Drucksache 17 / 13 008 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Fabio Reinhardt und Martin Delius (PIRATEN) vom 17. Dezember 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. Dezember 2013) und Antwort „Willkommensklassen“ an Berliner Schulen Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Mitte 2007 wurden die seit 1971 geführten „Ausländerklassen“ zugunsten der „Lerngruppen für Sprachförderung“ aufgegeben. Mit diesen Lerngruppen war auch eine Integration intendiert. Diese waren keine gesonderten Klassen, sondern wurden zur Sprachförderung als Ergänzung zum Besuch der regulären Klassen geführt. Ab dem Schuljahr 2011/12 wurden wieder gesonderte Klassen gemäß § 15 Abs. 2 SchulG eingerichtet, die sogenannten „Willkommensklassen“, die heute offiziell „Lerngruppen für Neuzugänge ohne Deutschkenntnisse“ heißen. a) Wie begründete der Senat die Aufgabe der soge- nannten „Ausländerklassen“ zum Schuljahr 2007/2008? b) Wie begründete der Senat die Aufgabe der Integra- tion der Lerngruppen in die Regelklassen zum Schuljahr 2011/2012? Zu 1.: a) Die Entwicklung der Organisationsmodelle für förderbedürftige Kinder und Jugendliche ging mit den jeweils vorliegenden politischen Auffassungen , finanziellen Ressourcen, pädagogischen Überzeugungen und demographischen Sachverhalten einher. Die „Vorbereitungs- und Förderklassen für ausländische Schülerinnen und Schüler und Aussiedlerinnen und Aussiedler“ wurden 1996/97, ein Jahr nach der Einführung der Bezeichnung „Schülerinnen und Schüler nichtdeutscher Herkunftssprache“, abgeschafft. Seitdem geht es in der Berliner Schule nicht mehr um die Staatsangehö- rigkeit, sondern ausschließlich um den potenziellen oder festgestellten Förderbedarf in der deutschen Sprache. Klassen für ausländische Kinder und Jugendliche unge- achtet ihrer Deutschkenntnisse gibt es seitdem nicht mehr. Zum Schuljahr 2007/08 wurde die Klassenart „Kleinklasse “ abgeschafft und die damit verbundenen Ressourcen den Ressourcen für Sprachförderung zugeschlagen. Neu zugezogene Kinder und Jugendliche wurden ab dann in die „Lerngruppen für Sprachförderung“ aufgenommen. b) 2011/12 hatte sich die Zahl der Zuzüge aus dem Ausland dergestalt erhöht, dass die bestehenden „Lerngruppen für Sprachförderung “ den Bedarf nicht decken konnten. Deshalb wurde erneut eine Klassenart, die „Lerngruppe für Neuzugänge ohne Deutschkenntnisse“, eingeführt, die unabhängig von den Ressourcen für Sprachförderung finanziert wird. Die „Lerngruppen für Neuzugänge ohne Deutschkenntnisse“ dienen ausschließlich dem intensiven und systematischen Erwerb von Deutsch als Unterrichtssprache und haben das Ziel, den Wechsel in eine Regelklasse zum früheste möglichen Zeitpunkt vorzubereiten. Alle seit 1996/97 bestehenden Organisationsmodelle für zugezogene Kinder und Jugendliche waren temporär, die Kinder und Jugendlichen wurden auf den Übergang in eine Regelklasse vorbereitet. Ein langjähriger Verbleib in separaten Klassen war die absolute Ausnahme im Rahmen einzelner Fördermodelle einzelner Schulen. 2. Wie hat sich die Anzahl der „Lerngruppen für Neuzugänge ohne Deutschkenntnisse“ und der betroffenen Schulen seit dem Schuljahr 2011/2012 bis zum laufenden Schuljahr entwickelt? (bitte pro Bezirk und pro Schulform aufschlüsseln) Zu 2.: Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft führt über die Belegung der „Lerngruppen für Neuzugänge ohne Deutschkenntnisse“ ein aufwändiges monatliches Monitoring durch. Die Anzahl der Lern- gruppen für Neuzugänge nach Schularten ist der beige- fügten Übersicht (Anlage 1) zu entnehmen. Die Auswei- sung nach Schularten entspricht der räumlichen Unter- bringung der Lerngruppen. Eine Zuordnung von Schüle- rinnen und Schülern zu einer Jahrgangsstufe und einer Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 008 2 Schulart erfolgt erst im Rahmen des Übergangs in eine Regelklasse. 3. Wie hat sich die Anzahl der Schülerinnen und Schüler in den „Lerngruppen für Neuzugänge ohne Deutschkenntnisse“ seit dem Schuljahr 2011/2012 bis zum laufenden Schuljahr entwickelt? Zu 3.: Daten über die Klassenart "Lerngruppen für Neuzugänge ohne Deutschkenntnisse" wurden erstmals im Schuljahr 2011/12 erhoben, Vergleichszahlen aus vorherigen Jahren liegen nicht vor. Das Schuljahr 2010/11 wird deshalb mit 0 geführt. Die Anzahl der Schülerinnen und Schüler in den Lerngruppen für Neuzugänge hat sich wie folgt entwickelt: Jahr Klassen Schülerzahl 2010/11 0 0 2011/12 54 628 2012/13 95 1.104 2013/14 158 1.748 4. In wie vielen Fällen befinden sich die „Lerngruppen für Neuzugänge ohne Deutschkenntnisse“ aufgrund von Raumknappheit außerhalb der Schule, z.B. in einer ande- ren Schule? a) Ist dem Senat dieses Problem bekannt? b) Wenn ja, wie unterstützt der Senat betroffene Schulen bei der Bereitstellung von Räumen? c) Wie bewertet der Senat dieses Problem? Zu 4.: Die Schülerinnen und Schüler einer „Lerngruppe für Neuzugänge ohne Deutschkenntnisse“ gehören weder zu einer Jahrgangsstufe noch zu einer Schulart. Diese Zuordnung erfolgt erst im Rahmen des Übergangs in eine Regelkasse. Die Lerngruppe als Organisationsein- heit ist jeweils einer Schule zugeordnet, allerdings nicht einer Schulart. Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wis- senschaft erstellt regelmäßig nach Bezirken differenzierte Übersichten über die Beschulungssituation neu zugezoge- ner Kinder und Jugendlicher ohne Deutschkenntnisse. Die Daten werden den für Bildung zuständigen Bezirksstadt- rätinnen und Bezirksstadträten sowie der regionalen Schulaufsicht zur regionalen Schulplatzsteuerung über- mittelt. Durch die Betrachtung der Entwicklung der Schü- lerzahlen und entsprechendes rechtzeitiges Handeln wird sichergestellt, dass entsprechende Schulplätze für Neuzu- gänge ohne Deutschkenntnisse rechtzeitig zur Verfügung stehen, dies liegt in der Verantwortung der Bezirke. 5. In wie vielen Fällen konnten im laufenden Schul- jahr „Lerngruppen für Neuzugänge ohne Deutsch-kenntnisse “ aufgrund von Personalmangel nicht eingerichtet werden und in wie vielen Fällen wurden die Lerngruppen aufgrund von Personalmangel später eingerichtet? a) Ist dem Senat dieses Problem bekannt? b) Wenn ja, wie unterstützt der Senat betroffene Schulen bei der Einstellung von qualifiziertem Personal? c) Wie bewertet der Senat dieses Problem? 6. Welche Qualifikationen haben die Lehrkräfte, die diese „besonderen Lerngruppen“ unterrichten? 7. Wie viel Zeit erhält eine Schulleitung, um eine Lerngruppe für Neuzugänge ohne Deutschkenntnisse“ in der Schule personell und räumlich einzurichten? a) Hält der Senat diese Zeit für ausreichend? b) Wenn ja, warum? c) Wenn nein, warum nicht? Zu 5., 6. und 7.: Jeder Bezirk schafft proaktiv Struktu- ren, um Neuzugänge zügig aufnehmen zu können. Dazu bedarf es verbindlicher Absprachen zwischen Schulbe- hörde, Schulaufsicht, Jugendgesundheitsdienst und Schu- len. Der Einsatz von Lehrkräften liegt in der Ver- antwortung der regionalen Außenstellen bzw. der Schu- len, das Bereitstellen von Räumlichkeiten in der Verant- wortung der Bezirke. Eine Zeitvorgabe diesbezüglich gibt es nicht. Schulbehörden und Schulaufsichtsbehörden sind sich ihrer besonderen Verantwortung an dieser Stelle bewusst. Für die Lerngruppen für Neuzugänge ohne Deutsch- kenntnisse ist eine Einstellung von Lehrkräften bei Be- darf, der nicht anderweitig gedeckt werden kann, grund- sätzlich sofort möglich. Um dem erhöhten Zuzug der Schülerinnen und Schüler zu begegnen, wurden auch Einstellungen von Lehrkräften getätigt, die eine Ausbil- dung nach Recht des Herkunftslandes haben bzw. Perso- nen, die nachweislich pädagogisch tätig waren und Ru- mänisch oder Bulgarisch beherrschen, vorzugsweise mit Abschluss in Germanistik oder Anglistik. Unter anderem wurden geeignete Lehrkräfte durch eine Ausschreibung für Personen mit rumänischem oder bulgarischem Migra- tionshintergrund und nachweisbarer Eignung gefunden. In jedem Fall muss die Lehrkraft sehr gute Deutschkennt- nisse haben. Darüber hinaus wurden zusätzlich zu vorhandenen Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeitern weitere Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter für Fra- gen der Integration von Kindern und Jugendlichen der ethnischen Minderheit Roma tätig. Die Beratung und Unterstützung der Schulen erfolgt durch die für das Schulwesen zuständige Senatsverwal- tung, konkret durch die regionale Schulaufsicht und mit- tels Handreichungen, Fachbriefen und Fortbildungsange- boten. Zur Vernetzung, zum fachlichen Austausch und zur Fortbildung besteht eine Arbeitsgruppe für Lehrkräfte von Lerngruppen für Neuzugänge. 8. Wie werden Erziehungsberechtigte über die Lern- gruppen für Neuzugänge ohne Deutschkenntnisse“ informiert und wo erhalten sie in welchen Sprachen Beratung? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 008 3 Zu 8.: Die Erstberatung der zugezogenen Familien er- folgt in den Erstaufnahmeeinrichtungen und Gemein- schaftsunterkünften. Eine Beratung über schulische Be- lange erfolgt durch das bezirkliche Schulamt, die regio- nale Schulaufsicht und durch das pädagogische Personal der aufnehmenden Schulen. Mehrere Freie Träger der Jugendhilfe und Vereine beschäftigen Mediatorinnen und Mediatoren, die an Schulen und Wohneinrichtungen tätig sind. Darüber hinaus erläutert ein Leitfaden zur schulischen Integration von neu zugewanderten Kindern und Jugend- lichen der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft die Aufnahme und Beschulung von neu zugezogenen Kindern und Jugendlichen. Eltern von Schülerinnen und Schülern, deren Kinder die Schule besuchen, an denen Lerngruppen für Neuzu- gänge eingerichtet werden, werden durch Elternbriefe, Elterngespräche bzw. –abende entsprechend informiert, ggf. unter Heranziehung von Dolmetscherinnen und Dolmetschern. 9. Welche Senatsverwaltungen, welche Abteilungen, welche Referate, welche Ämter in welchen Bezirken und welche weiteren Stellen waren an der Beantwortung die- ser Kleinen Anfrage beteiligt? 10. Haben Sie noch etwas hinzuzufügen? Zu 9. und 10.: Zuständig für die Bearbeitung ist der Senat, vertreten durch die federführende Senatsverwal- tung für Bildung, Jugend und Wissenschaft. Berlin, den 13. Januar 2014 In Vertretung Mark Rackles Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 04. Feb. 2014) Anlage 1 zur Kleinen Anf rage 17/13008 IST-Statistik Lerngruppen für Neuzugänge ohne Deutschkenntnisse Zeitreihe 2011/12 2012/13 2013/14 Bezirk Klassen Schülerinnen und Schüler Klassen Schülerinnen und Schüler Klassen Schülerinnen und Schüler Mitte 9 95 24 250 32 343 Friedrichshain-Kreuzberg 4 50 6 55 10 90 Pankow 2 24 5 65 8 101 Charlottenburg-Wilmersdorf 6 108 2 30 13 162 Spandau 5 42 5 73 9 113 Steglitz-Zehlendorf 3 33 1 9 2 21 Tempelhof-Schöneberg 12 136 19 219 22 215 Neukölln 7 68 13 152 23 252 Treptow-Köpenick 2 18 3 34 5 57 Marzahn-Hellersdorf 0 0 2 30 3 37 Lichtenberg 3 42 8 93 17 179 Reinickendorf 1 12 7 94 14 178 Gesamtergebnis 54 628 95 1104 158 1748 Schulart Klassen Schülerinnen und Schüler Klassen Schülerinnen und Schüler Klassen Schülerinnen und Schüler Grundschule 20 215 42 453 76 832 Integrierte Sekundarschule 34 413 3 46 71 814 Gymnasium 0 0 49 593 11 102 Schule mit sonderpädagogischem Förderschwerpunkt „Lernen" 0 0 1 12 Gesamtergebnis 54 628 95 1104 158 1748 – ka17-13008 ka17-13008Anl