Drucksache 17 / 12 940 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Evrim Sommer (LINKE) vom 05. Dezember 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. Dezember 2013) und Antwort Zwangsprostitution und Polizeibefugnisse Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Welche Strategie verfolgt die Berliner Polizei bei der Bekämpfung von Menschenhandel und Zwangspros- titution und welche Ermittlungsmethoden sind zielfüh- rend, um Opfer von Menschenhandel und Zwangsprosti- tution zu identifizieren und Straftäter zu fassen? Zu 1.: Die Polizei Berlin bekämpft den Menschen- handel zur sexuellen Ausbeutung im Rahmen eines ganz- heitlichen Konzeptes. Dazu zählen sowohl präventive als auch repressive Maßnahmen. Beispielhaft seien genannt: - Gemeinsame Einsätze durch die zuständige Fachdienststelle des Landeskriminalamtes (LKA) und örtliche Polizei-Direktionen. - Milieustreifen durch das Fachdezernat LKA 42. - Gemeinsame Maßnahmen/Einsätze mit den zustän- digen Stellen der Bezirksämter, der Steuerfahn- dung, dem Hauptzollamt/Finanzkontrolle Schwarzarbeit und den Gewerbeämtern. - Enge Kooperation mit den Fachberatungsstellen im Kontext mit Einsätzen sowie im Vorfeld, wäh- rend und nach den Verfahren zu Menschenhandel zur Gewährleistung eines umfassenden Opfer- schutzes. Grundlage hierfür ist eine Kooperati- onsvereinbarung zwischen der Polizei und diver- sen Beratungsstellen. - Interne und externe Öffentlichkeitsarbeit durch das zuständige Fachdezernat LKA 42. - Aufbau und Nutzung von Netzwerken innerhalb der Polizei Berlin sowie mit allen beteiligten Ver- waltungen, Behörden, Institutionen und Organisa- tionen; national und international. - Die Polizei Berlin ist Mitglied in der Fachkommission Menschenhandel, die bei der Senatsverwal- tung für Arbeit, Integration und Frauen angesiedelt ist. - Täterorientierte Ermittlungen mit dem Ziel, durch Verurteilungen von maßgeblichen Tatverdächtigen die Szene nachhaltig zu schwächen. Dies hat häu- fig positive Auswirkungen auf die Aussagebereit- schaft der Opfer. Die Beweisführung im Men- schenhandel stützt sich fast ausschließlich auf die Angaben von Opferzeuginnen. Somit kommt der Stabilisierung der Betroffenen sowohl durch die Polizei als auch durch die Beratungsstellen eine hohe Bedeutung zu. - Enge Abstimmung mit der zuständigen Abteilung der Staatsanwaltschaft Berlin. - Durch Gewinnabschöpfung und eine enge Kooperation mit den Finanzbehörden wird die Re- duzierung der Gewinne aus den Menschenhandels- und Zuhältertaten initiiert. 2. Inwiefern werden in Berlin polizeiliche Ermittlun- gen wegen Menschenhandels und Zwangsprostitution erschwert? Zu 2.: Menschenhandel und Zwangsprostitution wer- den häufig durch Kontrollen der Polizei festgestellt. Da die Berliner Polizei auf der Grundlage des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes Berlin (ASOG) auch anlassunabhängig Kontrollen an Orten der Prostitutions- ausübung durchführen kann, hat das Prostitutionsgesetz von 2002 nach Einschätzung des Berliner Landeskrimi- nalamtes nicht dazu geführt, die polizeilichen Ermittlun- gen wegen Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung zu erschweren. Dennoch hält der Senat eine Weiterentwicklung des Prostitutionsgesetzes mit dem Ziel, die derzeitigen Regelungslücken zu schließen, auch im Hinblick auf die Bekämpfung des Menschenhandels für erforderlich. Der Senat wird an einer weiteren Verbes- serung des Schutzes von Frauen vor Menschenhandel und Zwangsprostitution mitwirken. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 940 2 3. Welche Fortbildungsangebote gibt es für die Poli- zei zur Bekämpfung von Menschenhandel und Zwangs- prostitution und wie werden sie genutzt? Zu 3.: Fortbildungen im Zusammenhang mit Men- schenhandel werden sowohl von der Landespolizeischule als auch im Zusammenwirken mit Fachberatungsstellen angeboten und zahlreich in Anspruch genommen. Dar- über hinaus besuchen Beamtinnen und Beamte des Fach- dezernates des LKA fachspezifische Lehrgänge beim Bundeskriminalamt (BKA) und nehmen an nationalen und internationalen Tagungen teil. Fortbildungen zum polizeilichen Umgang mit Prosti- tution werden ebenfalls sowohl von den Fachkommissari- aten des Landeskriminalamtes, der Landespolizeischule als auch im Zusammenwirken mit Fachberatungsstellen angeboten und rege in Anspruch genommen. 4. Wie werden die Erfahrungen mit der Kooperati- onsvereinbarung von Polizei und Beratungsstellen für Opfer von Frauenhandel von 2003 vom Senat einge- schätzt? Zu 4.: Einer der elementaren Bausteine in der Be- kämpfung des organisierten Menschenhandels ist in dem schon langjährig vertrauensvollen und erfolgreich prakti- zierten Zusammenwirken der Polizei mit den nichtstaatli- chen Fachberatungsstellen zu sehen. Opfer von Men- schenhandel zeigen sich bei der Polizei vielfach traumati- siert und bedürfen sowohl in psychischer als auch physi- scher Hinsicht kompetenten fachlichen Beistands. Dieser wird den Opfern zweifelsohne durch die Arbeit der Fachberatungsstellen zuteil. Zu den Standards der Fachkommissariate im Landeskriminalamt gehört inso- fern, die Prostituierten bei polizeilichen Kontrollen, aber auch im konkreten Ermittlungsfall, auf die Möglichkeit der Unterstützung durch die Fachberatungsstellen hinzu- weisen. Hierfür sind entsprechende Flyer in vielen Spra- chen vorhanden. Im Ergebnis sind die Erfahrungen mit der Kooperati- onsvereinbarung aus Sicht des Senats positiv zu bewerten. Mit dieser Vereinbarung wurde die Zusammenarbeit zwischen Polizei und Beratungsstellen klar definiert, indem die jeweiligen Aufgaben und Verantwortlichkeiten deutlich benannt und die polizeiliche Ermittlungstätigkeit gegen die Tatverdächtigen und die psychosoziale Betreu- ung der Betroffenen klar und für alle Beteiligten nach- vollziehbar voneinander abgegrenzt wurden. Aufgrund der Bedeutung, die in Menschenhandelsverfahren dem Personalbeweis zukommt, leistet die Kooperationsverein- barung somit nicht nur einen Beitrag zur angemessenen Berücksichtigung der komplexen Situation der Opfer, sondern auch zur Unterstützung der Arbeit der Strafver- folgungsbehörden. Berlin, den 08. März 2014 Frank Henkel Senator für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 13. Mrz. 2014