Drucksache 17 / 12 956 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Sven Rissmann (CDU) vom 06. Dezember 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. Dezember 2013) und Antwort Juristenausbildung in Berlin - III Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Welche Bewertungen und Schlussfolgerungen trifft der Senat in Bezug auf die Verlagerung der Schwerpunkt- prüfungen auf die Universität, die mit der Änderung des § 5 JAG vom 23. Juni 2003 (GB1. S. 232) vorgenommen wurde, nach einem Zeitraum nach nunmehr 10 Jahren, und sind die damals für die Änderung der Juristenausbil- dung ursächlichen Erwartungen eingetreten? 4. Wie schätzt der Senat – vor dem Hintergrund der Antwort auf die Frage 4 der Kleinen Anfrage (Drucksache 16/ 14274) vom 18. März 2010 – auf der Grundlage eines breiteren Datenmaterials die Veränderungen zwischen den durchschnittlichen Ergebnissen im 1. Juristischem Staatsexamen „nach altem Recht“ und der Ablegung der Prüfung „nach neuen Recht“, ein? Zu 1. und 4.: Der Bundesgesetzgeber verfolgte mit der Einführung der Schwerpunktbereiche durch Schaffung des § 5a Abs. 2 Satz 4 Deutsches Richtergesetz (DRiG) folgende Ziele (vgl. BT-Drs. 14/8629, S. 12):  eine möglichst frühzeitige Berufsorientierung der Studentinnen und Studenten bereits während des universitären Studiums,  eine Ergänzung sowie Vertiefung des Stoffes der Pflichtfächer,  eine Vermittlung der internationalen, insbesondere europäischen Bezüge des Lehrstoffs,  eine Vermittlung der interdisziplinären Bezüge des Lehrstoffs,  die Profilierung der jeweiligen juristischen Fakultät durch das Angebot an Schwerpunktbereichen. 10 Jahre nach der ersten Kampagne unter Geltung des „neuen Rechts“ lässt sich konstatieren, dass diese Ziele durchweg erreicht wurden: Nachdem die Ergebnisse der ersten Kampagnen nach „neuem Recht“ noch erheblichen Schwankungen unterlagen, hat sich das bereits 2010 ab- zeichnende Bild (vgl. Antwort auf Frage 4 der Kleinen Anfrage vom 18. März 2010, Drucksache 16/14274) ver- festigt. Die durchschnittlichen Ergebnisse der ersten juris- tischen Prüfung liegen über den durchschnittlichen Er- gebnissen des 1. Juristischen Staatsexamens nach „altem Recht“. Ursache sind die regelmäßig über den Ergebnissen der staatlichen Pflichtfachprüfung liegenden Noten der Schwerpunktbereichsprüfung, die mit 30 % in die Note der der ersten juristischen Prüfung (als des Gesamt- ergebnisses aus staatlicher Pflichtfachprüfung und univer- sitärer Schwerpunktbereichsprüfung) einfließen. Der Senat bewertet die durch das Gesetz zur Ände- rung der Justizreform bewirkten Änderungen der Juristen- ausbildung als positiv: Die Einführung der universitären Schwerpunktbe- reichsprüfung und die damit einhergehende Aufwertung des Wahlfachstudiums nach „altem Recht“ haben zu einer stärkeren Spezialisierung der Studentinnen und Studenten geführt. Sie setzen ihren Schwerpunkt frühzeitig nach eigenen Neigungen und Berufswünschen (über 90 % haben ihren Schwerpunktbereich aus eigenem Interesse gewählt und immerhin noch über 60 % mit Blick auf ihre Berufsvorstellung, vgl. Ausschuss der Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister zur Koordinierung der Juristenausbildung: Bericht über die Auswirkungen des Gesetzes zur Reform der Juristenausbildung – Fortsetzung der Evaluation für den Zeitraum Januar 2007 bis Oktober 2010, S. 14). Die Einführung der Schwerpunktbereiche hat auch die Internationalisierung der Berliner Juristenausbildung gefördert. Beide Berliner Universitäten bieten – zusammen mit renommierten internationalen Partneruniversitä- ten (etwa in London, Paris und Rom) – die Möglichkeit an, wesentliche Teile bzw. sogar die gesamte Schwer- punktausbildung im Ausland zu absolvieren. Die den Universitäten eingeräumten Gestaltungsspielräume er- möglichten etwa der Humboldt-Universität zu Berlin die Einführung des Exzellenzstudiengangs „Europäischer Jurist“, bei dem die Studentinnen und Studenten nach einem erfolgreichen zehnsemestrigen Studium einen deut- schen, einen französischen und einen englischen Studien- abschluss erhalten. Dieses Angebot wird von besonders Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 956 2 guten Studentinnen und Studenten angenommen und mit sehr gutem Erfolg bewältigt. Ferner hat die Einführung der Schwerpunktbereiche eine Flexibilisierung des Studiums ermöglicht. Da die Ablegung der Schwerpunktbereichsprüfung keine Vo- raussetzung der staatlichen Pflichtfachprüfung ist, kann die Schwerpunktbereichsprüfung auch nach der staatli- chen Pflichtfachprüfung abgelegt werden. Die Lehrveranstaltungen und universitären Prüfungen in den Schwerpunktbereichen haben zudem die Wissen- schaftlichkeit des Jurastudiums gestärkt. Die Studierenden müssen wieder – insbesondere mit Blick auf die Schwerpunktbereichshausarbeit – mehr wissenschaftlich arbeiten. Den Lehrenden eröffnet dies die Chance, ihre For- schungsfelder in das Studium einfließen zu lassen und die Studentinnen und Studenten daran teilhaben zu lassen. Schließlich haben die beiden Berliner Universitäten mit dem Zuschnitt ihrer Schwerpunktbereiche jeweils ein besonderes Profil entwickelt, welches die Attraktivität der Berliner Universitäten und damit letztlich ihre Konkur- renzfähigkeit im Wettbewerb der Hochschulen steigert. 2. Wie haben sich die durchschnittlichen Ergebnisse des 1. Juristischen Staatsexamens seit der Novellierung der hier gegenständlichen Änderung des JAG verändert (bitte Darstellung aller Kampagnen seit der Geltung der neuen Ausbildungs- und Rechtsvorschriften)? Zu 2.: Vorbemerkung: Im Gegensatz zu der staatlichen Pflichtfachprüfung, die – wie die 1. Juristische Staatsprüfung nach „altem Recht“ – kampagneweise durchgeführt wird, stellt die Prüfungskampagne für den Erwerb der ersten juristischen Prüfung nach „neuem Recht“ keinen geeigneten Parameter dar. Da keine Reihenfolge für die Absolvierung der beiden Teile der ersten juristischen Prüfung (universitäre Schwerpunktbereichsprüfung und staatlichen Pflichtfach- prüfung) festgeschrieben ist, kann die universitäre Schwerpunktbereichsprüfung erst nach der staatlichen Pflichtfachprüfung ablegt werden, so dass dann die Ertei- lung des Gesamtzeugnisses nicht mit dem Ende einer Kampagne zusammenfällt, sondern erst später erfolgt. Eine kampagneweise Darstellung führt mithin zu nicht vergleichbaren Ergebnissen, da diese davon beeinflusst werden, in welchem Umfang Prüflingen zum Stichtag bereits das Gesamtzeugnis erteilt wurde. Eine vergleich- bare Auswertung kann nur auf Basis des Kalenderjahres erfolgen. Daher und weil auch die für das Ministerium für Justiz zu erstellenden Jahresübersichten (Bundesstatistik) auf das Kalenderjahr abstellen, erfolgt die Auswertung der Prüfungsergebnisse zum „neuen Recht“ auf Basis des Kalenderjahres. Tab. 1: Ergebnisse der ersten juristischen Prüfung für die Kalenderjahre 2007 - 2013: Übersicht über die Ergebnisse der ersten juristischen Prüfungen („neues Recht“) Land Berlin Erfolgreiche Kandi- daten Notenverteilung bei den erfolgreichen Kandidatinnen und Kandidaten insge- samt dar. Frauen Zahl % sehr gut gut voll- befriedigend befriedigend ausreichend Zahl % Zahl % Zahl % Zahl % Zahl % 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 2007 57 26 45,6 0 0,0 7 12,3 24 42,1 19 33,3 7 12,3 2008 388 195 50,3 0 0,0 33 8,5 125 32,2 184 47,4 46 11,9 2009 486 250 51,4 0 0,0 29 6,0 142 29,2 242 49,8 73 15,0 2010 544 293 53,9 1 0,2 27 5,0 192 35,3 255 46,9 69 12,7 2011 609 334 54,8 0 0,0 21 3,4 194 31,9 291 47,8 103 16,9 2012 623 344 55,1 2 0,3 43 6,9 203 32,5 275 44,1 101 16,2 2013 615 365 59,3 3 0,5 46 7,5 201 32,7 271 44,1 94 15,3 Da die ersten Prüflinge, die nach neuem Recht zu prü- fen waren, in der Herbstkampagne 2006 den schriftlichen Teil ihres Examens absolvierten, wurden die ersten Ge- samtzeugnisse im Jahr 2007 ausgestellt. Hinsichtlich 2013 ist anzumerken, dass die Auswertung zum Stichtag 10.12.2013 erfolgte. Es ist daher möglich, dass bis Ende Dezember 2013 noch vereinzelte Anträge auf Erteilung eines Gesamtzeugnisses eingehen. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 956 3 3. Welche Ergebnisse werden durchschnittlich bei den universitären Schwerpunktprüfungen seit dem 01.01.2009 erzielt (bitte nach Universität und Zeitpunkt aufschlüs- seln)? Zu 3.: Vorbemerkung: Das Gemeinsame Juristische Prüfungsamt erhält von den Berliner Universitäten keine Informationen, die die Angabe der durchschnittlich in der Schwerpunktbereichs- prüfung erzielten Note pro Kalenderjahr ermöglichen würde. In der Tabelle 3 werden deshalb lediglich die Ergebnisse der universitären Schwerpunktbereichsprü- fung für die Jahre 2009 bis 2013 nach Notenstufen ge- trennt ausgewiesen. Tab. 3: Übersicht über die Ergebnisse der universitären Schwerpunktbereichsprüfung Land Berlin Uni Geprüfte Kandidaten insgesamt Von den geprüften Kandidaten bestanden bestanden mit der Note insge- samt % sehr gut gut voll befriedi- gend befriedi- gend ausreichend Zahl % Zahl % Zahl % Zahl % Zahl % 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 2009 FU 298 249 83.6 6 2.0 31 10.4 63 21.1 97 32.6 52 17.4 HU 344 326 94.8 22 6.4 87 25.3 132 38.4 59 17.2 26 7.6 2010 FU 341 281 82.4 6 1.8 35 10.3 71 20.8 111 32.6 58 17.0 HU 296 277 93.6 21 7.1 83 28.0 105 35.5 53 17.9 15 5.1 2011 FU 366 308 84.2 15 4.1 32 8.7 81 22.1 119 32.5 61 16.7 HU 326 311 95.4 35 10.7 98 30.1 103 31.6 61 18.7 14 4.3 2013 FU 298 271 90.9 15 5.0 37 12.4 78 26.2 72 24.2 69 23.2 HU 342 316 92.4 40 11.7 96 28.1 118 34.5 47 13.7 15 4.4 5. Sind von Seiten des Senats weitere Veränderungen der Ausbildung und Prüfung bis zum 1. Juristischen Staatsexamen geplant, wenn ja, welche? Zu 5.: Die Senatsverwaltung für Justiz und Verbrau- cherschutz plant eine Änderung der § 5 JAG (Juristenaus- bildungsgesetz). Einer Anregung der juristischen Fakultät der Humboldt-Universität folgend, soll den Fakultäten die Möglichkeit eingeräumt werden, in ihrer Studien- und Prüfungsordnung zur Schwerpunktbereichsprüfung eine mündliche Verteidigung der Hausarbeit als Teil dieser Leistung vorzusehen. Dies kann ein sinnvolles Instrument sein, um unerlaubter Hilfe bei der Anfertigung der Haus- arbeit entgegen zu wirken. Berlin, den 30. Dezember 2013 Thomas Heilmann Senator für Justiz und Verbraucherschutz (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 13. Jan. 2014)