Drucksache 17 / 12 963 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Danny Freymark (CDU) vom 09. Dezember 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 10. Dezember 2013) und Antwort Bürgerschaftliches Engagement in Berlin Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Menschen engagieren sich ehrenamtlich in Berlin und aufgrund welcher Basis verfügt der Senat über diese Angaben? Zu 1: Konkrete Zahlen gibt es nicht. Alle momentan verfügbaren Daten und Informationen über das Bürger- schaftliche Engagement sind der vom Land Berlin im Jahr 2010 beauftragten Landesstudie (Sonderauswertung Ber- lin) des Instituts TNS Infratest München entnommen, die wiederum auf der vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) im Jahr 2009 in Auftrag gegebenen bundesweiten repräsentativen Tren- derhebung zu Ehrenamt, Freiwilligenarbeit und bürger- schaftlichem Engagement 1999 bis 2004 bis 2009 (sog. „Freiwilligensurvey“) basiert. Dieser Sonderauswertung Berlin zufolge ist die Quote der freiwillig Engagierten in Berlin zwischen 1999 und 2004 signifikant gestiegen (1999: 24%, 2004: 29%) und seitdem im Wesentlichen stabil geblieben (2009: 28%). Berlin befindet sich damit in guter Gesellschaft der Stadt- staaten Hamburg und Bremen, aber auch anderer deut- scher Großstädte über 500.000 Einwohnerinnen und Ein- wohner. Im Zeitraum 2004 bis 2009 waren die jüngeren Men- schen im Alter von bis zu 45 Jahren die Schrittmacher beim freiwilligen Engagement, während es bei den älteren Menschen (besonders in der Gruppe von 46 bis 59 Jahren) einen deutlichen Rückgang gab. Gemessen am bundesweiten Vergleichswert war in Berlin zu allen Zeitpunkten eine deutlich größere Gruppe bestimmt zum Freiwilligenengagement bereit (1999 – 13 %; 2004 – 15 %; 2009 – 14 %). Damit hat Berlin - wie auch in Hamburg - gegenüber dem Bund (11 %) ein viel höheres, bestimmtes Engagementpotenzial. Darüber hin- aus gibt es ein enormes unverbindliches Potenzial für weiteres Engagement in Höhe von 30 % (2009). Diese zielgerichtete, auf freiwilliges Engagement be- zogene Befragung der Bevölkerung (bundesweiter Frei- willigensurvey) wird vom Bundesministerium für Familie Senioren Frauen und Jugend (BMFSFJ) finanziert und im Abstand von 5 Jahren durchgeführt, also in 2014 fortge- setzt. Auf diese Weise sind Entwicklungstrends über längere Zeiträume erkennbar. 2. Verfügt der Senat über eine Darstellung des ehren- amtlichen Engagements von Bürgerinnen und Bürgern in den einzelnen Bezirken nach Alter und Anzahl (wenn ja, bitte um Auflistung)? Zu 2: Dem Senat liegen keine Daten zu den einzelnen Bezirken vor. In der unter Frage 1 genannten Sonderaus- wertung Berlin wird die Entwicklung wegen der sozial- räumlichen Unterschiede der Berliner Bevölkerungs- struktur vielmehr nach sieben prägnanten Berliner Le- benswelten (Milieus), basierend auf einer Studie der Her- tie-Stiftung aus dem Jahr 2008, betrachtet. Diese Milieus unterteilen sich in Kreativbezirke (Teile von Mitte, Pan- kow und Friedrichshain-Kreuzberg), Migrationszentren, östliche Plattenbaubezirke, Grüner Ring Ost, Berlin Süd, Berlin Nord-West (Reinickendorf, Spandau), Statusbe- zirke (Charlottenburg-Wilmersdorf, Zehlendorf). In 2009 lagen demnach die Kreativbezirke klar vorn hinsichtlich des prozentualen Anteils der freiwillig Enga- gierten (35%), was sich höchstwahrscheinlich aus dem Zuzug höher Gebildeter und der zunehmenden Gründung bzw. des Zuzugs von Familien mit Kindern begründete. In allen anderen Milieus sank die Quote der Enga- gierten im Zeitraum 2008 – 2009, ganz besonders aber in Berlin Nord-West und in der Plattenbaukultur. Die Quote der freiwillig Engagierten in den Migrationszentren lag mit 31% in 2009 nahezu gleich auf mit den Statusbezir- ken und Berlin Süd, allerdings war in den Migrationszen- tren die Gruppe der nicht an der Zivilgesellschaft Betei- ligten, ähnlich wie in den östlichen Plattenbaubezirken (42%), im Vergleich sehr groß (38% zu 33% in den Kre- ativbezirken). Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 963 2 3. Welche Angebote bietet der Senat an, um bürger- schaftliches Engagement zu initiieren oder zu stärken? Zu 3: Auf die Beantwortung zu Frage 2 sowie 3, 4 und 8 der Kleinen Anfrage Nr. 17/12 640 vom 10. September 2013 über „Wie fördert der Senat bürgerschaftliches Engagement “ wird verwiesen: Die Berliner Senatsverwaltungen und Bezirke fördern bürgerschaftliches Engagement ressort- und bezirksspezi- fisch in den unterschiedlichsten Formen. Die koordinie- rende Arbeitsgruppe des Senats, die AG Bürgergesell- schaft, die aus Vertreterinnen und Vertretern aller Senats- verwaltungen und Bezirke besteht, hat es sich zur Auf- gabe gemacht, erstmals einen Überblick über die unter- schiedlichen Förderansätze zu gewinnen. In ihrem Auf- trag hat die Senatskanzlei im Frühjahr 2013 eine Über- sicht über die Programme, Projekte und Aktivitäten zur Förderung des Bürgerengagements mit wissenschaftlicher Unterstützung der Martin-Luther-Universität Halle-Wit- tenberg in Auftrag gegeben. Die Auswertung dieses sog. „Rasters“ ist derzeit noch nicht abgeschlossen, die Ergebnisse werden dem Ausschuss für bürgerschaftliches En- gagement des Abgeordnetenhauses in Kürze zur Verfü- gung gestellt. Ferner will der Senat die Rahmenbedingungen im Be- reich von Information und Vernetzung weiter verbessern und wird die Online-Plattform „bürgeraktiv“ auf berlin.de neu gestalten. Das Ergebnis (Relaunch) ist für Mai 2014 geplant. Damit wird allen Engagement-Interessierten ein verbessertes Instrument zur umfassenden Information und Vermittlung angeboten. Darüber hinaus unterstützt der Senat zahlreiche Ver- anstaltungen, die das Thema in die Öffentlichkeit tragen und so zur Förderung von bürgerschaftlichem Engage- ment beitragen (siehe auch Antwort zu Frage 7). 4. In welchen konkreten Bereichen werden ehrenamt- lich Tätigen gegebenenfalls Aufwandsentschädigungen gezahlt (bitte um Angabe in Höhe und Form)? Zu 4: Aufwandsentschädigungen für ehrenamtlich tä- tige Bürgerinnen und Bürger können je nach Art, Umfang und Einsatzbereich des Engagements auf Grundlage un- terschiedlicher rechtlicher oder vertraglicher Regelungen gewährt werden. Ebenfalls möglich ist die Inanspruch- nahme von Pauschalen nach § 3 Satz 1 Nummer 26 und 26a des Einkommensteuergesetzes (sog. „Übungsleiterpauschale “ und „Ehrenamtspauschale“) durch die ehrenamtlich Tätigen. Inwieweit die einzelnen Träger bzw. die in ihren Bereichen und Institutionen tätigen Freiwilligen und Ehrenamtlichen davon Gebrauch machen, ist dem Senat nicht bekannt. Im Rahmen der Beantwortung der Kleinen Anfrage seien hier beispielhaft für den Bereich Soziales folgende Rechtsgrundlagen der Gewährung von Aufwandsentschä- digungen genannt: Aufwandsentschädigungen z. B. für die Mitglieder der Sozialkommissionen, des Landesseniorenbeirates, des Landesbeirates für Menschen mit Behinderung, des Bei- rates nach § 116 SGB XII werden auf Grundlage der Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Entschädigung der Mitglieder der Bezirksverordnetenver- sammlungen, der Bürgerdeputierten und sonstiger ehren- amtlich tätiger Personen in der dort geregelten Höhe ge- zahlt. Ehrenamtliche Betreuerinnen und Betreuer erhalten nach § 1836a BGB eine Aufwandsentschädigung von „dem neunzehnfachen, was Zeugen als Höchstbetrag der Entschädigung für eine Stunde versäumter Arbeitszeit“ erhalten können. Ehrenamtlich Tätige können im Rahmen von Projek- ten zur Förderung niedrigschwelliger Betreuungsangebote nach § 45 b, c SGB XII sowie zur Förderung ehrenamtli- cher Strukturen und Selbsthilfe eine monatlich pauscha- lierte Aufwandsentschädigung erhalten. Als jährliche Obergrenze gelten die Regelungen des Einkommensteu- ergesetzes. Die Ausreichung der Aufwandsentschädigung wird in Verantwortung der Projekte vorgenommen. Für Ehrenamtliche, die im Rahmen gesamtstädtischer sozialer oder gesundheitlicher Projekte tätig sind, können folgende vertraglich geregelte Aufwandsentschädigungen gezahlt werden: Im Bereich des Infrastrukturförderprogramms Stadt- teilzentren (IFP STZ) erhalten ehrenamtlich Tätige einen monatlichen Auslagenersatzzuschuss von maximal 15,-- € pro Ehrenamtliche/Ehrenamtlichen. Diese Entschädigung kann sowohl in Zuschüssen für die Auslagen ehrenamtli- cher Helferinnen und Helfer als auch in Form einer Aner- kennungskultur (z.B. Gratifikationen, Feste, Fahrten, Ehrungen) oder zur Finanzierung von Fortbildungsmaß- nahmen verwendet werden. Im Bereich des Integrierten Sozialprogramms (ISP) werden im Rahmen der Zuwendungsförderungen Auf- wandsentschädigungen für ehrenamtlich Tätige bis zu einer Höhe von 25,-- € pro Monat pauschal berücksichtigt . Im Bereich des Integrierten Gesundheitsprogramms können - sofern der Einsatz von ehrenamtlich Tätigen zu dem Projektkonzept gehört - Maßnahmen zur Anerken- nung und Unterstützung ehrenamtlichen Engagements (z.B. Aufwandsentschädigung, Fortbildung) in angemes- sener Höhe aus der Zuwendung finanziert werden. 5. Auf welche Weise unterstützt und ehrt der Senat Bürgerinnen und Bürger und wie viele Bürgerinnen und Bürger wurden in den letzten fünf Jahren ausgezeichnet? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 963 3 Zu 5: Auf die Beantwortung zu Frage 7 der Kleinen Anfrage Nr. 17/12 640 vom 10. September 2013 über „Wie fördert der Senat bürgerschaftliches Engagement“ wird verwiesen: Mit der Einführung des Berliner Freiwilligenpasses zu Beginn des Jahres 2005 und der Ehrenamtskarte zum 01. Januar 2011 hat Berlin Instrumente geschaffen, die von den Organisationen des Dritten Sektors als Qualifikati- onsnachweis bzw. zur Anerkennung ehrenamtlich er- brachter Leistungen eingesetzt werden können. Die Eh- renamtskarte kann von allen freiwillig Engagierten bean- tragt werden, die keine Aufwandsentschädigung oder ein Entgelt erhalten, das über die Erstattung der Auslagen hinausgeht und sich im Umfang von mindestens 20 Stun- den im Monat oder 240 Stunden im Jahr in Berlin enga- gieren und dies auch weiter fortsetzen. Die Ehrenamts- karte ist jeweils zwei Jahre gültig und gewährt vielfältige Vergünstigungen wie Preisnachlässe bei Eintritten zu Kultur- und Freizeiteinrichtungen. Von der Einführung im Jahr 2011 bis jetzt wurden insgesamt 10.664 Ehrenamtskarten ausgegeben. Seit 2009 wurden insgesamt 2249 Freiwilligenpässe erstellt und im Rahmen einer Festveranstaltung im Berli- ner Rathaus den Senat bzw. eigenverantwortlich durch die Organisationen überreicht. 120 Berlinerinnen und Berliner erhielten seit 2009 im Rahmen einer Festveranstaltung die Berliner Ehrennadel für besonderes soziales Engagement. Bislang wurde an 20 pflegende Angehörige im feierli- chen Rahmen der „Berliner Pflegebär“ verliehen. Darüber hinaus hat der Regierende Bürgermeister in 2013 insgesamt 1.206 Fluthelferinnen und Fluthelfer, darunter 1.155 von fünf Hilfsorganisationen, der Freiwil- ligen Feuerwehr und der Berufsfeuerwehr mit Medaille (Erinnerungsplakette) und Urkunde ausgezeichnet. Einen detaillierten Überblick über die Anerkennungs- instrumente der Berliner Senatsverwaltungen und der Bezirke wird die in Kürze vorliegende Auswertung des „Rasters“ aufzeigen (vgl. auch Beantwortung zu Frage 3). 6. Welche Bedeutung bemisst der Senat dem soge- nannten „Corporate Volunteering“ bei, beziehungsweise wurden konkrete Projekte unterstützt und umgesetzt? Zu 6: Der Senat bemisst dem „Corporate Volunteering “ große Bedeutung bei. Der Regierende Bürgermeister hat in diesem Jahr u.a. wieder die Schirmherrschaft über den von der IHK Berlin in Zusammenarbeit mit der Handelskammer Berlin und „Stiftung Gute-Tat.de“ initiierten Berliner Corporate Social Responsibility (CSR)- Tag und 7. „Gute-Tat-Marktplatz“ (unterstützt in diesem Jahr durch KPMG, index, Der Paritätische, Coca-Cola Deutschland, Berliner Woche und B.Z.) übernommen. Im Bereich der Berliner Verwaltung wurde das Thema „Öffentlicher Dienst und BE“ intensiviert. So wurde zwischen dem Regierenden Bürgermeisters und dem Haupt- personalrat eine „Gemeinsame Erklärung zur Förderung des bürgerschaftlichen Engagements bei den Beschäftigen des öffentlichen Dienstes im Land Berlin“ vom 28. August 2013 verabschiedet. In dieser Erklärung wird zum einen die bisher von den Beschäftigten des Landes Berlin geleistete ehrenamtliche Tätigkeit gewürdigt. Zum ande- ren erklären beide Seiten, sich für die Förderung des bür- gerschaftlichen Engagements der Beschäftigten des Lan- desdienstes einzusetzen und die Beschäftigten über die vielfältigen Möglichkeiten des Engagements durch den Arbeitgeber und die Personalvertretungen informieren zu wollen. Die Gemeinsame Erklärung wurde an alle Ein- richtungen des Landes Berlin versandt. Aus dieser Initiative resultierend, sollen künftig ent- sprechende Schulungen über die Verwaltungsakademie (VAk) angeboten werden, um aus der Verknüpfung Wei- terbildung zum Thema Teamentwicklung und Gute Tat (Aktionstage) eine nach mehreren Seiten gewinnbrin- gende Sensibilisierung der Beschäftigten, auch als Mög- lichkeit für ein Engagement im Ruhestand, zu erreichen. Eine Pilotveranstaltung im Rahmen des bereits etablierten Formats „VAk vor Ort“ ist für das Frühjahr 2014 geplant. Im Zusammenhang „Öffentlicher Dienst und Bürgerschaftliches Engagement“ wird es zudem eine Kooperation mit einem Projekt der Zivilgesellschaft (Auftakt im Juni 2014) geben. 7. Beabsichtigt der Senat im Jahr 2014 eine stadtweite Kampagne zur Stärkung des Ehrenamts durchzuführen? Wenn ja, auf welche Weise? Wenn nein, warum nicht? Zu 7: Nein, aber der Senat beteiligt sich, wie in den Vorjahren, auch in 2014 an herausgehobenen Veranstal- tungsformaten der Zivilgesellschaft. Beispiele dafür sind die „Berliner Freiwilligenbörse“ (05.04.2014) der Landesfreiwilligenagentur und des „aktiv in Berlin“- Landesnetzwerks Bürgerengagement, aber auch die jährlich stattfindende „berliner-engagement-woche“ (12.09. - 21.09.2014) der Landesfreiwilligenagentur Berlin -Treff- punkt Hilfsbereitschaft. Der Senat unterstützt diese Ver- anstaltungen durch Bewerbung (u.a. durch Grußworte, Schirmherrschaften, Veröffentlichungen, Präsenz) und Bereitstellung von Räumlichkeiten (insbesondere des Berliner Rathauses). Darüber hinaus führt die Senats- kanzlei auch 2014 wieder den jährlich stattfindenden Neustifterempfang (20.Mai 2014) und den Stiftungstag (alle 2 Jahre: 14. November 2014) durch. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 963 4 Der Senat möchte an dieser Stelle noch einmal beto- nen, dass sich Bürgerschaftliches Engagement situations- bedingt aus den Bedürfnissen, Wünschen und Impulsen der Zivilgesellschaft (Einzelpersonen, Organisationen) heraus ergibt. Bürgerschaftliches Engagement als ein sensibles Feld lässt sich daher nicht in vorgegebene Struk- turen einpassen und erfordert besondere Behutsamkeit staatlicher Stellen. Diese sollten das Engagement der Bürgerinnen und Bürger moderieren und begleiten, aber Aktivitäten unterlassen, die als „Vereinnahmung“ ausgelegt werden könnten. Berlin, den 06.Januar 2014 Der Regierende Bürgermeister in Vertretung Hella Dunger-Löper Staatssekretärin für den Chef der Senatskanzlei (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 14. Jan. 2014)