständliche Anspruch verlangt eine einzel- fallbezogene Anwendung des § 81d Strafprozessordnung (StPO). Daher wird eine körperliche Untersuchung, wenn sie das Schamgefühl verletzen kann, grundsätzlich von einer Person des gleichen Geschlechts oder von einer Ärztin bzw. einem Arzt durchgeführt. Äußert die Betroffene bzw. der Betroffene ein berechtigtes Interesse, erfolgt die körperliche Untersuchung auch durch eine Person oder eine Ärztin bzw. einen Arzt des von der Betroffenen bzw. dem Betroffenen gewünschten Geschlechts. Dies gilt gleichermaßen für den Bereich der Gefahrenabwehr. Die betroffene Person wird ihrem Wunsch entspre- chend mit Herr oder Frau angesprochen. 5. Existiert generell eine Handlungsanweisung der Berliner Polizei zum Umgang mit Trans* und intersexu- ellen Menschen? Zu 5.: Ja. 6. Wenn 5. ja: Wann wurde diese Handlungsanwei- sung erlassen, wie wurde für ihre Berücksichtigung in der Tätigkeit der Berliner Polizei Sorge getragen und wo ist diese Handlungsanweisung öffentlich gemacht? Zu 6.: Die Handlungsanweisung „Verfahren bei der Untersuchung/Durchsuchung inter- und transsexueller Personen“ wurde im Jahr 2010 erlassen. Sie wurde allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Polizei Berlin übersandt und ist über das Intranet der Polizei Berlin abrufbar. Des Weiteren wird die Handlungsanweisung in der Aus- und Fortbildung behandelt. 7. Wie (oft) bzw. von wem werden Polizeibedienstete zum Umgang mit Trans* und intersexuellen Menschen (vorbereitet und) geschult? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 939 2 Zu 7.: Die kontinuierliche Thematisierung von Trans- und Intersexualität erfolgt im Rahmen einer eintägigen Veranstaltung „Polizei und Homosexualität“ während der Ausbildung zum mittleren und gehobenen Polizeivoll- zugsdienst durch die Ansprechpartnerinnen und An- sprechpartner für gleichgeschlechtliche Lebensweisen der Polizei Berlin in Kooperation mit dem Opferhilfe- und Gewaltpräventionsprojekt MANEO. Zudem erfolgen anlassbezogene Dienststellenfortbil- dungen, teilweise unter Beteiligung des Antidiskriminie- rungsprojekts „Stand up“ der Schwulenberatung Berlin mit Schwerpunkt auf die Lebenssituation transsexuel- ler/transidenter Personen. 8. Werden die mit Vollzugsmaßnahmen mit besonde- rem Körperbezug bzw. Gewahrsamsvollzug typischer- weise befassten Polizeibediensteten (GESA, Bereit- schaftspolizei u.ä.) abweichend von den Schulungen nach Frage 7 in besonderer Weise eingewiesen und geschult? Zu 8.: Nein. 9. Welche konkreten Maßnahmen sind über 4.- 8. hinaus nach Bekanntwerden der Pressemitteilung zu Fra- ge 1 auf Veranlassung des Senats bzw. des Polizeipräsi- denten in der Berliner Polizei eingeleitet worden, um derartige bzw. vergleichbare Vorkommnisse prinzipiell zu unterbinden? Sind in diesem Zusammenhang VelsPol e.V. und die Ansprechpartner*innen für LSBTTI* bei Polizei und Staatsanwaltschaft einbezogen und wenn ja in wel- cher Weise? Zu 9.: Die genannten Maßnahmen werden fortgesetzt und kontinuierlich ausgebaut. Die Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner für gleichgeschlechtliche Lebens- weisen der Polizei Berlin werden bei allen Sachverhalten mit Bezug zu Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Trans- gendern (LSBT) einbezogen. Sie unterstützen bei der Bearbeitung von Beschwerdefällen mit Bezug zu LSBT und pflegen Kontakt und den fachlichen Austausch mit Projekten und Einzelpersonen in diesem Themenfeld. Seit 2013 beteiligt sich die Polizei Berlin am Projekt „Trans* in Arbeit“ der Landesantidiskriminierungsstelle mit dem Ziel, die Situation transidenter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie die von Arbeitsuchenden zu verbes- sern. Hierbei soll auch die Vernetzung mit Trans*- Pro- jekten weiter vertieft werden. Zukünftig geplante weitere Maßnahmen: - Allgemeine Maßnahmen zur Erhöhung der DiversityKompetenz - Intensivierung der spezifischen Dienststellenfortbildungen Die Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner für gleichgeschlechtliche Lebensweisen der Polizei Berlin sind über den der Anfrage zu Grunde liegenden Sachver- halt informiert und stehen mit der Ansprechpartnerin und dem Ansprechpartner für gleichgeschlechtliche Lebens- weisen der Staatsanwaltschaft Berlin in engem Kontakt. Konkrete Maßnahmen sind auf Grund des laufenden Er- mittlungsverfahrens und der derzeit nicht abschließend geklärten Sachlage noch nicht getroffen worden. Aus diesem Grund ist der Verband lesbischer und schwuler Polizeibediensteter in Deutschland (VelsPol e. V.) als Mitarbeiternetzwerk nicht involviert. Das zu 3. benannte Ermittlungsverfahren wird von der Oberstaatsanwältin bearbeitet, die bei der Staatsanwalt- schaft Berlin die Ansprechpartnerin für gleichgeschlecht- liche Lebensweisen ist. Dem Ergebnis der Ermittlungen kann hier nicht vorgegriffen werden. Die Ansprechpartnerin bei der Staatsanwaltschaft Ber- lin für gleichgeschlechtliche Lebensweisen und ihr Stell- vertreter hatten sich bei dem GLADT e.V. (unabhängige Selbst-Organisation von türkeistämmigen Lesben, Schwu- len, Bi- und Transsexuellen und Transgendern (LSBTT) außerhalb der Türkei) am 29. Oktober 2012 in ihrer Ei- genschaft als Ansprechpartnerin bzw. Ansprechpartner für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender, Transsexuelle und Intersexuelle (LSBTTI*) vorgestellt, bei dem Les- benberatung e.V./LesMigraS (Lesbische/bisexuelle Mig- rant_innen und Schwarze Lesben und Trans*Menschen) am 19. März 2013. 10. Haben der Senat bzw. der Polizeipräsident a) mit den die Pressemitteilung verantwortenden Ver- einen der Selbstorganisation von Queers of Color Kontakt aufgenommen, um über den geschilderten Fall und vergleichbare Vorkommnisse zu spre- chen, Zu 10 a): Sowohl LesMigraS als auch GLADT wur- den von der ermittlungsführenden Polizeidienststelle unter Bezugnahme auf die Pressemitteilung mit der Bitte angeschrieben, – soweit möglich – sachdienliche Details zum Sachverhalt mitzuteilen, unter anderem die Benen- nung weiterer Zeugen. Da in der Pressemitteilung von weiteren Diskriminie- rungsfällen die Rede war, wurden beide Vereine von der Polizei Berlin gebeten, diese Fälle konkret zu schildern und ggf. bekannte Geschädigte zu benennen. Eine Beant- wortung dieses Schreibens ist bisher nicht erfolgt. Bereits im November 2013 wurde durch die Ansprechpartne- rin/den Ansprechpartner der Polizei Berlin für gleichge- schlechtliche Lebensweisen sowohl mit GLADT als auch mit LesMiGras/Lesbenberatung Kontakt aufgenommen und es wurden Gesprächstermine für Januar 2014 verein- bart, um zukünftig die gemeinsame Basis für eine kon- struktive Aufarbeitung vergleichbarer Fälle zu stärken und die Kommunikation zu verbessern. 10. b) aus Anlass der Mitteilung eine ganz deutlich öf- fentlich wahrnehmbare Positionierung mit klarer Dis- tanzierung von Gewalt, Demütigung und Erniedrigung gegenüber Queers durch Polizeibedienstete vorgenom- men, 10. c) sich ggf. bei dem/den Betroffenen für die Be- hörde Polizeipräsident in Berlin entschuldigt? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 939 3 Zu 10 b) und c): Nein. 11. Wenn 10. a-c) nein: Warum nicht? Zu 11.: Siehe Beantwortung zu Frage 2. Berlin, den 13. Januar 2014 Frank Henkel Senator für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 10. Feb. 2014)