Drucksache 17 / 13 044 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Katrin Möller (LINKE) vom 13. Januar 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 14. Januar 2014) und Antwort Eigenanteil der Kita-Träger – gerechtfertigt? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie hoch ist der finanzielle Eigenanteil, den die Berliner Kita-Träger gegenwärtig nach der geltenden Rahmenvereinbarung zur Finanzierung der Kindertages- einrichtungen im Land Berlin (RV Tag) leisten (prozen- tual und absolut)? 2. In welchem Verhältnis steht der Eigenanteil der Kita-Träger zu den Gesamtkosten für die Finanzierung der Berliner Kitas? 4. Wie erbringen die Kita-Träger den zu erbringenden Eigenanteil bzw. welche Formen der Erbringung werden als Eigenanteil anerkannt? Zu 1., 2. und 4.: Gemäß § 4 Abs. 1 der Rahmenver- einbarung über die Finanzierung und Leistungssicher- stellung der Tageseinrichtungen (RV Tag) bilden die sich aus den Personal- und Sachkosten ergebenden Gesamt- kosten die Grundlage für die Finanzierung. Die Gesamt- kosten sind auf einer pauschalen Grundlage ermittelt und festgesetzt worden. Sie sind in den zur Rahmenvereinba- rung gehörenden Kostenblättern, differenziert nach Alter der Kinder und ihrem jeweiligen Betreuungsumfang, niedergelegt. Gemäß Absatz 2 werden diese festgesetzten Gesamtkosten in einer Höhe von 93% abzüglich der Kos- tenbeteiligung der Eltern nach dem Tagesbetreuungs- kostenbeteiligungsgesetz erstattet. Der Eigenanteil beträgt demnach 7% der pauschal ermittelten Gesamtkosten. Die gemäß Kostenblatt entstehenden Kosten für die Integration behinderter Kinder sowie die kindbezogenen Zuschläge nach § 11 Abs. 2 Nr. 3 Buchstaben a - c Kin- dertagesförderungsgesetz (KitaFöG) für Kinder nichtdeut- scher Herkunftssprache bei einem überdurchschnittlichen Anteil dieser Kinder in Tageseinrichtungen und für Kin- der, die in Wohngebieten mit sozial benachteiligenden Bedingungen leben, erstattet das Land Berlin die Kosten in voller Höhe. Die Träger nutzen unterschiedliche Formen zur Er- bringung ihres Eigenanteils, wie z.B. das Einwerben von Drittmitteln, Spenden und das Sponsoring. Gemäß § 23 Abs. 2 KitaFöG gelten auch die Elternmitarbeit und die ehrenamtliche Tätigkeit sowie die Bereitstellung von Räumen als Eigenleistung des Trägers. 3. Welche rechtliche Grundlage gibt es für die Festset- zung des Eigenanteils der Kita-Träger und wie begründet der Senat seine Forderung nach einem Eigenanteil? Zu 3.: Gemäß § 23 Abs. 1 KitaFöG soll die Finanzie- rung von Tageseinrichtungen der Träger der freien Ju- gendhilfe auf der Grundlage einer landesweiten Leis- tungsvereinbarung erfolgen. „Hierbei werden (...) die Betriebskosten durch eine Kostenerstattung des Landes Berlin, angemessene Eigenleistungen des Trägers und eine Kostenbeteiligung der Eltern gedeckt“. Mit der gemeinsam mit der LIGA der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege und dem Dachverband der Berliner Kinder- und Schülerläden (DaKS e.V.) geschlossenen RV Tag wurde dem § 23 KitaFöG Rechnung getragen und u.a. der in der Antwort zu 1. dargelegte Eigenanteil als „angemessene Eigenleistung“ vereinbart. 5. Für welche Leistungen der Jugendhilfe wird ver- tragsgemäß von den Leistungserbringern ebenfalls ein Eigenanteil bei der Finanzierung gefordert und wie wird dieser jeweils rechtlich begründet? 7. Wie bewertet der Senat die Auffassung, wonach die Forderung nach einem Eigenanteil der Kita-Träger spä- testens nach Einführung des Rechtsanspruchs auf einen Kitabesuch ab dem vollendeten ersten Lebensjahr keiner- lei rechtliche Grundlage mehr habe und welche Schluss- folgerungen leitet der Senat daraus für sein Handeln ab? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 044 2 8. Wie steht der Senat zur Überlegung, den Eigenan- teil der Kita-Träger schrittweise bis zur völligen Abschaf- fung abzusenken und welche Zeitplanung sieht der Senat dafür vor? 9. Ist die Frage der Zukunft des Eigenanteils der Kita- Träger Gegenstand der aktuellen Verhandlungen über die Fortschreibung der RV Tag und wenn ja, welche Position vertritt der Senat dazu in den Gesprächen? Zu 5., 7., 8. und 9.: Die Grundsätze der Förderung und Finanzierung der Leistungen und Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe sind im Achten Buch Sozialgesetzbuch – SGB VIII – geregelt. Dabei sieht schon das Bundesgesetz unterschiedliche Rahmenbedingungen für die Finanzie- rung der verschiedenen Leistungssysteme der Kinder- und Jugendhilfe vor. Der Rechtsanspruch eines Kindes auf den Besuch ei- ner Tageseinrichtung wird durch das Bundesgesetz gere- gelt (vgl. § 24 SGB VIII). Die Finanzierung hingegen erfolgt ausschließlich nach landesrechtlichen Vorschrif- ten, wie § 74a SGB VIII klarstellt. In Berlin werden die wesentlichen Voraussetzungen für die Finanzierung im KitaFöG geregelt. Aufgrund der föderalen Kompetenzor- dnung kann aus der Änderung der Voraussetzungen für den Rechtsanspruch eines Kindes nicht geschlussfolgert werden, dass der Bundesgesetzgeber damit gleichzeitig in die Finanzierungshoheit der Länder eingreifen wollte. Die Finanzierungsmodalitäten für Einrichtungsträger und der individuelle Zugang zur Hilfe – wie der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz – sind unterschiedliche Sachverhalte, deren Regelungen auch ansonsten in keinem unmittelbar zwingenden (rechtlichen) Zusammenhang stehen. Ein Rechtsanspruch eines Kindes besteht – in unterschiedlicher Ausprägung - bereits seit 1996 (Zweites Gesetz zur Änderung des Achten Buches Sozialgesetz- buch vom 15.12.1995, Bundesgesetzblatt I 1775). Der Landesgesetzgeber hat in Kenntnis dieses bundesgesetzli- chen Rechtsanspruchs die Finanzierung von Kindertages- einrichtungen in § 23 Absatz 1 Satz 2 KitaFöG auf drei Säulen gestellt: eine angemessene Kostenerstattung des Landes, eine angemessene Eigenleistung des Trägers der Tageseinrichtung und eine Kostenbeteiligung der Eltern. Es besteht daher aus Sicht des Senats keine Veranlas- sung, allein aufgrund der bundesgesetzlichen Änderung der Voraussetzungen für den existierenden Rechtsan- spruch von der 2005 vom Landesgesetzgeber getroffenen Entscheidung über eine 3-Säulen-Finanzierung im Kita- Bereich substanziell abzuweichen. Mit der Berücksichtigung der angemessenen Eigen- leistung in § 23 Absatz 1 Satz 2 KitaFöG hat der Landes- gesetzgeber dem Grundsatz der Subsidiarität bei der Er- bringung sozialer Dienstleistungen Rechnung getragen. Wie in der Antwort zu 1., 2. und 4. dargestellt, gestat- tet der Landesgesetzgeber in § 23 Absatz 2 KitaFöG als Eigenleistung - in Ergänzung zum Grundsatz in § 23 Absatz 1 Satz 2 KitaFöG – auch nicht pekuniäre Leistungen wie die Elternmitarbeit, die ehrenamtliche Tätigkeit sowie die Bereitstellung von Räumen – also Kernbestandteile der klassischen Selbsthilfe. Der Senat sieht sich derzeit nicht veranlasst, dieses Strukturprinzip im Land Berlin aufzugeben. Alle Vertragsparteien äußerten in den noch nicht ab- geschlossenen Verhandlungen zur Fortschreibung der RV Tag ein gemeinsames Interesse, Strukturen und Parameter des aktuellen Kostenblattes und des Finanzierungssystems der Kindertageseinrichtungen zu überprüfen. 6. Wie begründet der Senat, dass die Finanzierung der Schul-Rahmenvereinbarung zu 100 % aus Landesmitteln erfolgt und die Träger keinen Eigenanteil erbringen müs- sen? Zu 6.: Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 1 bis 6 (an Schulen mit den Förderschwerpunkten „Geistige Entwicklung“ bzw. „Autistische Behinderung“ bis zur Abschlussstufe bzw. Jahrgangsstufe 10) haben gem. § 19 Schulgesetz (SchulG) einen Rechtsanspruch auf Angebote der ergänzenden Förderung und Betreuung, wenn ent- sprechend KitaFöG ein Bedarf für eine solche Förderung und Betreuung besteht. Insofern obliegt es dem Land Berlin, die Finanzierung dieses Anspruchs sicherzustel- len. Als Grundlage der Feststellung des Bedarfs gelten die Regelungen der Schülerförderungs- und -betreuungsver- ordnung (SchüFöVO) sowohl für die ergänzende Förde- rung und Betreuung durch Personal öffentlicher Schulen als auch durch Träger der freien Jugendhilfe. Die Finanzierung der ergänzenden Förderung und Be- treuung ist insbesondere in der Schulrahmenvereinbarung geregelt. Darin ist aus den nachfolgenden Gründen kein Eigenanteil der Träger der freien Jugendhilfe vorgesehen: Während im Bereich der Kindertageseinrichtungen das SGB VIII mit seinen Prinzipien (z.B. Trägervielfalt, Subsidiarität, angemessene Eigenleistung) gilt, findet nur das Schulrecht Anwendung. Bildung in Schulen ist in erster Linie Aufgabe des Staates. Mit der Einführung der ergänzenden Förderung und Betreuung an Schulen bei gleichzeitiger Beendigung der Betreuung in Einrichtun- gen der Jugendhilfe wurde die Betreuung für Schulkinder im Land Berlin dem Bereich des Jugendhilferechts entzo- gen und in den Bereich des Schulrechts überführt. Damit sind die Prinzipien des SGB VIII nicht mehr anzuwenden. Vielmehr haben die freien Träger der Jugendhilfe keine Möglichkeit mehr, von sich aus die Tagesbetreuung der betr. Altersgruppen außerhalb von Kooperationen mit Schulen zu übernehmen und eine öffentliche Finanzierung zu erhalten. Sie können sich nur auf der Grundlage des Schulrechts und der mit Schulrahmenvereinbarung ge- troffenen Regelungen beteiligen. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 044 3 Dabei muss der freie Träger alle Kinder einer Kooperati- onsschule aufnehmen, ebenso besteht für die Eltern keine Wahlmöglichkeit mehr. Zudem werden wesentliche Punk- te wie Betreuungszeiten, Räume, Betreuungskonzepte anders als im Bereich Kindertagesbetreuung vorgegeben. Die Träger unterstützen somit die Schulen bei einer Auf- gabe, die diese sonst selbst ausführen und finanzieren müssten. Da die Freien Träger an den Schulen keine eige- nen Spielräume beim Angebot von Betreuungsleistungen für Schulkinder mehr haben (z.B. Nutzung eigener Räu- me), sondern die Betreuung nur noch im vorgegebenen Rahmen der Schule als Dienstleistung erbringen, wird von ihnen kein Eigenanteil eingefordert. Berlin, den 26. Februar 2014 In Vertretung Sigrid Klebba Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 10. Mrz. 2014)