Drucksache 17 / 12 950 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Susanne Graf und Martin Delius (PIRATEN) vom 02. Dezember 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. Dezember 2013) und Antwort Wie wirksam ist die Sprachstandsfeststellung und die vorschulische Sprachförderung in Berlin wirklich? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Laut Ihrer Antwort auf die Fragen 2, 3 und 4 in der Kleinen Anfrage, Drs. 17/11359 zeigen die Ergebnisse der Sprachstandsfeststellungen, dass „bei Kindern, die eine Kindertageseinrichtung besuchen, ein weitaus gerin- gerer Sprachförderbedarf besteht.“ Wie begründet und bewertet der Senat diesen Vergleich hinsichtlich der Maßgabe, dass Kita-Kinder mit dem Sprachstandstest QuaSta untersucht werden und Nicht-Kita-Kinder mit dem Sprachstandstest Deutsch Plus 4? Zu 1.: Bei allen Kindern wird auf der Grundlage von § 55 Schulgesetz im Jahr vor Eintritt in die Schule festge- stellt, ob sie Sprachförderbedarf haben. Auch wenn die diagnostische Grundlage für Kitakinder und Nicht- Kitakinder eine andere ist, kann, bezogen auf die ver- schiedenen Zielgruppen, erhoben werden, wie hoch der Anteil der Kinder mit Sprachförderbedarf ist. Dass im Ergebnis, wie in der Drs. 17/11359 dargestellt, mehr Nicht-Kitakinder als Kitakinder Sprachförderbedarf ha- ben, ist eine Erkenntnis, die durchaus mit den Ergebnissen der Sprachstandsfeststellung mit Deutsch Plus aus den Jahren 2004 bis 2006 korrespondiert. In dieser Zeit wurde der Sprachstand bei allen Kindern mit Deutsch Plus ermit- telt und festgestellt, dass Nicht-Kitakinder einen weitaus höheren Sprachförderbedarf haben als Kitakinder. 2. Wie begründet und bewertet der Senat den Einsatz unterschiedlicher Testverfahren zur Feststellung des Sprachförderbedarfs bei Kita-Kindern und Nicht-Kita- Kindern? a) Warum kommen nicht die gleichen Testverfahren bei allen Kindern zum Einsatz, um Vergleichbarkeit her- zustellen? Zu 2.: Die Qualifizierte Statuserhebung (QuaSta), die bei Kindern in Kindertageseinrichtungen (Kitas) und der Kindertagespflege eingesetzt wird, basiert auf Beobach- tungen, die die pädagogischen Fachkräfte in alltäglichen Handlungssituationen zum Sprachentwicklungsstand des Kindes machen. Als Grundlage dient den Fachkräften das Sprachlerntagebuch, das für alle Kinder in Kita und Kin- dertagespflege verpflichtend geführt wird und eine gewis- se Dauer des Kitabesuchs voraussetzt. Bei Nicht- Kitakindern, die dem testenden pädagogischen Fachper- sonal unbekannt sind, kann ein Beobachtungsverfahren nicht eingesetzt werden, deshalb kommt das Screening- Verfahren Deutsch Plus 4 zum Einsatz. Das Diagno- seinstrument definiert komprimiert bestimmte Kompo- nenten von Sprache in Items, auf deren Grundlage Fähig- keiten und Fertigkeiten teils rezeptiv, teils produktiv er- fasst werden. 3. Der Senat schreibt in der Roten Nummer 1101, dass „eine Überprüfung der Anwendbarkeit des Testinstruments Deutsch Plus 4“ zeigen wird, „ob dieses überarbeitet werden muss.“ a) Wann fand diese Überprüfung statt bzw. wann soll diese Überprüfung stattfinden? b) Wie und anhand welcher Methoden fand diese Überprüfung statt oder soll diese stattfinden? c) Ist diese inzwischen abgeschlossen? d) Wenn ja, welche Überarbeitungen plant der Senat? Zu 3.: Die hier zitierte Antwort aus der Roten Num- mer 1101 bezieht sich auf die Frage, ob das Diagno- seinstrument Deutsch Plus 4 bei der angestrebten Auswei- tung des Sprachförderzeitraums von 12 auf 18 Monate eingesetzt werden kann. Deutsch Plus 4 ist explizit für Vierjährige konzipiert, daher kann das Diagnoseinstru- ment eingesetzt werden, sofern die Kinder zum Testzeit- punkt 4 Jahre sind. Somit kann es auch bei einer Auswei- tung des Sprachförderzeitraums auf 18 Monate eingesetzt werden. Eine Überarbeitung ist derzeit nicht geplant. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 950 2 4. Gemäß § 55, Abs. 2, Satz 2 und 3 SchulG werden Kinder, die laut den Ergebnissen der Sprachstandsfeststel- lung Deutsch Plus 4 „nicht über die erforderlichen Sprachkenntnisse verfügen, von der zuständigen Schulbe- hörde für die Dauer des letzten Jahres vor Beginn der regelmäßigen Schulpflicht zur Teilnahme an einer vor- schulischen Sprachförderung verpflichtet. Diese vorschu- lische Sprachförderung wird im Auftrag der Schule und unter schulischer Aufsicht in den in Absatz 1 Satz 3 Nr. 2 genannten Einrichtungen der Jugendhilfe durchgeführt.“ Welche Methoden, Maßnahmen oder Verfahren der Sprachförderung kommen in welchen Einrichtungen der Jugendhilfe während der Durchführung zum Einsatz? Zu 4.: Träger der freien Jugendhilfe treten der mit den Spitzenverbänden der freien Wohlfahrtspflege abge- schlossenen „Rahmenvereinbarung zu Sprachförderung von Kindern, die im Jahr vor Eintritt in die Schule noch nicht in einer Einrichtung der Jugendhilfe sind“ bei und übernehmen die einjährige sprachliche Förderung in einer ihrer Kitas. In den Kitas werden die Kinder auf der Basis des „Berliner Bildungsprogramms für die Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern in Tageseinrichtungen bis zu ihrem Schuleintritt“ nach dem Prinzip der alltagsintegrierten , sprachlichen Bildung gefördert. Die Entwick- lung ihrer sprachlichen Kompetenzen wird fortlaufend dokumentiert. Die pädagogischen Fachkräfte in den Kitas können sich für die Wahrnehmung ihrer Aufgabe durch die regionalen Sprachberaterteams beraten lassen und entwickeln einen abgestimmten, individuellen Förderplan für jedes Kind. Die regionalen Sprachberaterteams bilden ca. 80 Lehrkräfte, Sonderpädagoginnen und Sonderpäda- gogen und Lehrkräfte mit Sprachförderkompetenz im Umfang von 20 Vollzeiteinheiten (VZE). 5. Welches oder welche Verfahren kommen am Ende der vorschulischen Sprachförderung, d.h. kurz vor der Einschulung zum Einsatz, um die Entwicklung der Sprachkompetenzen der Kinder bzw. den Erfolg oder Misserfolg der vorschulischen Sprachförderung zu testen? Zu 5.: Für Kinder in Kitas und Kindertagespflege wird das Sprachlerntagebuch bis zum Schuleintritt geführt. Dieses bildet den Sprachentwicklungsprozess und die Sprachkompetenzen des Kindes fortlaufend ab. Insbeson- dere die Lerndokumentation bietet den pädagogischen Fachkräften die Möglichkeit, bestimmte Kompetenzen, wie z.B. basale Fähigkeiten, phonologische Bewusstheit, Entwicklung der Sprachstrukturen gezielt zu beobachten und ihre Entwicklung zu dokumentieren. 6. Was sind die Ergebnisse dieses oder dieser in 5. ge- nannten Verfahren und wie haben sich diese seit der Ein- führung der vorschulischen Sprachförderung 2008 entwi- ckelt? Zu 6.: Die Beantwortung der Frage 6 ist den Antwor- ten auf die Frage 2 der KA 17/12711 und auf die Frage 2 der KA 17/12420 zu entnehmen. 7. Wie viele Kinder hatten in den letzten fünf Jahren trotz Teilnahme an der verpflichtenden vorschulischen Sprachförderung gemäß Abs. § 55, Abs. 2, Satz 2 und 3 kurz vor der Einschulung immer noch einen Sprachför- derbedarf? Zu 7.: Die Dokumentation der individuellen Lernfort- schritte im Sprachlerntagebuch wird bis zum Ende der Kindergartenzeit fortgeschrieben. Eine statistische Erhe- bung zur Entwicklung der Sprachkompetenz würde die Anwendung der Diagnoseinstrumente zu einem zweiten Messzeitpunkt kurz vor der Einschulung erfordern. Das Diagnoseinstrument Deutsch Plus 4 ist aber als einmalige Querschnittserhebung konzipiert und nicht für ein Re- Testverfahren geeignet. QuaSta basiert auf dem Prinzip der kontinuierlichen Beobachtung und Dokumentation, ein zweiter Messzeitpunkt ist auch hier nicht vorgesehen. Die Anzahl der Kinder mit Sprachförderbedarf am Ende der Kitazeit kann daher nicht verifiziert werden. 8. Laut der Roten Nummer 1101 begründet der Senat das geplante Vorziehen des Zeitpunktes der Sprachstands- feststellung um ein Jahr damit, dass für Kinder mit Sprachförderbedarf „ein ausreichend langer Zeitraum für eine intensive sprachliche Förderung zur Verfügung ste- hen soll.“ Welche Verfahren, Maßnahmen und Methoden sollen in den Einrichtungen der Jugendhilfe, insb. in den Kindertagesstätten in Zukunft eingesetzt werden, um die vorschulische Sprachförderung weiter zu intensivieren? Zu 8.: Die bestehenden pädagogisch-didaktischen An- sätze der Sprachbildung und -förderung haben sich be- währt und werden in mehrfacher Weise weiterentwickelt. Dazu gehören die Überarbeitung des Berliner Bildungs- programms, des Sprachlerntagesbuchs und Bund-Länder- Initiativen zur Sprachbildung und -förderung („Offensive Frühe Chancen: Schwerpunkt-Kitas Sprache & Integrati- on“ und „Bildung durch Sprache und Schrift“). 9. Welche Senatsverwaltungen, welche Abteilungen, welche Referate, welche Ämter in welchen Bezirken und welche weiteren Stellen waren an der Beantwortung die- ser Kleinen Anfrage beteiligt? 10. Haben Sie noch etwas hinzuzufügen? Zu 9. und 10.: Zuständig für die Bearbeitung ist der Senat, vertreten durch die federführende Senatsverwal- tung für Bildung, Jugend und Wissenschaft. Berlin, den 22. Januar 2014 In Vertretung Sigrid Klebba Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 28. Jan. 2014)