Drucksache 17 / 13 049 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Martin Beck (GRÜNE) vom 10. Januar 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 14. Januar 2014) und Antwort Bearbeitungszeiten von Anträgen auf Leistungen gem. §§ 67 ff. SGB XII Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. In den einrichtungsspezifischen Kriterien zu Leis- tungsvereinbarungen für den Personenkreis des §67 SGB XII werden unter dem Punkt „Verfahrensregelungen“ zwei Möglichkeiten des Zugangs zum Hilfesystem be- schrieben: a) der zuständige Leistungsträger stellt einen Hilfebe- darf fest b) ein potentiell Leistungsberechtigter fragt bei einem Leistungsanbieter an, der dem Leistungsträger In- formationen zur Hilfebedarfsfeststellung zur Ver- fügung stellt. Zu Ia: 1. Wie lang ist die Bearbeitungszeit bis zur Ausstellung einer Kostenübernahme nach Vermittlung eines/einer Leistungsberechtigten an einen Leistungsan- bieter durch den Leistungsträger? Bitte nach Bezirk und Jahren seit 2011 aufschlüsseln. Zu Ib: 1. Wie lang ist die Bearbeitungszeit bis zur Ausstellung einer Kostenübernahme nach Eingang eines Antrages mit Anspruch begründender Stellungnahme? Bitte nach Bezirk und Jahren seit 2011 aufschlüsseln. 2. Bei Bearbeitungszeiten von mehr als vier Wochen nach Einreichung eines Antrages mit Anspruch begrün- dender Stellungnahme: Welche Gründe liegen für die langen Bearbeitungszeiten vor? Bitte nach Bezirk und Jahren seit 2011 aufschlüsseln. Zu 1a, 1b und 2.: „Die Durchführung der Aufgaben des Trägers der Sozialhilfe nach § 97 des Zwölften Bu- ches Sozialgesetzbuch obliegt den für das Sozialwesen zu-ständigen Ämtern der Bezirke...“ (vgl. § 2 Gesetz zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - AG- SGB XII). Der in den einrichtungsspezifischen Kriterien zu Leistungsvereinbarungen für den Personenkreis des § 67 SGB XII genannte Leistungsträger ist das für die An- tragstellerin oder den Antragsteller jeweils zuständige bezirkliche Sozialamt. Ihm obliegt bei Anträgen auf eine Maßnahme nach §§ 67ff SGB XII die Pflicht einer Einzelfallprüfung. Es hat nach gesetzlichen Vorgaben den individuellen Hilfebedarf zu ermitteln und im Falle eines festgestellten Rechtsan- spruches einen Bescheid über eine Kostenübernahme auszustellen. Die Senatsfachverwaltung hat den Sozial- ämtern ein Hilfebedarfsermittlungsraster für ein einheitli- ches Verfahren zur Verfügung gestellt. Im Fall a hat das Sozialamt bereits den Leistungsan- spruch geprüft, im Ergebnis einen ambulanten oder stati- onären Hilfebedarf festgestellt und eine hilfebedarfsge- rechte Maßnahme nach §§ 67ff SGB XII bewilligt. Es nimmt eine Vermittlung der Leistungsberechtigten bzw. des Leistungsberechtigten an einen Leistungsanbieter mit dem Auftrag vor, gemäß § 75 Abs.3 SGB XII vertraglich vereinbarte ambulante oder stationäre Leistungen gegen Vergütung zu erbringen. Insofern entsteht die Bearbei- tungszeit ab Antragstellung der potentiellen Leistungsbe- rechtigten oder des potentiellen Leistungsberechtigten bis zur Vermittlung durch das Sozialamt an einen Leis- tungsanbieter. Auch im Fall b trifft die Entscheidung über das Vor- liegen eines Hilfebedarfes nach §§ 67 SGB XII, Inhalt und Umfang der Hilfe sowie über die Auswahl des Leis- tungserbringers ausschließlich das bezirkliche Sozialamt als Leistungsträger. Dabei werden an den Nachweis der Zugehörigkeit zum Personenkreis des § 67 SGB XII hohe sozialhilferechtliche Anforderungen gestellt. Mit einem Antrag werden dem Sozialamt zwar notwendige Informa- tionen zur Einschätzung der Hilfebedürftigkeit von Leis- tungsanbietern als Entscheidungshilfe zur Hilfebedarfs- feststellung und Bescheiderteilung zur Verfügung gestellt, ob diese aber für eine Beurteilung des Hilfebedarfes aus- reichend sind und/oder das Sozialamt zur gleichen Ein- schätzung gelangt, wie ein Leistungs-anbieter in seiner „anspruchsbegründenden Stellungnahme“, hängt vom Ergebnis der auch im Fall b) pflichtgemäß durchzufüh- renden Einzelfallprüfung ab. Hier kommt es in der Praxis auch zu Diskrepanzen zwischen einem potentiellen Leis- tungsanbieter und dem Sozialamt. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 049 2 Für Anträge gilt bis zur Entscheidung die „angemessene Frist“ von maximal drei Monaten als Bearbeitungszeit. Für die Erstellung einer Übersicht bei Beantwortung der Fragen 1a), 1b) und 2. sind umfangreiche Abfragen in den Bezirken und Auswertungen möglich, die im Rahmen einer Kleinen Anfrage nicht leistbar sind. 3. Kann der/ die potentiell Leistungsberechtigte im Zeitraum zwischen Einreichung eines Antrages mit An- spruch begründender Stellungnahme und Ausstellung einer Kostenübernahme bereits die Hilfe eines Leistungs- anbieters in Anspruch nehmen? Falls nein: welche Grün- de sprechen dagegen? Wie wird in solchen Fällen gewähr- leistet, dass Fristen eingehalten werden (z.B. bei drohen- dem Wohnungsverlust) Zu 3.: Die Hilfe kann erst ab dem Zeitpunkt der Be- scheiderteilung/Kostenübernahme - d. h. nach abge- schlossener Hilfebedarfsfeststellung durch den Leistungs- anbieter - beginnen. Rechtsgrundlage für das Verfahren bilden die zwischen dem Sozialhilfeträger und den Leis- tungsanbietern abgeschlossenen Einzelvereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII auf der Basis abgestimmter fachlicher Konzeptionen über die Leistungsumsetzung. Erbringt ein Leistungsanbieter ohne Bescheiderteilung durch das Sozialamt bereits Leistungen, handelt er außer- halb der bestehenden Vereinbarung mit dem Sozialhilfe- träger und kann keinen Kostenanspruch gegen diesen geltend machen. Nach gängiger Rechtssprechung ist in diesen Fällen ein etwaiger Hilfebedarf durch die bereits gewährten Leistungen gedeckt worden. Eine Verpflich- tung des Sozialhilfeträgers zur Erbringung von Leistun- gen für den in der Vergangenheit liegenden Zeitraum scheidet unter dem Gesichtspunkt des Aktualitätsgrund- satzes (zuvor Grundsatz "keine Hilfe für die Vergangen- heit, vgl. BVerwGE 99, 149) aus. Die Dauer der Bear- beitungszeit in den Sozialämtern hängt von vielfältigen Gründen ab. Zu den Fristen wird auf die Antwort zu 2. verwiesen. 4. Wie viele Unterbringungen nach dem ASOG er- folgten seit 2011 auf Grund langer Bearbeitungszeiten von Anträgen nach §§ 67 ff. SGB XII? Bitte nach Bezirk, Alter und Geschlecht aufschlüsseln. Zu 4.: Zwischen einer ordnungsrechtlichen Unterbrin- gung wohnungsloser Personen in eine Notunterkunft und der Dauer der Bearbeitungszeit von Anträgen nach §§ 67ff SGB XII besteht kein rechtlicher Zusammenhang. Eine ordnungsrechtliche Unterbringung erfolgt auf Wunsch wohnungsloser Personen zum Schutz vor Selbst- gefährdung des Lebens bzw. der Gesundheit gemäß Nr. 19 Zuständigkeitskatalog des Allgemeinen Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Berlin (ASOG Bln). Der Rechtsanspruch auf eine Unterbringung besteht unabhängig von einem etwaigen anderweitigen Anspruch der wohnungslosen Person auf Sozialhilfeleis- tungen und ist vom Sozialamt als Ordnungsbehörde zur Beseitigung einer akuten Notlage sofort zu befriedigen. Hat der Sozialhilfeträger, aus welchen Gründen auch immer, über den Antrag auf Leistungen nach §§ 67ff SGB XII noch nicht entscheiden können und die potentielle Leistungsberechtigte oder der potentielle Leistungsbe- rechtigte ist zum Zeitpunkt der Antragstellung akut woh- nungslos, ist eine Unterbringung in eine Notunterkunft möglich und steht in keinem Spannungsverhältnis zur beantragten Sozialhilfeleistung nach §§ 67ff SGB XII. Das Einsetzen von Leistungen nach §§ 67ff SGB XII ist nicht von der Art und Weise der Unterkunft abhängig. Zu den Voraussetzungen für den Beginn einer Maßnahme wird auf die Beantwortung der vorhergehenden Fragen verwiesen. Für die Beantwortung der Frage in Form einer Über- sicht sind umfangreiche Abfragen in den Bezirken und Auswertungen erforderlich, die im Rahmen einer Kleinen Anfrage nicht leistbar sind. 5. In den einrichtungsspezifischen Kriterien zum Leis- tungstyp Kriseneinrichtung heißt es: „Bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzung zum Zeitpunkt der Aufnahme und fristgerechtem Eingang der Aufnahmebegründung durch den Leistungserbringer erfolgt die Kosten- übernahme ab dem Aufnahmetag.“ In wie vielen Fällen im Verhältnis zur Gesamtzahl bewertete der Leistungsträ- ger das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzung anders als der Leistungserbringer? Bitte nach Bezirk und Jahren ab 2011 aufschlüsseln. Zu 5.: Zur Beantwortung der Frage sind umfangreiche Abfragen in den Bezirken und Auswertungen erforder- lich, die im Rahmen einer Kleinen Anfrage nicht leistbar sind. 6. Auf Grund welcher rechtlichen Grundlagen hält der Senat die Wirksamkeit der Einsetzung einer Hilfe zu welchem Zeitpunkt für gegeben? In wie vielen Fällen im Verhältnis zur Gesamtzahl wurde diese Maßgabe erfüllt? Bitte nach Bezirk und Jahren ab 2011 aufschlüsseln. Zu 6.: Der Bundesgesetzgeber bestimmt in § 18 SGB XII Abs.1, dass die Sozialhilfe, mit Ausnahme der Leis- tungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbs- minderung, einsetzt, sobald dem Träger der Sozialhilfe oder den von ihm beauftragten Stellen bekannt wird, dass die Voraussetzungen für die Leistung vorliegen. Der Senat folgt den vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Strukturprinzipien des Sozialhilferechts, dass auch im Bereich der Hilfen nach §§ 67 ff. SGB XII der Kenntnisgrundsatz uneingeschränkt Anwendung fin- det. Allerdings muss der Träger der Sozialhilfe in hin- reichend qualifizierter Weise Kenntnis von den Voraus- setzungen erlangt haben, die das Einsetzen der Sozialhilfe begründen. Dies ist für die Hilfen nach §§ 67 ff. regelmä- ßig dann der Fall, wenn Informationen vorliegen, aus denen sich die hilfeauslösenden Tatbestände entnehmen lassen. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 049 3 Begründen vorliegende Informationen z. B. eines Leistungsanbieters einen Hilfeanspruch nicht in vollem Umfang oder lassen diese noch keine zweifelsfreie Ein- schätzung über das Wie der Hilfe zu, kann die Kenntnis des Träger der Sozialhilfe erst dann einsetzen, wenn von Amts wegen mit der Antragstellerin oder dem Antrag- steller gesprochen worden ist und weitere Informationen eine abschließende Entscheidung ermöglichen. Eine Abweichung vom dargestellten Verfahrensablauf ist im Rahmen der zwischen dem Land Berlin und den Spitzenverbänden der LIGA beschlossenen stationären Leistungstypen „Kriseneinrichtung“ und „Krankenstation “ für den Personenkreis nach § 67 SGB XII vereinbart . Für den letzteren Leistungstyp gibt es seit Einfüh- rung der Krankenversicherungspflicht für Sozialleistungs- empfängerinnen und Sozialleistungs-empfänger allerdings keinen Leistungsanbieter mehr, insofern wird darauf nicht weiter eingegangen. Fragen potentielle leistungsberech- tigte Personen bei einer Kriseneinrichtung an und liegt nach Einschätzung des Leistungsanbieters bei diesen eine akute Krisensituation vor, ist die sofortige Aufnahme - täglich und rund um die Uhr - in die Einrichtung ohne Vorliegen einer Kostenübernahme möglich. Hier setzt der Sozialhilfeträger zur sofortigen Abwendung einer akuten Krisensituation auf eine hohe fachliche Kompetenz der Leistungsanbieter und seiner sozialpädagogischen Fach- kräfte. Unter Beifügung einer Beschreibung der akuten Krisensituation und der sich daraus ableitenden Maßnah- men der Krisenintervention ist der Sozialhilfeträger in- nerhalb 24 Stunden über die Aufnahme zu informieren. Er tritt dann allerdings auch in die Einzelfallprüfung zur Hilfebedarfsfeststellung ein und übernimmt bei fristge- rechtem Eingang der Aufnahmebegründung und sofern er zur gleichen Einschätzung gelangt, die Kosten für die erbrachten Leistungen ab dem Aufnahmetag. Zur Beant- wortung der Frage in Form einer Übersicht sind umfang- reiche Abfragen in den Bezirken und Auswertungen er- forderlich, die im Rahmen einer Kleinen Anfrage nicht leistbar sind. Berlin, den 28. Januar 2014 In Vertretung Dirk G e r s t l e _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 04. Feb. 2014)