Drucksache 17 / 12 949 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Susanne Graf und Martin Delius (PIRATEN) vom 02. Dezember 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. Dezember 2013) und Antwort Wie qualitiativ hochwertig ist die Sprachstandsfestellung in Berlin? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie bewertet der Senat das Ergebnis der aktuellen Studie „Die Qualität von Sprachstandsverfahren im Elementarbereich “ des Mercator-Instituts, dass lediglich acht von 21 bundesweit eingesetzten Sprachstandstestverfah- ren mehr als 16 von insgesamt 32 Qualitätsmerkmalen erfüllen? Zu 1.: Der Versuch des Mercator-Instituts, die vor- handenen Verfahren zu bilanzieren, ist positiv zu werten. Die vom Mercator-Institut analysierten Verfahren verfol- gen jedoch unterschiedliche Zielsetzungen und haben verschiedene Zielgruppen. Dies wurde bei der Analyse der verschiedenen Verfahren nicht berücksichtigt. Wei- terhin fehlt eine Gewichtung der vom Mercator-Institut entwickelten Qualitätskriterien, um die verschiedenen Instrumente angemessen beurteilen zu können. Daher wird in der Studie selbst darauf hingewiesen, dass die Schlussfolgerung nicht zulässig ist, über die Anzahl der erfüllten Merkmale auf die Qualität eines Verfahrens zu schließen. 2. Wie bewertet der Senat das Ergebnis der in 1. ge- nannten Studie, dass der in Berlin bei Nicht-Kita-Kindern eingesetzte Sprachstandstest Deutsch Plus 4 lediglich 16 von 32 Qualitätsmerkmalen erfüllt? Zu 2.: Die 16 von 32 Kriterien, die erfüllt werden, führen dazu, dass Deutsch Plus 4 im Ranking des Berich- tes des Mercator-Instituts an neunter Stelle bei insgesamt 21 untersuchten Verfahren liegt. Dies stellt einen relativ guten Platz im oberen Mittelfeld dar und dürfte auf den hohen und insgesamt erfolgreichen Aufwand zurückzu- führen sein, mit dem Deutsch Plus 4 standardisiert und pilotiert worden ist, erstmalig 2004, als das niedersächsi- sche Verfahren für Berliner Zielsetzungen adaptiert wur- de, ein zweites Mal 2008, als nach dem Absenken des Schuleintrittsalters das Verfahren für die im Schnitt jün- gere Zielgruppe angepasst und überprüft werden musste. Zu beachten ist zudem, ob tatsächlich an alle aufgelis- teten Verfahren in sinnvoller Weise alle 32 Kriterien anzulegen sind. So gilt z. B., dass das Instrument Deutsch Plus 4 ein Screeningverfahren ist, in der Studie jedoch von den Autoren als "gemischtes Verfahren" klassifiziert wird, was in der Konsequenz zu einem verfälschten Er- gebnis führt. 3. Wie bewertet der Senat das Ergebnis der in 1. ge- nannten Studie, dass der in Berlin bei Kita-Kindern einge- setzte Sprachstandstest QuaSta lediglich 11 von 32 Quali- tätsmerkmalen erfüllt? 7. Wie bewertet der Senat das Ergebnis der in 1. ge- nannten Studie, dass der Sprachstandstest Quasta nicht objektiv und nicht reliabel ist und damit elementaren Gütekriterien wissenschaftlicher Forschung nicht erfüllt? Zu 3. und 7.: Die Berliner Qualifizierte Statuserhe- bung (QuaSta) ist ein Verfahren, mit dem das sprachliche Handeln der Kinder in alltäglichen Handlungssituationen beobachtet und dokumentiert wird. Anhand der in der Mercator-Studie als sehr gut bewerteten Anleitung zur QuaSta wird das pädagogische Fachpersonal befähigt, die Beschreibungen systematisch und differenziert vorzu- nehmen. QuaSta ist integriert in einen Prozess der syste- matischen, differenzierten und langfristigen Sprachstands- feststellung in Kindertageseinrichtungen und Kinderta- gespflege, sodass die tatsächliche Sprachkompetenz des Kindes zuverlässig abgebildet wird. 4. Wie bewertet der Senat das Ergebnis der in 1. ge- nannten Studie, dass die in Berlin eingesetzten Sprach- standstests QuaSta und Deutsch Plus 4 keine Bezüge zu irgendeiner benannten Sprachtheorie aufweisen und somit keiner sprachwissenschaftlichen Grundlage unterliegen? Zu 4.: Im bundesweiten Vergleich hat in Bezug auf die Spracherwerbstheorie nur ein Test besser als ausrei- chend abgeschnitten. Begründet wird dieses Ergebnis vom Mercator-Institut mit der grundsätzlichen Problema- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 949 2 tik, dass keine Spracherwerbstheorie vollständig empi- risch belegt ist und die Ableitung von diagnostisch rele- vanten Aufgabentypen aus der Theorie problematisch ist. 5. Wie bewertet der Senat das Ergebnis der in 1. ge- nannten Studie, dass die in Berlin eingesetzten Sprach- standstests QuaSta und Deutsch Plus 4 die Bilingualität bzw. die Mehrsprachigkeit von Kindern nicht berücksich- tigen? Zu 5.: Unterrichtssprache in Berlin ist im Regelfall Deutsch. Mit dem Screeningverfahren Deutsch Plus 4 und dem Beobachtungsverfahren QuaSta soll festgestellt wer- den, ob die Sprachkompetenz in der Verkehrssprache Deutsch für eine erfolgreiche Teilnahme am Schulbesuch ausreicht. Im Anschluss an einen festgestellten Sprach- förderbedarf kann es sinnvoll sein, den Sprachstand in der Muttersprache zu erheben, um Hinweise für die individu- elle Förderung zu erhalten. Dies ist aber zeitaufwändig und bedarf spezifischer Instrumente und Kenntnisse in der jeweiligen Sprache. 6. Wie bewertet der Senat das Ergebnis der in 1. ge- nannten Studie, dass die in Berlin bei Kita-Kindern einge- setzten Sprachstandstests QuaSta und Deutsch Plus 4 die Einschätzungen der Eltern nicht berücksichtigen? Zu 6.: Zwei der vier Module der Sprachstandsfeststel- lung Deutsch Plus 4 beruhen auf Angaben der Eltern. Die QuaSta wird auf der Grundlage des Sprachlernta- gebuches und der dort enthaltenen Lerndokumentation eingesetzt. Sie beruht einerseits auf der Einschätzung von Entwicklungsschritten und berücksichtigt andererseits den tatsächlichen Stand zum Zeitpunkt der Feststellung. Ins- besondere bei der Einschätzung von Entwicklungsschrit- ten und deren Dokumentation werden die Eltern von Anfang an beteiligt. Zudem werden die Eltern nach den Sprachkenntnissen des Kindes befragt. Die Ergebnisse der QuaSta sowie die anschließende Förderung werden mit den Eltern besprochen, insbesondere bei festgestelltem Sprachförderbedarf. 8. Welche Schlussfolgerungen zieht der Senat aus den Ergebnissen der Studie hinsichtlich der in Berlin eingesetzten Sprachstandstests? 9. Hält der Senat nach den Erkenntnissen der in 1. genannten Studie den Einsatz der Sprachstandstests Deutsch Plus 4 und Quasta noch für vertretbar? a. Wenn ja, warum? b. Wenn nein, welches oder welche Sprachstands- festverfahren soll oder sollen zukünftig eingesetzt werden, um zu prüfen, ob Kinder im Vorschulalter einen Sprachförderbedarf haben oder nicht? Zu 8. und 9.: Deutsch Plus 4 und QuaSta erfüllen die ihnen nach § 55 Schulgesetz zugedachte Aufgabe, bei Kindern, die im folgenden Kalenderjahr schulpflichtig werden, Sprachförderbedarf zu identifizieren. Beide Ver- fahren sind in der Praxis gut implementiert und finden eine hohe Akzeptanz. Im Rahmen des Bund-Länder- Projekts Bildung durch Sprache und Schrift (BiSS) wer- den derzeit auch die Verfahren zur Sprachstandserhebung geprüft und weiterentwickelt. Berlin beteiligt sich an BiSS und wird weitere Konsequenzen bezüglich einge- setzter Sprachstandsverfahren unter Berücksichtigung der Ergebnisse, die im Rahmen von BiSS gewonnen werden, ziehen. 10. Nach welchen Kriterien wurde wann und vom wem entschieden, dass im Land Berlin die Sprachtests Deutsch Plus 4 und Quasta zum Einsatz kommen? Zu 10.: § 55 Schulgesetz schreibt die verpflichtende Sprachstandsfeststellung bis zum 31. Mai des Jahres vor Eintritt in die Schule für alle Kinder vor. Von der für Bildung und Jugend zuständigen Senatsverwaltung wurde festgelegt, dass für Kinder, die bereits in einer Einrich- tung der Jugendhilfe sind, QuaSta und für Nicht-Kita- Kinder Deutsch Plus 4 eingesetzt wird. Entscheidend für die Auswahl war die Zielgruppe. Das Diagnoseinstrument für Nicht-Kita-Kinder musste vor allem der Tatsache gerecht werden, dass die Kinder den Testpersonen nicht bekannt sind und der Diagnosesituation nur in begrenztem zeitlichem Umfang ausgesetzt werden sollten. Deutsch Plus 4 ist ein Screeningverfahren, das diesem Anspruch gerecht wird. Für Kinder, die eine Kindertageseinrichtung oder die Kindertagespflege besuchen, wurde das Be- obachtungsverfahren QuaSta festgelegt, da damit nicht nur der aktuelle Status des Sprachstands erhoben wird, sondern die im Sprachlerntagebuch kontinuierlich doku- mentierten differenzierten Beobachtungen berücksichtigt werden können. 11. Welche Senatsverwaltungen, welche Abteilungen, welche Referate, welche Ämter in welchen Bezirken und welche weiteren Stellen waren an der Beantwortung die- ser Kleinen Anfrage beteiligt? Zu 11. und 12.: Zuständig für die Bearbeitung ist der Senat, vertreten durch die federführende Senatsverwal- tung für Bildung, Jugend und Wissenschaft. Berlin, den 06. Januar 2014 In Vertretung Mark Rackles Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 20. Jan. 2014)