Drucksache 17 / 12 993 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Fabio Reinhardt (PIRATEN) vom 12. Dezember 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 16. Dezember 2013) und Antwort Glitzernde BMW-Konzernzentrale statt schmuckloser Flüchtlingsunterkunft in Charlottenburg? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Welche konkreten Zusagen hat die Senatskanzlei in welcher Form zu welchem Zeitpunkt gegenüber BMW im Zusammenhang mit der Ansiedlung der BMW-Nieder- lassung in Charlottenburg getätigt – insbesondere in Bezug auf die dortige Flüchtlingsunterkunft? Zu 1.: Die Senatskanzlei hat am 17.01.2011 die Baye- rische Motoren Werke Aktiengesellschaft (BMW AG) darüber informiert, dass das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) die Befristung der Nutzungsdauer der Gemeinschaftsunterkunft in der Rognitzstraße auf drei Jahre beabsichtige. Weitergehende Zusagen der Senatskanzlei gab und gibt es nicht. Die befristete Laufzeit von derartigen Verträgen ist üblich, wie sich aus § 9 des vom LAGeSo unter der Inter- netadresse http://www.berlin.de/imperia/md/content/lageso/sozial es/markterkundung/mustervertrag_gu_2012.pdf?downloa d.html veröffentlichten Mustervertrags ergibt. Das bei der Unterkunft in der Rognitzstraße gewählte Verfahren stell- te daher keine Besonderheit dar. In Verbindung mit der ergänzenden Klausel einer bei Verzicht auf Kündigung selbständig eintretenden Verlängerung wird hierdurch eine flexible Anpassung der Unterbringungskapazitäten an veränderte Anforderungen, insbesondere als Folge unterschiedlicher Zuzugszahlen bei Asylbegehrenden gewährleistet. 2. Aus welchen Gründen verweigert der Senat die Veröffentlichung des Schriftverkehrs der Senatskanzlei mit BMW bezüglich der Flüchtlingsunterkunft gegenüber Presse und Abgeordneten? Zu 2.: Die Senatskanzlei hat über den zugrunde lie- genden Sachverhalt und auch über den Inhalt der schriftli- chen Information an BMW vom 17.01.2011 gegenüber anfragenden Medien und Abgeordneten informiert. 3. Verträge mit den Betreibern von Flüchtlingsunter- künften werden in der Regel auf Arbeitsebene im Landes- amt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) verhandelt und unterzeichnet: Aus welchem Gründen wurde der Betreiber-Vertrag vom 28. Januar 2011 zur Flüchtlingsun- terkunft neben der BMW- Niederlassung in Charlotten- burg vom LAGeSo-Präsidenten persönlich unterschrie- ben? 4. Die Verträge welcher weiteren Not- und Sammel- unterkünfte wurden nicht auf Arbeitsebene, sondern auf Führungsebene verhandelt bzw. unterschrieben und wa- rum jeweils? Zu 3. und 4.: Das Landesamt für Gesundheit und So- ziales verfährt hinsichtlich der in den Fragen genannten Sachverhalte unter Beachtung der einschlägigen Rechts- und Verwaltungsvorschriften, welche zur innerbehördli- chen Zeichnungsbefugnis bzw. zur rechtsgeschäftlichen Vertretung erlassen wurden: Nach § 48 Absatz 1 der Gemeinsamen Geschäftsord- nung der Berliner Verwaltung - Allgemeiner Teil (GGO I) obliegt die abschließende Zeichnung von Verfügungsent- würfen (Schlusszeichnung) denjenigen, die - unbeschadet von Aufsichtsbefugnissen - ein Ergebnis selbständig und abschließend erarbeitet haben (bearbeitende Dienstkraft), soweit nicht nach § 49 Ausnahmen angeordnet sind. § 49 Absatz 3 GGO I sieht vor, dass die Behördenleitung – beim LAGeSo also der Präsident - durch Geschäftsanwei- sung bestimmt, bei welchen Geschäftsvorfällen ihr oder anderen Führungskräften abweichend von dem Grundsatz des § 48 Absatz 1 allgemein die Schlusszeichnung vorbe- halten ist. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 993 2 Diese Vorgaben finden auch bei der Ausfertigung von Verfügungen im Zusammenhang mit der Akquise von Unterbringungskapazitäten für Asylbegehrende und Flüchtlinge Anwendung. Hinsichtlich des Vertragsabschlusses sind die §§ 21 und 22 des Allgemeinen Zuständigkeitsgesetzes (AZG) maßgeblich: Gemäß § 21 Nummer 4 ist der Leiter einer Sonderbehörde – beim LAGeSo also der Präsident – zuständig für die rechtsgeschäftliche Vertretung Berlins. An dessen Stelle kann nach § 22 Absatz 1 AZG die mit der Vertretung beauftragte Dienstkraft die rechtsgeschäftliche Vertretung wahrnehmen; darüber hinaus können die nach § 21 AZG zuständigen Personen diese Befugnis anderen Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern ihrer Verwaltung, sofern es sich um Beamtinnen und Beamte oder Ange- stellte handelt, durch schriftliche Befugnis übertragen. Unter Berücksichtigung dieser Rechtslage kann die Vertragszeichnung sowohl vom Präsidenten des LAGeSo als auch anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des LAGeSo wahrgenommen werden. Eine diesbezügliche Statistik wird nicht geführt. 5. Wann erfolgte auf welcher Ebene die Einigung, dass der Betreiber-Vertrag zur Flüchtlingsunterkunft neben der BMW-Niederlassung in Charlottenburg über den 31. Dezember 2013 hinaus verlängert wird? Zu 5.: Die Verhandlungen zur Verlängerung begannen bereits vor Ablauf der Vertragslaufzeit im Oktober 2013 auf Arbeitsebene. Sie waren am 28.11.2013 weitgehend abgeschlossen. Der Vertrag wurde am 28.01.2014 unter- schrieben. 6. Wann erfolgte der Abschluss des Betreiber-Vertrags zur Flüchtlingsunterkunft neben der BMW- Niederlas- sung in Charlottenburg über den 31. Dezember 2013 hinaus und auf welcher Ebene ist er von Seiten des Senats unterzeichnet worden? Wie ist die Laufzeit des neuen Betreiber-Vertrags? Zu 6.: Bis zum 28.01.2014 bestand die vertragliche Beziehung auf der Grundlage mündlicher Absprachen. Die Laufzeit ist für ein weiteres Jahr mit der Option der Verlängerung um ein weiteres Jahr abgeschlossen wor- den. 7. Laut Betreiber-Vertrag vom 28. Januar 2011 gelten die Mindestanforderungen für vertragsgebundene Unter- künfte für diese Einrichtung „nur eingeschränkt und werden mit dem LAGeSo abgestimmt“? a. Welche Einschränkungen hinsichtlich Mindeststan- dards bestehen bislang für diese Unterkunft (bitte eine konkrete Auflistung)? b. Gelten zukünftig die Mindestanforderungen des LAGeSo für vertragsgebundene Unterkünfte auch für diese Einrichtung? Wenn nein, warum nicht und bis wann sollen diese Standards hergestellt sein? Zu 7.: Es gelten keine eingeschränkten Standards, sondern die Qualitätsanforderungen in der zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geltenden Fassung. 8. Wird es im Zusammenhang mit der Eröffnung der BMW-Niederlassung zu einer Einschränkung der Außen- bereiche (Kinderspielplätze, Freiflächen etc.) der Flücht- lingsunterkunft kommen? Wenn ja, welchen Ersatz wol- len Senat oder BMW dafür schaffen? Zu 8.: Der Senat geht nicht davon aus, dass es zu der- artigen Einschränkungen kommen wird. 9. Ist der Senat gewillt, auch gegenüber BMW deut- lich zu machen, dass auch von einem international agie- renden Großkonzern soziales/integrationspolitisches En- gagement in Berlin erwartet wird – etwa indem er einen Spielplatz für die Flüchtlingskinder der Unterkunft finan- ziert oder Betriebspraktika für Flüchtlinge anbietet? Zu 9.: Der Senat begrüßt ausdrücklich die Entschei- dung der Bayerische Motoren Werke Aktiengesellschaft (BMW AG), durch die Errichtung der neuen Niederlas- sung ein Bekenntnis zum Standort Berlin abzugeben und auf diese Weise einen wertvollen Beitrag zur Sicherung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen in der Stadt zu leisten. Die BMW AG definiert nach ihrem Selbstverständnis ihr gesellschaftliches Engagement als entscheidende Grundlage für ein erfolgreiches Auftreten als globaler Akteur. Sie verweist in ihrem Web-Auftritt unter anderem auf die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung an ihren lokalen Standorten mit dem Ziel, das Unternehmen unter Berücksichtigung der Gegebenheiten vor Ort in die Gesellschaft zu integrieren und gegenseitige Akzeptanz zu schaffen. Vor diesem Hintergrund erachtet es der Senat als ge- boten, die Entscheidung, wo und in welcher Weise die BMW AG einen finanziellen oder anderweitigen Beitrag zur Förderung sozialer Projekte und kommunaler Vorha- ben leisten möchte, der Unternehmensführung eigenver- antwortlich zu überlassen. Der Senat hielte es nicht zu- letzt unter Berücksichtigung der von der BMW AG öf- fentlich dargestellten Unternehmensphilosophie für unan- gemessen, seinerseits aktiv bei dem Unternehmen auf konkrete Hilfsmaßnahmen im Zusammenhang mit staatli- chen Aufgaben wie der Gewährung von Leistungen, ins- besondere Unterbringung an Asylbegehrende und Flücht- linge hinzuwirken. 10. Hält der Senat den Standort der Flüchtlingsunter- kunft in Charlottenburg direkt an der Stadtautobahn und das Gebäude mit seinen sehr großen Räumen mit wenig Privatsphäre dauerhaft geeignet für die Unterbringung von Flüchtlingen? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 12 993 3 Zu 10.: Der Senat verkennt nicht die in der Frage ge- nannten problematischen Aspekte des Standortes. Die Inanspruchnahme der vertraglich vereinbarten Verlänge- rungs-option wird daher auch davon abhängig sein, ob alternative Standorte mit günstigerer Lage bzw. besserer baulicher Eignung nutzbar sein sollten. 11. Hat der Senat im Zusammenhang mit der Ansied- lung weiterer (Groß-)Unternehmen in Berlin, die Schlie- ßung von Einrichtungen für Asylsuchende, Wohnungslose oder anderen sozial ausgegrenzten Bevölkerungsgruppen in Aussicht gestellt? Wenn ja, gegenüber welchen Unter- nehmen und an welchen Standorten? Zu 11.: Derartige Aussagen wurden von Seiten des Senats gegenüber Unternehmen nicht getroffen. Berlin, den 20. Februar 2014 In Vertretung Dirk G e r s t l e _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 26. Feb. 2014)