Drucksache 17 / 12 968 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Anja Kofbinger (GRÜNE) vom 10. Dezember 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. Dezember 2013) und Antwort Gleiche berufliche Karrierechancen für Ärztinnen und Ärzte in Berlin ermöglichen Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: Die Kleine Anfrage betrifft überwiegend Sachver- halte, die der Senat nicht allein aus eigener Kenntnis beantworten kann oder deren Recherche dem Umfang einer Kleinen Anfrage nicht gerecht wird. Er ist gleich- wohl bemüht, Ihnen Antwort auf Ihre Fragen zukommen zu lassen und hat daher die Vivantes Netzwerk für Ge- sundheit GmbH, die Charité, die Ärztekammer Berlin und die Kassenärztliche Vereinigung um Stellungnahme bzw. Auskunft gebeten, die von dort jeweils in eigener Ver- antwortung erstellt und dem Senat übermittelt wurden. Diese sind umfangreich in die Antwort zur Kleinen An- frage einbezogen. 1. Wie viele Frauen und Männer haben in den Jahren 2010, 2000, 1990, 1980 und 1970 in das Studium der Humanmedizin in Berlin erfolgreich beendet, und wie viele Ärztinnen und Ärzte haben in den Jahren 2010, 2000 und1990 die Facharztanerkennung erhalten - bitte jeweils in absoluten Zahlen und prozentualer Verteilung nach Geschlecht ausweisen? Zu 1.: Dem Landesprüfungsamt beim Landesamt für Gesundheit und Soziales Berlin liegen für die Jahre 1970, 1980 und 1990 keine Zahlen darüber vor, wie viele Frau- en und Männer das Studium der Humanmedizin in Berlin nach der dann jeweils geltenden Approbationsordnung - ÄAppO- erfolgreich beendet haben. Im Jahr 2000 haben insgesamt 944 Studierende das Medizinstudium in Berlin erfolgreich abgeschlossen, davon waren 474 weiblich und 470 männlich (Frauenan- teil 50,2 %). Im Jahr 2010 (ÄAppO 2002) haben insgesamt 633 Studierende der Humanmedizin ihr Examen erfolgreich abgeschlossen, davon waren 420 weiblich und 213 männ- lich (Frauenanteil: 66 %). Die Ärztekammer Berlin als zuständige Stelle für die Facharztanerkennungen hat folgende Angaben übermit- telt: Facharztanerkennungen 1990 2000 2010 gesamt 418 701 728 davon an Ärztinnen 130 290 357 Frauenanteil in % 31 % 41 % 49 % 2. Wie viele approbierte Ärztinnen und Ärzte mit und ohne Facharztanerkennung (in absoluten Zahlen und prozentualer Verteilung nach Geschlecht) unter 65 Jahren waren in den Jahren 2002 und 2012 in Berlin registriert? Zu 2.: Die Ärztekammer Berlin hat folgende Zahlen dazu übermittelt: (Fach-)Ärztinnen, (Fach-) Ärzte unter 65 Jahren 2002 2012 gesamt 21.455 21.744 davon (Fach-) Ärztinnen 10.597 11.429 Frauenanteil in % 49 % 53 % 3. Wie viele Ärztinnen und Ärzte waren in den Jahren 2002 und 2012 in den Berliner Kliniken als Assistenzärz- tinnen und -ärzte, als Fachärztinnen und Fachärzte, als Oberärztinnen und Oberärzte, leitende Oberärztinnen und Oberärzte und als Chefärztinnen und Chefärzte tätig? Bitte in absoluten Zahlen und prozentualer Verteilung nach Geschlecht als Gesamtzahl ausweisen, sowie ge- trennt für die universitären, öffentlichen, freigemeinnützi- gen, privaten, konfessionellen Krankenhäuser und geson- dert für ärztliche Direktorinnen und Direktoren auswei- sen. Zu 3.: Systematische Datenbestände, die eine umfas- sende Antwort auf diese Frage ermöglichen würden, lie- gen dem Senat nicht vor. Eine Abfrage bei allen Berliner Krankenhäusern würde den Rahmen der Beantwortung der Kleinen Anfrage hinsichtlich des Aufwandes über- schreiten. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 968 2 Um dennoch grundsätzlich Auskunft erteilen zu kön- nen, werden im Folgenden Daten zum Fragenkontext aus unterschiedlichen Datenquellen wiedergegeben. a) Übersicht des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg , SB A IV 2 -j/12, vom November 2013 „Hauptamtliches ärztliches Personal der Krankenhäuser 2012“, die als Anlage beigefügt ist. b) Für die landeseigene Vivantes Netzwerk für Ge- sundheit GmbH können folgende Angaben ge- macht werden: Vivantes 2002 2012 Ärztliche Funktion Personen in Prozent Personen in Prozent Assistenzärztin/Assistenzarzt weiblich 456 58 % 612 60 % männlich 327 42 % 408 40 % Fachärztin/Facharzt weiblich 364 50 % 392 55 % männlich 371 50 % 319 45 % Oberärztin/Oberarzt weiblich 81 26 % 101 39 % männlich 234 74 % 158 61 % Ltd. Oberärztin/Ltd. Oberarzt Stellvertretende Chefärztin/Chefarzt weiblich ./. ./. 20 21 % männlich ./. ./. 76 79 % Chefärztin/Chefarzt Leitung Funktionsbereich weiblich 17 14 % 20 18 % männlich 108 86 % 91 82 % gesamt weiblich 918 47 % 1 145 52 % männlich 1 040 53 % 1 052 48 % Insgesamt 1 958 2 197 c) Für den ärztlichen Dienst der Charité - Universi- tätsmedizin Berlin wurde zum Stand 31.12.2012 folgende Daten ermittelt: Charité Personen männlich weiblich Ärztliche Funktion gesamt Personen % Personen % Ärztliche Direktorin/Ärztlicher Direktor 1 1 100 0 0,0 Chefärztin/Chefarzt 191 162 84,8 29 15,2 Ltd. Oberärztin/ Ltd. Oberarzt 23 18 78,3 5 21,7 Oberärztin/Oberarzt 398 280 70,4 118 29,6 Fachärztin/Facharzt 691 352 50,9 339 49,1 Assistenzärztin/Assistenzarzt 1.152 572 49,7 580 50,3 gesamt 2.456 1.385 56,4 1.071 43,6 d) Nach Angaben der Ärztekammer Berlin waren im Jahr 2002 7.999 Ärztinnen und Ärzte (ohne Fach- arztanerkennung wie auch Fach- und Oberärztin- nen und Fach- und Oberärzte) in Berliner Kliniken tätig, davon 3.502 Ärztinnen und 4.497 Ärzte (Frauenanteil = 44 %). Darüber hinaus waren 448 Chefarzt-Positionen bzw. Positionen für Ärztliche Direktoren hinterlegt, von denen 52 von Ärztinnen besetzt waren (Frauenanteil = 12 %). 2012 betra- gen die entsprechenden Angaben 8.262 Ärztinnen und Ärzte (ohne Facharztanerkennung wie auch Fach- und Oberärztinnen und Fach- und Ober- ärzte), davon 4.021 Ärztinnen und 4.241 Ärzte (Frauen- anteil = 49 %). Von insg. 477 Chefarzt-Positionen bzw. Positionen für Ärztliche Direktoren waren 66 von Ärztinnen besetzt (Frauenanteil = 14 %). 4. Wie viele Ärztinnen und Ärzte (in absoluten Zahlen und prozentualer Verteilung nach Geschlecht) wurden in den Jahren 2002 und 2012 an der Medizinischen Fakultät der Charité Universitätsmedizin habilitiert, wie viele hatten Professuren inne, wie viele waren als Leitungen der Charité-Centren tätig und wie viele waren als Deka- ninnen und Dekane tätig? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 968 3 Zu 4.: Die Charité - Universitätsmedizin Berlin in der heutigen Verfassung ist erst 2003 durch Fusion des da- maligen Fachbereichs Humanmedizin/Universitäts- klinikum Benjamin Franklin der FU Berlin (UKBF) und der medizinischen Fakultät Charité der HU Berlin ent- standen, daher sind für 2002 die Zahlen der beiden damals selbständigen universitätsmedizinischen Einrichtungen aufgeführt und für die Vergleichbarkeit mit der heutigen Situation addiert. Bei der Zahl der Habilitationen ist eine Differenzie- rung nach Ärztinnen und Ärzten und anderen Wissen- schaftlerinnen und Wissenschaftlern nicht möglich, ein geringer Anteil der Habilitationen entfällt auf Zahnmedi- zinerinnen oder Zahnmediziner als auch auf Naturwissen- schaftlerinnen oder Naturwissenschaftler. 2002 2012 Habilitationen UKBF Charité Summe Charité gesamt 22 60 82 57 davon Frauen 2 10 12 17 Frauenanteil in % 9,1 % 16,7 % 14,6 % 29,8 % Hinsichtlich der Zahl der Professuren liegen für die Zeit vor der Fusion im Jahr 2003 keine Zahlen vor, und es sind für die gewünschte Aussage leider auch keine Daten für das Jahr 2002 mehr zu ermitteln. Hilfsweise wird daher auf Daten aus den Berichten des UKBF und der Charité an die Expertenkommission Universitätsmedizin Berlin aus dem Jahr 2001 zurückgegriffen, um die positive Entwicklung des Frauenanteils bei den besetzten Professuren darzustellen. Charité-Centren wurden erst nach der Etablierung der Charité - Universitätsmedizin Berlin eingerichtet, so dass es dort keine Vergleichszahlen aus den Jahren vor 2003 gibt. 2001 2012 Professuren UKBF Charité Summe Charité gesamt 105 182 287 191 davon Frauen 11 15 26 30 Frauenanteil in % 10,5 % 8,2 % 9,1 % 15,7 % davon in Charité-Centren- Leitungen vor Fusion zur Charité -Universi- tätsmedizin Berlin bestand keine Centren-Struktur 17 davon Frauen 2 Frauenanteil in % 11,8 % 2002 2012 Dekanat UKBF Charité Summe Charité gesamt 1 1 2 1 davon Frauen 0 0 0 1 Frauenanteil in % 0 % 0 % 0 % 100 % 5. Wie viele Ärztinnen und Ärzte (in absoluten Zahlen und prozentualer Verteilung nach Geschlecht) waren in den Jahren 2002 und 2012 Mitglied im Vorstand und in der Vertreterversammlung der Ärztekammer Berlin? Zu 5: Ärztekammer Berlin Jahr Mitglieder davon Frauen in Prozent Delegierten-versammlung 2002 46 13 28 % 2012 46 12 26 % Vorstand 2002 11 4 36 % 2012 11 2 18 % Vergleichszahlen aus anderen Landesärztekammern liegen nicht vor. Es kann daher keine Aussage darüber getroffen werden, inwieweit der Frauenanteil in der Dele- giertenversammlung und dem Vorstand der Ärztekammer Berlin vom durchschnittlichen Frauenanteil aller Landes- ärztekammern abweicht (Frage 7). Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 968 4 6. Wie viele Ärztinnen und Ärzte (in absoluten Zahlen und prozentualer Verteilung nach Geschlecht) waren in den Jahren 2002 und 2012 Mitglied im Vorstand und in der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Vereini- gung Berlin? Zu 6.: Kassenärztliche Vereini- gung Jahr Mitglieder davon Frauen in Prozent Vertreterversammlung 2002 83 18 21,7 % 2012 40 9 22,5 % Vorstand 2002 7 4 57,1 % 2012 3 1 33,3 % Der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) liegen keine gesicherten Erkenntnisse darüber vor, inwieweit der Frau- enanteil in der Vertreterversammlung und dem Vorstand im Vergleich zum Durchschnitt der Bundesländer ab- weicht (Frage 7). Die KV selbst geht davon aus, einen überdurchschnittlich hohen Frauenanteil zu haben. 7. Inwiefern lassen sich nach Ihrer Kenntnis bei diesen Kennziffern gravierende Abweichungen für Berlin ge- genüber dem Durchschnitt der Bundesländer feststellen? Zu 7.: Angesichts der bestehenden Datenlage ist es dem Senat nicht möglich, Aussagen darüber zu treffen, ob bzw. in welchem Ausmaß die verschiedenen obigen für Berlin ermittelten Kennziffern von bundesweiten Durch- schnittswerten abweichen. 8. Welche Unterschiede in den beruflichen Karrieren von Ärztinnen und Ärzten und welche Ursachen für die Benachteiligungen von Ärztinnen sind dem Senat be- kannt? Welche Unterschiede und Ursachen werden von der Ärztekammer Berlin und dem Ärztinnenbund be- nannt? Zu 8.: Allgemein ist davon auszugehen, dass Frauen ihre Erwerbstätigkeit familien-bedingt häufiger und län- ger unterbrechen oder reduzieren als Männer. Für den ärztlichen Beruf wirkt sich die Doppelbelastung Familie und Beruf aufgrund der vielfach ungünstigen, langen und auch nicht immer planbaren Dienstzeiten besonders er- schwerend aus. Die allgemeinen Angebote für die Kin- derbetreuung sind bezogen auf die spezifischen Arbeits- zeiten in einem Krankenhaus unzureichend. Frauen ver- zichten zudem immer noch eher auf ihre Karriere, um „familiäre Aufgaben und Pflichten“ (insbesondere bei erziehungspflichtigen Kindern und pflegebedürftigen Angehörigen) zu erfüllen, als die männlichen Kollegen dazu bereit wären. Viele Fachärztinnen schließlich arbeiten in Teilzeit, was teilweise als Karrierehindernis gesehen wird. Es ist positiv anzumerken, dass bei Vivantes und der Charité der Frauenanteil in gehobenen ärztlichen Positionen insge- samt angestiegen ist. Die Bemühungen, den Frauenanteil in den genannten Positionen adäquat zu erhöhen, werden fortgesetzt. 9. Mit welchen Methoden und Maßnahmen planen der Senat und die übrigen Verantwortlichen, darunter insbe- sondere die Ärztekammer Berlin und die Träger der Krankenhäuser, die Benachteiligungen von Ärztinnen in der beruflichen Karriere abzubauen und mittelfristig ab- zustellen? Zu 9.: Die stärkere Vertretung von Frauen in Füh- rungspositionen ist ein gesamt-gesellschaftliches Anlie- gen, das in alle Wirtschaftsbereiche hineinreicht. Einzelne Maßnahmen dazu sind am wirkungsvollsten in den ein- zelnen Branchen selbst und konkret in den Unternehmen zu konzipieren. Der Senat begrüßt die von den Verant- wortlichen in Berliner Krankenhäusern für ihre Häuser ergriffenen Initiativen, die wertvollen Ressourcen der immer zahlreicher dort beschäftigten Fachärztinnen ver- stärkt für ärztliche Leitungspositionen zu nutzen und die Bereitschaft, auf dem Weg dahin hinderlichen weiblichen und männlichen stereotypen Denkmustern entgegenzu- treten. Als Initiativen in diesem Rahmen sind aus dem Be- reich der landeseigenen Kliniken exemplarisch zu nennen: - Charité: Satzung zur Förderung der Chancen- gleichheit der Geschlechter sowie Frauen- förderrichtlinien; Vivantes: Betriebsvereinbarung zur Gleichstellung von Männern und Frauen, - spezielle Fortbildungen und Karriere-Workshops für Ärztinnen, - Förderung von Netzwerkbildung für Ärztinnen in Führungspositionen, - Unterstützung einer regelhaften bedarfsgerechten Kinderbetreuung einschließlich Notfallbetreuung, - Flexibilisierung der Arbeitszeiten incl. Teilzeitbe- schäftigung Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 968 5 - Rahel-Hirsch-Stipendienprogramm der Charité zur Förderung des weiblichen wissenschaftlichen Nachwuchses. Ziel ist die Steigerung der Zahl der Habilitationen von Wissenschaftlerinnen, da der Anteil der Habilitationen von Frauen gegenüber dem Frauenanteil an den Promotionen vergleichs- weise niedrig ist (in 2010: 56,7 % : 18,9%) und die Habilitation als der entscheidende Zeitpunkt für den Karriereknick von Wissenschaftlerinnen in der Medizin gilt. Berlin, den 21. Januar 2014 In Vertretung Emine D e m i r b ü k e n - W e g n e r _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 28. Jan. 2014) ka17-12968 Dok1