Drucksache 17 / 12 976 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Regina Kittler (LINKE) vom 12. Dezember 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 12. Dezember 2013) und Antwort Inklusive Schule Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. An wie vielen der Berliner Schulen gibt es derzeit den im Schulgesetz vorgesehenen „Gemeinsamen Unterricht “ für Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderung , der gegenüber der Sonder- bzw. Förderschule Vor- rang haben soll, und für wie viele der bereits integrativ arbeitenden Schulen schätzt der Senat ein, dass sie den Ansprüchen einer inklusiven Schule entsprechen (bitte auch nach Schularten darstellen)? Zu 1.: In 537 Berliner öffentlichen Schulen (357 Grundschulen, 118 Integrierte Sekundarschulen, 56 Gym- nasien, 5 Schulen mit sonderpädagogischem Förder- schwerpunkt, 1 Schule Zweiter Bildungsweg) findet im Schuljahr 2013/14 (Stichtag: 01.11.2013) gemeinsamer Unterricht von Schülerinnen und Schülern mit und ohne Behinderung statt. Im Rahmen von Schulversuchen ent- wickeln sich derzeit 22 Grundschulen und 10 Integrierte Sekundarschulen zu inklusiven Schulen, zwei weitere Grundschulen haben den Jacob-Muth-Preis (für gelun- gene Inklusion) erhalten. Über die Zahl weiterer Schulen, die sich im Rahmen ihrer Unterrichtsentwicklungspro- zesse zu inklusiven Schulen entwickeln, liegen keine Zahlen vor. 2. Über welche besonderen personellen, sächlichen und räumlichen Voraussetzungen und Ausstattungen verfügen die integrativ und die inklusiv arbeitenden Schu- len? Zu 2.: Für die integrativ arbeitenden Schulen stehen zusätzlich Lehrkräfte zur Verfügung, die in der Anlage 2 der Verwaltungsvorschriften für die Zumessung von Lehrkräften an öffentlichen Berliner Schulen ab dem Schuljahr 2013/14 (Verwaltungsvorschrift (VV) Schule Nr. 10/2013) vom 24.06.2013 definiert sind: „1. Sonderpädagogische Integration (1.284 VZE)* a. Zumessung für Schüler/innen mit einem festgestellten sonderpädagogischem Förderbedarf in der Integration in allgemeinbildenden und beruflichen Schulen nach Gruppen: 1. Förderschwerpunkt-Gruppe 1 = 2,5 Stunden Grundstufe = 3,0 Stunden Mittelstufe und Sek II Sprache, Sehbehinderung, davon bis zu 1,0 als regionale Disposition Lernen, Hörbehinderung/Schwerhörig, Emotionale und soziale Entwicklung, Körperliche und motorische Entwicklung, 2. Förderschwerpunkt-Gruppe 2 = 5,0 Stunden Grundstufe = 6,0 Stunden Mittelstufe und Sek II Gehörlose 3. Förderschwerpunkt-Gruppe 3 = 8,0 Stunden Blinde, Geistige Entwicklung, FS I bzw. II, Autismus Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 976 2 b. Zumessung für die Schulanfangsphase pauschaliert im Umfang von 4 Stunden pro Klasse. Bereits diagnosti- zierte Schüler/innen mit den Behinderungen „Lernen“ bzw. „emotionale und soziale Entwicklung“ erhalten in der Schulanfangsphase daher nach „a.1.“ keine Zumessung . * Für die sonderpädagogische Förderung stehen insge- samt an sonderpädagogischen Förderzentren und für die Sonderpädagogische Integration/Inklusion 3.129 VZE (per 01.11.2011: 1.284 VZE Integration plus 1.565 VZE Unterrichtsbedarf plus 280 VZE Anrechnungsstunden) zur Verfügung.“ (Auszug aus der VV Schule 10/2013, Anlage 2) Die Schulen in den Schulversuchen erhalten eine pau- schalierte Stundenzuweisung, die sich an der Schülerzahl und dem Sozialkriterium „Anzahl der Schülerinnen und Schüler, deren Erziehungsberechtigte von der Zuzahlung zu den Lernmitteln befreit sind“ orientiert. Die allgemeinen räumlichen Voraussetzungen sind mit den schulartenbezogenen Musterraumprogrammen beschrieben, die auf der Homepage der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft veröffentlicht sind: (http://www.berlin.de/sen/bildung/schulqualitaet/bauen_u nd_sanieren/fachinfo.html) Besondere räumliche Voraussetzungen sind im Ein- zelfall und auf den konkreten Standort bezogen festzule- gen. Besondere sächliche Voraussetzungen und Ausstat- tungen sind nicht definiert. 3. Wie erklärt der Senat, dass allein von 2009/10 bis 2012/13 die Zahl der Schülerinnen und Schüler mit son- derpädagogischem Förderbedarf im „Gemeinsamen Unterricht “ um ca. 2.000 steigen konnte, obwohl die dafür zur Verfügung stehenden personellen Ressourcen von 1.284 Lehrkräfte-VZE und die Zumessung von Förder- stunden unverändert blieben? (Siehe Drucksache 17/1009 und Vorlage an den Hauptausschuss Rote Nummer 1166B) 4. In welcher Weise haben sich die Ressourcen für den „Gemeinsamen Unterricht“ verändert, nachdem ab dem Schuljahr 2012/13 die personellen Ressourcen, die durch den Rückgang der Schülerzahlen an Schulen mit sonderpädagogischem Schwerpunkt dort nicht mehr be- nötigt werden, für die sonderpädagogische Integration eingesetzt werden sollen? Zu 3. und 4.: Die personellen Ressourcen für die son- derpädagogische Integration sind in den Schuljahren 2009/10 bis 2011/12 nicht gestiegen, weil seinerzeit eine Festlegung der dafür zur Verfügung stehenden Vollzeit- äquivalente (VZÄ) auf 1.284 vorgenommen worden war. Erst durch die Entscheidungen des derzeitigen Senats ist es möglich, dass Stellen, die z.B. in Folge einer Nachfra- geverlagerung an Schulen mit sonderpädagogischem Förderschwerpunkt nicht mehr benötigt werden, für die sonderpädagogische Integration zur Verfügung stehen. Dadurch hat sich die Zahl der hierfür zur Verfügung ste- henden Stellen im Schuljahr 2012/13 auf 1.346 VZÄ und im Schuljahr 2013/14 auf 1.415 VZÄ erhöht. 5. Wie viele Beratungs- und Unterstützungszentren wird der Senat mit den im Haushalt 2014/2015 dafür etatisierten Mitteln einrichten, welche Aufgaben sollen diese erfüllen und über welche Ausstattung werden diese verfügen? Zu 5.: Es ist geplant, im Schuljahr 2014/15 möglichst in allen zwölf Bezirken Beratungs- und Unterstützungs- zentren einzurichten. Derzeit ist eine von der Projekt- gruppe Inklusion beauftragte Facharbeitsgruppe dabei, ein Rahmenkonzept für die Beratungs- und Unterstützungs- zentren zu entwickeln, das Aussagen über die Aufgaben und Ausstattungsnotwendigkeiten enthalten wird. Da die Arbeiten noch nicht abgeschlossen sind, können auch noch keine Aussagen zu den Aufgaben und die mögliche Ausstattung gemacht werden. 6. Inwieweit sind aus der Sicht des Senats die Leitlinien für ein barrierefreies Berlin in den Berliner Schulen bereits verwirklicht und welche Planungen und Vorhaben gibt es im Senat zur Herstellung von Barrierefreiheit der Berliner Schulen seit der Beantwortung der Kleinen An- frage zu diesem Thema (17/11133) im November 2012? Zu 6.: Die „10 behindertenpolitischen Leitlinien des Landes Berlin“, hier Nr. 2 über „Barrierefreiheit“, sehen einen Zeithorizont bis 2020 vor. Im Zuge der Beantwor- tung der Kleinen Anfrage Nr. 17/11133 wurde ausgeführt: „Für alle Neu-, Um- und Erweiterungsbauten sind die unter zu 1. aufgeführten Regelungen anzuwenden.“ Besagte Regelungen zu 1. waren zum Zeitpunkt der Beant- wortung: • Rundschreiben SenStadt VI A Nr. 03 / 2010 über ABau – Barrierefreies Bauen • Rundschreiben SenStadt VI A Nr. 03 / 2011 über ABau – Barrierefreies Bauen/ Öffentlicher Freiraum welche zwischenzeitlich durch das Rundschreiben der SenStadtUm VI A Nr. 09/2012 über „Allgemeine Anweisung für die Vorbereitung und Durchführung von Bau- aufgaben Berlins - Anweisung Bau (ABau) - Barriere- freies Bauen“ ersetzt wurden. Es ist durch die Bezirke als Träger der öffentlichen Schu- len zu sichern, dass sämtliche gemäß Bauordnung für Berlin zu realisierenden Baumaßnahmen so ausgeführt werden, dass sie inhaltlich den Bestimmungen der Barrie- refreiheit entsprechen. Eine gesonderte Statistik zum erreichten Stand der Barrierefreiheit wird nicht geführt. Im Schulverzeichnis für das Land Berlin wird jedoch die Rollstuhlgerechtigkeit der Schulen/der Schulstandorte gekennzeichnet. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 976 3 7. Welche Vorhaben zum Ausbau der Barrierefreiheit sollen mit den dafür 2013 und im Haushalt 2014/2015 etatisierten Mitteln realisiert werden, wie viele Schulen werden dabei beteiligt sein und welche Aspekte von Bar- rierefreiheit werden über „rollstuhlgerecht“ hinaus wie und in welchem Umfang berücksichtigt? Zu 7.: Die Angaben sind der Beantwortung der Klei- nen Anfrage 17/12838 über „Inklusion I: Bauliche Barrierefreiheit zur Verwirklichung von Inklusion“ zu entnehmen . 8. Ist dem Senat die Broschüre „Barrierefreiheit wahrnehmen – erkennen – erreichen. Barrierefreiheit Gemeinsam lernen“ der Unfallkasse Nordrhein-Westfalen aus dem Jahr 2011 bekannt (http://www.sichere-schule- nrw.de/barrierefrei/_docs/barrierefrei.pdf), in der Anfor- derungen für barrierefreies gemeinsames Lernen generell und bauliche Anforderungen dargestellt werden und kann er sich die Erstellung eines ähnlichen Materials für Berlin vorstellen? Zu 8.: Ja, dem Senat ist die Broschüre bekannt. Sie stellt vor allem bauliche Anforderungen und damit einen Teilaspekt des Themas dar. Die Unfallkasse Berlin wird im 1. Quartal 2014 auf ihrer Internetseite die baulichen Aspekte entsprechend der Bedürfnisse der Berliner Schul- ämter aufbereiten und ausgewählte Seiten der genannten Broschüre nutzen, vorausgesetzt, dass die Unfallkasse Nordrhein-Westfalen mit einer Zweitnutzung einverstan- den ist. 9. Welche Informationsmaterialien zur inklusiven Schule für Eltern, Pädagoginnen und Pädagogen, Schüle- rinnen und Schüler und für die Öffentlichkeit plant der Senat und wann werden sie zur Verfügung stehen? Zu 9.: Die Information über das Thema Inklusion hat für die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wis- senschaft und für die Unfallkasse Berlin großen Stellen- wert und wird fortgesetzt. Auf der Website der Senats- verwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft werden die von der Projektgruppe Inklusion und durch die von ihr beauftragten Facharbeitsgruppen zu einzelnen Themen im Zusammenhang mit der inklusiven Schule erstellten Kon- zepte veröffentlicht. Im letzten Jahr wurden bereits die Empfehlungen des Beirats, die Stellungnahmen der Ver- bände und Vereine sowie wichtige Prozessschritte im Internet dokumentiert. Über den Zeitpunkt der Erstellung von weiteren Informationen über die genannten hinaus, ist noch nicht abschließend entschieden. Berlin, den 31. Januar 2014 In Vertretung Mark Rackles Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 06. Feb. 2014)