Drucksache 17 / 13 071 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Klaus Lederer und Carsten Schatz (LINKE) vom 20. Januar 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 21. Januar 2014) und Antwort Umsetzung der ISV I: Akzeptanz sexueller Vielfalt in der Schule Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Hat der Senat die von Dr. Ulrich Klocke (HU Ber- lin) im Zuge der ISV erstellten Studie zur Akzeptanz sexueller Vielfalt an Berliner Schulen ausgewertet? Wel- che Konsequenzen zieht er daraus? Zu 1.: Um die Ergebnisse der Studie in die Schulen zu tragen, wurde ein Faltblatt „Wie können wir Homo- und Transphobie bei Kindern und Jugendlichen abbauen?“ erstellt, das für die zentralen Befunde Handlungsoptionen aufzeigt. Die Ergebnisse wurden darüber hinaus in die Maßnahmen (Fortbildungen der Ansprechpersonen und der pädagogischen Schlüsselpersonen sowie in weitere Projekte) einbezogen. 2. Wurde inzwischen an allen öffentlichen Schulen in Berlin eine Ansprechperson für Diversity und sexuelle Vielfalt benannt? Wenn nein, an wie vielen Schulen wur- den diese Ansprechpersonen bereits benannt und an wie vielen Schulen fehlen sie noch (bitte aufgegliedert nach Schultyp und Bezirk)? Zu 2.: Die Ausstattung der Schulen entnehmen Sie der Tabelle. Gelistet sind (Schulen, die gemeldet ha- ben/Schulen im Bezirk): Bezirk Grundschulen Integrierte Sekun- darschule (ISS) Gymnasien Zentral verwaltete / Berufliche Schulen Mitte 25/33 9/9 7/7 4/5 Friedrichshain- Kreuzberg 22/33 7/10 5/7 4/5 Pankow 27/40 12/12 6/8 7/9 Charlottenburg- Wilmersdorf 23/25 3/7 6/11 8/10 Spandau 23/29 4/6 3/5 2/2 Steglitz- Zehlendorf 23/31 5/9 7/13 2/4 Tempelhof- Schöneberg 29/31 8/12 8/9 4/4 Neukölln 25/36 8/12 6/6 3/4 Treptow- Köpenick 17/24 5/9 6/6 1/2 Marzahn- Hellersdorf 24/26 6/10 3/5 3/3 Lichtenberg 25/25 10/10 5/5 3/4 Reinickendorf 20/31 8/11 5/8 1/4 Insgesamt haben 477 von 627 Schulen eine Ansprech- person benannt, das sind 76 % aller Schulen. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 071 2 3. Worauf sind nach Ansicht des Senats die erhebli- chen Zeitverzögerungen und Schwierigkeiten bei der Einführung der Ansprechpersonen für Diversity und se- xuelle Vielfalt zurückzuführen und welche Konsequenzen zieht der Senat daraus für das weitere Vorgehen? Zu 3.: Die Ansprechpersonen werden in der Regel durch die Gremien gewählt, daher ist ein gewisser zeitli- cher Vorlauf zu berücksichtigen. Aufgrund der vielfälti- gen Belastungen erscheint es nicht einfach, Lehrkräfte für zusätzliche Aufgaben zu gewinnen. Die Schulen, die bislang noch keine Person für die Funktion benannt ha- ben, werden zunächst über die Schuladresse regelmäßig mit Informationen versorgt und wiederholt gebeten, zeit- nah eine Ansprechperson zu benennen. 4. Wie wird sichergestellt, dass die Aufgaben und An- gebote der Ansprechpersonen den Lehrkräften, Schü- ler*innen und insbesondere den Eltern an der jeweiligen Schule tatsächlich bekannt gemacht werden? Zu 4.: Die Kontaktpersonen werden in den Kurzfort- bildungen, den sogenannten Fachgesprächen, darauf hin- gewiesen, dass sie ihre Funktion über die Gesamt- und Fachkonferenzen sowie in den Schülergremien und bei der Elternvertretung bekannt machen sollten. Dazu erhal- ten sie entsprechende Materialien sowie das unterstützen- de Angebot, dass die Bildungsinitiative QUEERFOR- MAT bei Bedarf selbst Informationen in den schulischen Gremien vorstellt. Darüber hinaus macht QUEERFOR- MAT das Konzept der Kontaktpersonen bei allen übrigen Veranstaltungen zu sexueller und geschlechtlicher Viel- falt bekannt. 5. Welche Unterstützung und welche Anreize gehen von Seiten der Schulverwaltung für ein Engagement als Ansprechperson für Diversity und sexuelle Vielfalt aus? Existieren verbindliche Standards zu Aufgabenbereich und Qualifizierung der Ansprechpersonen? Wenn ja, welche? Zu 5.: Es werden verschiedene Fortbildungen zum Thema „Sexuelle Vielfalt und vielfältige Lebensweisen“ (Einstiegsveranstaltungen, Fachgespräche mit unter- schiedlichen Schwerpunktsetzungen) für alle Schultypen angeboten. Die einzelnen Module der Fortbildungsange- bote bauen aufeinander auf und den Teilnehmenden wer- den neben fachlichen auch fächerübergreifende Kompe- tenzen vermittelt. 6. Welche Maßnahmen wurden ergriffen, um – wie in der Antwort auf die Kleine Anfrage Drs. 17/10498 ange- kündigt – in Zusammenarbeit mit den Ansprechpersonen für Diversity und sexuelle Vielfalt die angekündigte Ver- stetigung der Elternarbeit zu erreichen? Welche Methoden der Elternarbeit werden praktiziert? Zu 6.: In den Fachgesprächen wird die „Elternarbeit“ regelmäßig thematisiert. Es wird dabei versucht, in den jeweiligen Gruppen auf die individuellen Situationen und Probleme sachgerecht und adäquat einzugehen. Auf der Top-Down-Ebene werden die bezirklichen und Landes- gremien der Eltern weiter durch Infoveranstaltungen angesprochen. Für Eltern wurden seit 2011 Infoblätter und eine Broschüre erstellt, die von den Schulen angefor- dert werden können. 7. Welche Rolle spielt das Thema Akzeptanz sexueller Vielfalt im neuen Handlungsrahmen Schulqualität? Zu 7.: Das Thema Akzeptanz sexueller Vielfalt ist im neuen Handlungsrahmen Schulqualität als eigenes Quali- tätskriterium „Akzeptanz sexueller Vielfalt und Vielfalt der Lebensweisen“ in dem Bereich „Schulkultur“ aufgenommen . 8. Weigert sich der Senat weiterhin, trotz permanenter öffentlicher und medialer Diskussionen über die Schule als „Bastion der Heteronormativität“ und „Hort von Homophobie “, den offensiven Umgang mit sexueller Vielfalt als explizites Kriterium bei der Bewertung durch die Schulinspektion festzulegen (vgl. die Antwort auf die Kleine Anfrage Drs. 17/10498)? Zu 8.: Die in der Frage formulierte Unterstellung wird zurückgewiesen. In Ergänzung zur Antwort auf die Kleine Anfrage 17/10498: Die Schulinspektion berücksichtigt Indikatoren zur Schulkultur, zur Demokratieerziehung und zum Thema Vielfalt, welches die Komplexität aller relevanten Aspekte beleuchtet. Der Umgang mit sexueller und geschlechtlicher Vielfalt ist dabei ein Aspekt, der ebenso wie beispielsweise kulturelle oder religiöse Viel- falt betrachtet wird. Auf dem Weg zur inklusiven Schule hat Diversität jeglicher Ausprägung ihren selbstverständ- lichen Platz, auch in den Bewertungen durch die Berliner Schulinspektion. Eine getrennte Betrachtung, Hervorhe- bung oder gar Priorisierung einzelner Vielfaltaspekte erscheint auf diesem Weg nicht förderlich. 9. Wurde inzwischen – wie in der Antwort auf die in Frage 5 genannte Kleine Anfrage für Ende des Jahres 2012 angekündigt – für jeden Schultyp eine Modellschule für den exemplarischen Umgang mit Diversity und sexu- eller Vielfalt benannt? a) Wenn nein, warum nicht und bis wann wird dies er- reicht sein? Wenn ja, wurde darauf aufbauend die ange- kündigte Entwicklung von Best-Practice-Leitbildern be- gonnen bzw. abgeschlossen? b) Welche Schulen wurden jeweils als Modellschule benannt? c) Mit welchen Maßnahmen wird in sämtlichen Schu- len für das Aufgreifen dieser Best-Practice-Leitbilder geworben? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 071 3 Zu 9.: Es wurden verschiedenste Maßnahmen entwi- ckelt, für die jeweils Modellschulen identifiziert werden konnten. Einerseits wurde eine Verknüpfung mit dem Projekt „Klassenrat“ als demokratisches Instrument zur Implementierung des Themas und andererseits eine Ver- bindung zum „Queer History Month“ hergestellt, der in diesem Februar zum ersten Mal stattfinden wird. Folgen- de Schulen nehmen an diesen Projekten teil: Mendels- sohn-Bartholdy-Schule, Alfred-Nobel-Gymnasium, Hein- rich-Hertz-Oberschule, Marie-Elisabeth-Lüders-Ober- schule, Robert-Blum-Gymnasium. Es wurde ein Portal, www.queerhistory.de, erstellt, das ständig aktualisiert und weiterentwickelt wird und Schulen Vorschläge für die Teilnahme macht. Des Weiteren werden im Projekt i- PÄD Workshops zu intersektionaler Pädagogik an Schu- len und Hochschulen für soziale Arbeit durchgeführt. Über die Anbindung der Querschnittsthemen „sexuelle und geschlechtliche Vielfalt“ an diese und ähnliche Projekte soll mittelfristig eine Handreichung mit Beispielen guter Praxis für Schulen erstellt werden. 10. Welche Schritte plant der Senat (in welchem Zeit- raum), um die Qualifizierung von Schlüsselpersonen im schulischen Bereich wie angekündigt in deren reguläre Aus- und Fortbildung zu integrieren? Zu 10.: In der Ausbildung der Lehramtsanwärterin- nen/Lehramtsanwärter der 2. Phase ist das Thema Sexuel- le Vielfalt/Diversity integriert. Im Handbuch Vorberei- tungsdienst in dem Modul Erziehen und Innovieren, „Pflichtbaustein 1: Entwicklung“ wird unter den Inhalten „Sexuelle Vielfalt und Diversity“ als möglicher Baustein zum Erreichen der Kompetenzen genannt. Die Fortbil- dung der Leitungen der schulpraktischen Seminare soll dazu beitragen, die Inhalte tatsächlich zu verankern. Im Bereich der regionalen Fortbildung ist geplant, mittelfris- tig Regionalkonferenzen für die Ansprechpersonen für Diversity und sexuelle Vielfalt einzurichten. Dies er- scheint erst sinnvoll, wenn der Erreichungsgrad durch Fachgespräche genügend hoch ist. Berlin, den 26. Februar 2014 In Vertretung Sigrid Klebba Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 04. Mrz. 2014)