Drucksache 17 / 13 080 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Katrin Schmidberger (GRÜNE) vom 20. Januar 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 21. Januar 2014) und Antwort Bauvorhaben hinter der EAST SIDE GALLERY – Wie viele Maueröffnungen kommen wirklich? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Trifft es zu, dass der Senat zwei Verkehrs- gutachten bezüglich der Frage der nötigen Anzahl von Maueröffnungen der East Side Gallery (ESG) zur Er- schließung der Bauprojekte an der Mühlenstr. 60-63 in Auftrag gegeben hat und zu welchem Ergebnis kamen diese? Frage 2: Wie beurteilt der Senat die unterschiedlichen Ergebnisse der beiden beauftragten Verkehrsgutachter- Büros zu der notwendigen Anzahl von Öffnungen der ESG zur Erschließung der Bauprojekte an der Mühlenstr. 60 63? Frage 3: Wie begründen die Berliner Gutachter ihre Auffassung, dass nur eine Öffnung der ESG zur Erschlie- ßung ausreiche, obwohl die anderen Gutachter aus Mün- chen bei gleichen Rahmenbedingungen und -daten zu einem gegenteiligen Ergebnis kommen und mindestens eine weitere permanente Öffnung für notwendig halten? Antwort zu 1 - 3: Die Bauherrinnen der Grundstücke Mühlenstraße 60 und Mühlenstraße 61-63 haben jeweils eine Untersuchung zum Nachweis der verkehrlichen Er- schließung beauftragt. Beide Verkehrsuntersuchungen beschäftigten sich mit der Frage, ob eine gemeinsame Erschließung der zwei benachbarten Bauvorhaben über eine 10,80 m breite Maueröffnung auf dem Grundstück Mühlenstr. 61-63 möglich ist. Die Untersuchungen waren Folge der Verhandlungen zwischen dem Senat und den Vorhabenträgerinnen im vergangenen Jahr. Danach sollte eine Erschließungsalternative für die beiden Bauvorhaben gefunden werden, die weitere Mauerdurchbrüche in der East Side Gallery entbehrlich macht, ohne die geplante Bebauung dort grundsätzlich in Frage zu stellen. Die Untersuchungsergebnisse wurden vom Senat fachlich geprüft. Aufgrund der unterschiedlichen Heran- gehensweise und Zugrundelegung verschiedener Rah- menbedingungen bei der Bewertung und Abschätzung des Verkehrsaufkommens kamen die Büros zu stark vonei- nander abweichenden Ergebnissen. In der von der Bauherrin des Grundstücks Mühlen- straße 61-63 vorlegten Untersuchung (Büro GRI / LK Argus, April 2013) wurde aufgrund eines geringen ermit- telten Verkehrsaufkommens die Machbarkeit für eine gemeinsame Erschließung mit einer unsignalisierten “rechts rein – rechts raus Regelung“ nachgewiesen. Eine signalisierte Einbindung in den Knoten Mühlenstraße/ Marianne-von-Rantzau-Straße wurde verkehrlich für kritisch und nicht realisierbar erachtet – und zwar wegen der eingeschätzten Leistungsfähigkeitseinschränkung der Mühlenstraße, der ungünstigen Knotenpunktgeometrie mit seinen versetzten Knotenpunktarmen und daraus bedingten schlechten Sichtverhältnissen. Demgegenüber ermittelte die Verkehrsuntersuchung der Bauherrin des Grundstücks Mühlenstraße 60 (Büro Obermeyer, Juli 2013) ein wesentlich höheres Verkehrs- aufkommen für beide Bauvorhaben. Daraus wurde die Schlussfolgerung getroffen, dass nur eine signalisierte gemeinsame Anbindung die Erschließungsanforderungen gewährleisten könne. Weiterhin kam man zu der Ein- schätzung, dass bezüglich der Leistungsfähigkeit und wegen der beengten Verhältnisse eine gemeinsame, signa- lisierte Zufahrt nicht funktional sei. Im Ergebnis empfahl die Untersuchung daher zwei separate Zufahrten. Angesichts der unterschiedlichen Schlussfolgerungen bezüglich des Verkehrsaufkommens und der verkehrsor- ganisatorischen Anbindung hat der Senat in Abstimmung mit beiden Bauherrinnen schließlich das Büro Fuhrmann Consultants beauftragt, das Verkehrsaufkommen entspre- chend den aktuellen und berlintypischen Nutzungsdaten neu zu berechnen und die Tragfähigkeit einer signalisier- ten Zu- und Ausfahrt nachzuweisen. Insbesondere das Büro Obermeyer hatte zum Vorhaben Mühlenstr. 60 bun- desdurchschnittliche Mobilitätswerte zu Grunde gelegt, die das Berliner Mobilitätsverhalten nicht präzise genug widerspiegelten. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 080 2 Die Untersuchung des Büros Fuhrmann Consultants vom November 2013 kommt zum Schluss, dass die Sig- nalisierung der gemeinsamen Zu- und Ausfahrt keinen sicheren und leistungsfähigen Verkehrsfluss für das ak- tualisierte Verkehrsaufkommen beider Vorhaben gewähr- leistet. Alternativ wird als Lösung daher eine unsignali- sierte Gehwegüberfahrt mit einer “rechts rein – rechts raus Regelung” vorgeschlagen. Diese wird im Hinblick auf das ermittelte Verkehrsaufkommen für leistungsfähig und tragfähig gehalten, soweit bestimmte verkehrsorgani- satorische Maßnahmen am Knoten erfolgen. Zu errichten sind vor allem eine Ladezone und Rechtsabbiegespur am südlichen Fahrbahnrand der Mühlenstraße zu Lasten des ruhenden Verkehrs. Der Senat stimmt diesem angepassten Untersuchungsergebnis zu. Frage 4: Wie verhält sich der Senat unter dem Ein- druck der erwartbaren Belastungen und Beeinträchtigun- gen für die East Side Gallery zu den Forderungen der Eigentümer des Riegel-Grundstücks nach Erweiterung ihres Baurechts um zwei weitere Stockwerke und den weiteren gewünschten Befreiungen? Antwort zu 4: Um weitere Maueröffnungen auf dem Grundstück Mühlenstr. 61-63 zu vermeiden und unab- dingbare Maueröffnungen auf das kleinstmögliche Maß zu beschränken, hat die Bauherrin auf Bitte des Senats ihre Gebäudeplanung neu konzipiert. Danach werden die Untergeschosse des Gebäudes mit den Tiefgaragenzufahr- ten und –spindeln nach Süden von der East Side Gallery weg verschoben. Als Ausgleich für die hierdurch entste- henden Flächenverluste und Funktionsmängel beabsich- tigt die Bauherrin, den ursprünglichen Entwurf um ein weiteres Staffelgeschoss aufzustocken. Ferner sollen die straßenabgewandten Baugrenzen moderat überschritten werden. Im Rahmen der zu treffenden Güterabwägung hält der Senat diese Planänderungen für gerechtfertigt; sie dienen dem Schutz der East Side Gallery. Frage 5: Sind die durch die gewünschten Befreiungen zur Erhöhung der Baumasse auf dem Grundstück Müh- lenstr. 61 63 entstehenden zusätzlichen verkehrlichen Belastungen (mehr Bewohner, mehr Liefer- und Dienst- leistungsverkehr) bereits in die Gutachten zu Verkehr und Erschließung eingeflossen? Antwort zu 5: Das Verkehrsaufkommen der zuletzt vom Senat beauftragten Verkehrsuntersuchung berück- sichtigt die aktuell geplanten Nutzflächen der Bauvorha- ben. Darin enthalten sind auch die durch Befreiung zuge- lassenen Flächen. Frage 6: Wie viele, wie groß dimensionierte Mauer- öffnungen sind laut den verschiedenen Verkehrsgutachten zur Erschließung der Bauprojekte an der Mühlenstr. 60-63 genau notwendig? Antwort zu 6: Die Büros GRI / LK Argus und Fuhr- mann Consultants schätzen ein, dass die Maueröffnung mit einer Breite von 10,80 m an der Mühlenstr. 61-63 für die Erschließung beider Bauvorhaben ausreicht. Hingegen empfiehlt das Büro Obermeyer zwei separate Maueröff- nungen, ohne eine konkrete Mindestbreite der Maueröff- nung für das Vorhaben Mühlenstr. 60 zu benennen. Frage 7: Wie schätzen die Eigentümer der beiden be- treffenden Grundstücke und deren Planer den Bedarf an Maueröffnungen ein? Antwort zu 7: Nach Angaben der Bauherrin des Grundstücks Mühlenstr. 61-63 reicht eine Maueröffnung mit einer Breite von 10,80 m auf ihrem Grundstück aus. Die Bauherrin plant, über diese Maueröffnung auch den Baustellenverkehr für ihr Vorhaben abzuwickeln. Die Bauherrin des Grundstücks Mühlenstr. 60 prüft zurzeit noch, ob die Erschließung ihres Vorhabens über die Maueröffnung auf dem Nachbargrundstück Müh- lenstr. 61-63 abgewickelt werden kann, so dass auf die sonst erforderliche Maueröffnung an der Brommystraße nach Ende der Bauphase verzichtet werden kann. Hilfs- weise prüft sie, inwieweit die vom Bezirksamt Friedrichs- hain-Kreuzberg zugelassene Breite der Maueröffnung an der Brommystraße von rund 23 m auf das Mindestmaß reduziert werden kann, welches für die Erschließung ihres Wohnhochhauses unabweisbar ist. Fest steht, dass wäh- rend der Bauphasen beider Vorhaben die bestehende Lücke an der Brommystraße in einer Breite von 6 m er- forderlich bleibt. Frage 8: Wie bewertet der Senat die Ankündigung des Bauherrn Hinkel, die von ihm als temporäre Lösung wäh- rend der Bauphase angekündigte Maueröffnung nun dau- erhaft zur Erschließung seines Hochhausprojekts zu nut- zen? Antwort zu 8: Da die Bauherrin für das Grundstück Mühlenstr. 60, vertreten durch Herrn Hinkel, das Problem der Erschließung weiterhin prüft und sich insofern noch nicht abschließend geäußert hat, ist es für eine Bewertung zu früh. Frage 9: Wie viele, wie große Maueröffnungen, tem- porär oder permanent, sind laut den unterschiedlichen Verkehrsgutachten bis zum Abschluss der beiden Baupro- jekte (Hochhaus und Riegel) insgesamt für die Erschlie- ßung der Baustellen und des danach folgenden Normalbe- triebs nötig? Antwort zu 9: Siehe Antwort zu 7. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 080 3 Frage 10: Wie wird sich die direkt dem Regierenden Bürgermeister unterstehende Oberste Denkmalschutzbe- hörde zu der Entscheidung des Landesdenkmalamts ver- halten, dass, entgegen der Beurteilung der bezirklichen unteren Denkmalbehörde, eine dauerhafte Überfahrung des Mauerfußes mit Kraftwagen mit dem Schutzstatus der East Side Gallery für vereinbar gehalten wird? Antwort zu 10: Die Oberste Denkmalschutzbehörde ist die ministerielle Ebene der Denkmalschutzbehörden. Sie ist bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt angesiedelt, ebenso die nachgeordnete Fachbe- hörde (Landesdenkmalamt). Gemäß § 6 Abs. 5 Denkmal- schutzgesetz Berlin trifft bei fehlendem Einvernehmen zwischen unterer Denkmalschutzbehörde und Landes- denkmalamt die Oberste Denkmalschutzbehörde die Ent- scheidung. Die Entscheidung zur dauerhaften Überfahrung des Mauerfußes für das Grundstück Mühlenstr. 61-63 orien- tiert sich an der bereits auf dem Grundstück Mühlenstr. 60 vom Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg genehmigten Überfahrt des Mauerfußes und an den Verhandlungser- gebnissen des Regierenden Bürgermeisters mit den Bau- herrinnen. Im Rahmen der Abwägung folgt die Oberste Denkmalschutzbehörde der Entscheidung des Landes- denkmalamts, die schwerwiegenden denkmalfachlichen Bedenken unter bestimmten Auflagen zurückzustellen. Frage 11: Stimmt der Senat von Berlin im Lichte der nun immer klarer werdenden Fakten der ursprünglichen Einschätzung des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg und der dortigen BVV zu, dass die Vermeidung einer erhebli- chen Beeinträchtigung des Denk- und Mahnmals East Side Gallery durch Bautätigkeit, Überbauung, ständige Belastung durch Verkehr und zusätzliche Öffnungen nur möglich gewesen wäre, wenn die dort fortschreitenden und noch geplanten Bauprojekte durch ein Angebot von geeigneten Tauschgrundstücken, über die nur der Senat und der ihm zugeordnete Liegenschaftsfonds verfügen, verhindert hätten werden können? Frage 12: Wäre der Senat unter dem Eindruck der ge- wonnenen Erkenntnisse der letzten Monate bereit, das Grundstück zu kaufen, auf dem der geplante Gebäuderie- gel gebaut werden soll (Mühlenstr. 61-63) oder ein Er- satzgrundstück anzubieten, sollten die Eigentümer dazu bereit sein? Antwort zu 11 und 12: Die Bauvorhaben auf den Grundstücken Mühlenstr. 60 und 61-63 sind das Ergebnis eines langjährigen Planungsprozesses. Der Hochhausturm und der benachbarte Gebäuderiegel sollen sowohl den geplanten Brückenkopf an der Brommystraße baulich akzentuieren, als auch den angrenzenden Rummelsburger Platz räumlich fassen. Das Bebauungskonzept geht zu- rück auf den 1992 veranstalteten städtebaulichen Ideen- wettbewerb Hauptbahnhof Berlin / Spreeufer (heute Ost- bahnhof) und den darauf aufbauenden Rahmenplan Müh- lenstraße (1994). Berücksichtigung fand es im Planwerk Innenstadt (1999), im Leitbild Spreeraum (2002) und zuletzt im Planwerk „Innere Stadt“ (2010). Um die Bebauung rechtsverbindlich zu sichern, hat der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg den Bebauungsplan V-74 aufgestellt. Dem Gesetz folgend hat er die Öffent- lichkeit und die Behörden beteiligt, um die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander abzuwägen – auch die denkmalrechtlichen Belange. Danach hat der Bezirk den Bebauungsplan durch Verord- nung vom 16.08.2005 festgesetzt. Entsprechende Bauge- suche wurden positiv beschieden. Die Eigentümerinnen der Grundstücke sind weiterhin willens, ihre durch den Bebauungsplan begründeten Bau- rechte auszunutzen. Sie haben deutlich gemacht, von den erteilten Vorbescheiden und Baugenehmigungen des Bezirksamtes Friedrichshain-Kreuzberg grundsätzlich Gebrauch zu machen. In Anbetracht dieser Umstände stellt sich die Frage nach dem Angebot von Tauschgrund- stücken konkret nicht. Vergleichbare Ersatzgrundstücke, die angeboten wer- den könnten, sind im Übrigen nicht vorhanden. Auch der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg selbst hat darauf hinge- wiesen, über keine Grundstücke zu verfügen. Es wäre überdies problematisch, Landesgrundvermögen zur Revi- sion von Planungsentscheidungen der zuständigen Stellen z. B. des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg einzusetzen. Ein Kauf oder Tausch wäre schon im Hinblick auf die Rechtslage gemäß § 63 Abs. 1 Landeshaushaltsordnung problematisch. Berlin, den 21. Februar 2014 In Vertretung R. L ü s c h e r ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 26. Feb. 2014)